Die Gemeinden sind bei der Umsetzung des RPG 1 auf gutem Weg.

Zehn Jahre RPG 1: Und die Gemeinden?

01.08.2024
7-8 | 2024

Vor zehn Jahren trat das teilrevidierte Raumplanungsgesetz (RPG 1) in Kraft. Anlässlich einer Konferenz hat der Raumplanungsverband EspaceSuisse diesen Sommer Bilanz gezogen. Für die Ebene der Gemeinden blickte dort Christoph Niederberger, bis Juli Direktor des Schweizerischen Gemeindeverbands, auf zehn Jahre RPG 1 zurück. Sein Fazit: Die Gemeinden sind auf gutem Weg – aber sie brauchen noch Zeit. Lesen Sie hier einen Ausschnitt aus seiner Rede.

«Das politische Wirken im Raum stellt eine der zentralsten Aufgaben im Staat dar – gerade für die kommunale Ebene. Umso wichtiger ist es, dass sie koordiniert und geordnet vonstattengeht. Hierfür benötigt es stringente rechtliche Voraussetzungen auf allen Staatsebenen. Diese sind mit dem revidierten Raumplanungsgesetz weitestgehend vorhanden respektive befinden sich in Umsetzung.

Daneben braucht es in den politischen Stuben aber auch Macherinnen und Entscheider, die sich nicht nur auf den gültigen Paragrafen konzentrieren, sondern eine gesamthafte Entwicklung im Auge behalten. Personen, die einerseits moderieren und sich andererseits durchsetzen können. Der Dialog zwischen dem Bürger und der Bürgerin mit den Behörden ist ob der gewachsenen sachlichen Komplexität in den letzten Jahren wichtiger geworden.

Rasantes Wachstum

In den letzten zehn Jahren seit dem Inkrafttreten des RPG 1 hat eine krasse Menge an Entwicklung stattgefunden. Die Schweiz ist stark gewachsen. Und hat sich dementsprechend entwickelt: räumlich, bevölkerungsmässig, wirtschaftlich, soziodemographisch, politisch … Verschiedene Krisen sind durchs Land gezogen, die den politischen Fokus und Umgang miteinander verändert haben. Man kann – und sollte auch – dieses Wachstum kritisieren, was man dagegen nicht machen sollte, ist, die neuen Herausforderungen totzuschweigen. Die Politik sollte sich dem rasanten Wachstum der Schweiz stellen. Dabei spielen die Raumplanung und das RPG eine Schlüsselrolle.

Neue Problemfelder sind entstanden. Der Stress im zunehmend begrenzten Raum hat gerade in den Gemeinden zugenommen. Viele Kommunen können sich kaum mehr weiterentwickeln, weil ihre Grenzen natürlich gegeben sind. Dies nicht nur im urbanen Raum, sondern an vielen, auch peripher gelegenen Orten in der Schweiz. Nun soll die Entwicklung gegen innen stattfinden, wird gesagt, doch diese ist vielerorts behindert, weil die Bevölkerung oder einfach der Nachbar das partout nicht haben will. Aber auch das ist Demokratie. Und muss so akzeptiert werden. Wir leben nach wie vor in einem Rechtsstaat.

«In einer regional diversen Schweiz gibt es keine Patentrezepte, aber viele gute Beispiele.»

Christoph Niederberger, ehemaliger Direktor des Schweizerischen Gemeindeverbands

Die Zeit der Generalunternehmer

Zudem: Für jede bauliche Entwicklung braucht es private Geldgeber. Geld war in den letzten Dekaden lange Zeit billig zu haben. Und somit auch das Investieren. Aber: Die Zeiten, als eine ganz normale Mittelstandsfamilie ihr eigenes Haus bauen konnte, sind definitiv vorbei. Heute ist die Zeit der grossen Investoren und Generalunternehmer gekommen. Und diese denken anders, sind dem finanziellen Erfolg verpflichtet. Es entstehen vielfach wie in den 1970er-Jahren ausnutzungsziffernoptimierte Quadratbauten mit teils grünem Anstrich und viel Energieeffizienz. Eine regionale Baukultur geht dagegen zusehends verloren, fantasieloser Einheitsbrei ist weit und breit angesagt.

Die Vorgaben und Ansprüche, begonnen beim Lärmschutz über die Energieeffizienz, CO2-Neutralität und Behindertengerechtigkeit, werden komplexer. Vor allem die Bundespolitik hat in den vergangenen zehn Jahren viel gearbeitet. Einsprachen als Ausdruck dieser zunehmend rechtlichen Komplexität, aber auch als Zeichen der Überfordert- und Unzufriedenheit der Bevölkerung nehmen im ganzen Land zu.

Hinzu kommt: Eine Spezialplanung jagt die andere. Neben Velowegen muss der Langsamverkehr geplant werden. Die Velos werden aber immer schneller und ausladender. Es braucht also auch hier mehr Raum. Und neue Konzepte. Ausdruck davon ist etwa die Verkehrsverlangsamung in den Gemeinden. Heute kein Politikum mehr, sondern eine verkehrsplanerische Tatsache.

Geduld ist gefragt

Trotz allem: Das Fazit nach zehn Jahren RPG 1 ist positiv. Auch nach zehn Jahren Laufzeit liegt ein aktuelles Raumplanungsgesetz vor. Dieses befindet sich immer noch in Umsetzung, denn zehn Jahre sind im Staat – und vor allem auch in der Raumplanung – nicht viel. Es braucht noch etwas mehr Zeit, bis alle Neuerungen in den Gemeinden angekommen sind. So ist das beim RPG, so ist das aber auch bei vielen anderen Gesetzen in der Schweiz. Neben Geduld braucht es ebenfalls mehr Unaufgeregtheit im Thema.

Die grosse Kraft der kommunalen