Die Elektrolastwagen für die Kehrichtsammlung werden zu 100 Prozent mit Naturstrom betrieben und setzen die Belader weniger Gesundheitsrisiken aus.

Der Kanton Obwalden setzt auf E-Mobilität

09.05.2023
5 l 2023

Was für den Personenverkehr gilt, setzt sich zunehmend auch im Nutzverkehr durch: Immer mehr Nutzfahrzeuge und Geräte werden mit Elektromotor angeboten. Die Gemeinde Kerns (OW) ist daran, schrittweise umzustellen.

Die Kehrichtentsorgung ist heute im Kanton Obwalden eine nahezu lautlose Angelegenheit: Keine lärmenden Dieselfahrzeuge, sondern leise Elektrolastwagen holen seit 2020 den Hausabfall ab. Damals ersetzten die beiden Elektrokehrichtwagen ihre dieselbetriebenen Vorgänger. Bei diesen Fahrzeugen handelt es sich um die ersten Elektrokehrichtsammellastwagen in der Zentralschweiz, die für die Kehrichtsammlung eingesetzt werden. Obwalden wurde zum ersten Schweizer Kanton, dessen Kehrichtsammlung komplett elektrisch abläuft. 

Ruhigeres Fahrgefühl und höhere Effizienz

«An der Messe Suisse Public sah ich erstmals den Prototyp eines elektrisch betriebenen Kehrichtsammellastwagens», erinnert sich Sepp Amgarten, Geschäftsführer des Entsorgungszweckverbands Obwalden (EZV OW). Das Gefährt war damals jedoch rund dreimal teurer als das herkömmliche Pendant auf Dieselbasis. «Doch ich bezog nicht nur die Anschaffungs-, sondern auch die Unterhaltskosten und die Lebensdauer in die Rechnung ein.»

Damit die Investition in die Elektrokehrichtsammelfahrzeuge nicht der Transporteur übernehmen musste, beschaffte der EZV OW diese und stellt sie zur Verfügung. Aufgrund der Investitionshöhe musste die Beschaffung öffentlich ausgeschrieben werden. Neben dem elektrischen Betrieb war ein weiteres Kriterium, dass ein Fahrzeug bereits im Einsatz sein musste, um die Funktionsfähigkeit zu garantieren. Aufgrund einer Einsprache musste die Ausschreibung wiederholt werden. In dieser wurde eine möglichst umweltfreundliche Kehrichtsammlung inklusive Sammelfahrzeugen gefordert. Die Firma Zimmermann Umweltlogistik AG in Alpnach Dorf (OW) erhielt den Zuschlag. Sie betreibt seither mit den zwei Elektrokehrichtsammelfahrzeugen die Kehrichtsammlung im ganzen Kanton Obwalden – sogar bis auf 2000 Meter über dem Meeresspiegel. 

«Anfangs war unser Fahrpersonal skeptisch», erinnert sich Amgarten. «Mittlerweile ist es begeistert und schwört auf den Elektrokehrichtlastwagen.» Das habe unter anderem damit zu tun, dass die naturstrombetriebenen Kehrichtwagen ruhiger fahren als ihre Cousins mit Dieselmotor.

Rund eine Million Franken kostete schliesslich ein Fahrzeug inklusive des Umbaus von Diesel- auf Elektrobetrieb, denn verkaufsfertig gab es dieses Modell damals nicht. Beide Wagen sind täglich unterwegs und gewährleisten die Entsorgung zuverlässig. Amgarten nennt zahlreiche Vorteile: «Erstens ist der Elektromotor deutlich leiser als ein Diesel. Zweitens verläuft der Sammelprozess mit ihnen schneller, da sie im Gegensatz zu herkömmlichen Kehrichtwagen die Ladung während der Fahrt pressen können und dafür nicht anhalten müssen.» Zusätzlich senkt die Arbeit mit dem Elektrofahrzeug die Gesundheitsrisiken für die Belader, da diese nicht mehr den Abgasen ausgesetzt sind.

Bei der Bevölkerung kommt die Umstellung gut an. Aktuell läuft zur Erhebung der Zufriedenheit eine Onlineumfrage. Im Kanton Obwalden gibt es weiterhin zwei Möglichkeiten, den Kehricht zu entsorgen: klassisch mit dem Gebührensack und der Kehrichtsammlung oder kostengünstiger mit einer Prepaidkarte und der Entsorgung bei einer der Kehrichtentsorgungsanlagen, die zentral in jeder Gemeinde stehen und im Bringsystem funktionieren.

Kerns setzt konsequent auf elektrisch

Besonders innovativ in Sachen Elektromobilität ist die Gemeinde Kerns (OW). Seit 2019 ist ein Hybrid-Aussendienstfahrzeug im Einsatz, Ende 2022 ergänzte ein reiner Elektrokombi die Flotte. «Elektroantrieb ist bei jeder Anschaffung unserer Kommunalfahrzeuge und Handmaschinen ein Thema», erzählt Lucas Goerre, Bereichsleiter Bau und Infrastruktur. Dazu kommen diverse Akkugeräte wie der elektrische Laubbläser, der bereits seit 2016 zur Ausrüstung des Werkhofs gehört.

2011 forderte der Gemeinderat, bei Neuanschaffungen besonders auf die Ökologie zu achten. Dies hatte zur Folge, dass sich seit 2021 neben dem Gemeindehaus ein E-Mobility-Standort inklusive zweier elektrischer Ladestationen befindet. Das Carsharing-Prinzip wird von Mitarbeitenden rege für Termine genutzt, die nicht in Gehdistanz erreichbar sind. «Der Gemeinderat plant, komplett auf Elektro beziehungsweise. erneuerbare Energien umzustellen. Sobald ein Gerät nicht mehr arbeitstüchtig ist, soll die Neuanschaffung möglichst elektrobetrieben sein», erklärt Werkdienstleiter Thomas Arnold. Aktuell befinden sich ein Handlaubbläser, eine Heckenschere und eine Stangensäge der Marke Pellenc im Besitz der Gemeinde. Inklusive eines für alle Geräte kompatiblen Akkus und des Rucksacks mit Bläser kostet ein Werkzeug rund 3000 Franken.

Weitere Vorteile sind das kleinere Gewicht gegenüber Benzinern sowie die grössere Bewegungsfreiheit und damit bessere Ergonomie, die geringeren Emissionen und die reduzierte gesundheitliche Belastung für Mitarbeitende, aber auch die sofortige Ruhe, wenn man das Gerät ausschaltet: Benzingeräte brummen im Ruhemodus, während Elektrogeräte nach dem Abschalten sofort still sind. «Aus der Kernser Bevölkerung kommen positive Rückmeldungen. Vor allem im Ortskern und auf dem Friedhof werden die leisen Akkugeräte geschätzt», bestätigt Arnold. Als Nächstes auf der Liste der Neuanschaffungen stehen ein akkubetriebener Rasenmäher und ein vollelektrischer Einachsgeräteträger. Diese sollen noch 2023 den Bestand ergänzen.

Herausforderung Winterdienst

Beim Winterdienst setzt die Gemeinde aktuell allerdings noch auf Dieselmotoren. «Momentan generieren die Batterien zu wenig Leistung, als dass wir diese für Fahrzeuge für die Schneeräumung verwenden könnten. Aufgrund der Ladezeiten und der zu kurzen Betriebsstunden ist ein solches Gerät bei starkem Schneefall bei uns noch nicht praxistauglich», argumentiert Arnold. Wenn jedoch eine geeignete Maschine auf den Markt komme, sei die Gemeinde Kerns nicht abgeneigt.

Rückblickend sind sich Goerre und Arnold einig: Es ist immer anspruchsvoll, auf eine neue Technologie zu wechseln. Vor allem zu Beginn der Energiekrise kamen Zweifel auf, ob sich die Gemeinde für den richtigen Weg entschieden habe und die Technologie tatsächlich verlässlich sei. Die ökologischen Vorteile überwiegen jedoch. «Die Lieferzeiten für E-Fahrzeuge und -Geräte sind lang und können sich monatelang verzögern», gibt Goerre zu bedenken. Anderen Gemeinden empfiehlt er, insbesondere bei Ausschreibungen ausreichend Zeit einzuplanen und die Fahrzeug- sowie Gerätekriterien klar zu definieren und festzulegen, dass der Elektroantrieb Pflicht ist.

Schweizer E-Entwicklung ist winterfest

Seit 50 Jahren produziert die Viktor Meili AG in Schübelbach (SZ) Kommunalfahrzeuge für Strassenreinigung, Transportarbeiten, Park- und Landschaftspflege. Die Firma ist nach eigenen Angaben die einzige in der Schweiz, die selbst ein elektrisches Antriebssystem für Nutzfahrzeuge entwickelt hat. «BEAT.e» etwa ist ein vollelektrisch getriebenes, hydraulisch gefedertes Allradfahrzeug, das bis zu drei Tonnen Nutzlast mit sich führen kann und zwei Sitzplätze hat. Seine Leistung beträgt 200 Kilometer oder acht Betriebsstunden, was für den täglichen Gebrauch ausreichen sollte. Laut dem Familienunternehmen sind die Elektrofahrzeuge auch in der Lage, im Winterdienst eingesetzt zu werden, was am Heizmechanismus der Batterie liegt: Fällt die Temperatur der Batterie unter zehn Grad, wird sie temperiert, sodass immer die volle Leistung und Kapazität zur Verfügung steht.

Anna Rosenthaler
Freie Mitarbeiterin
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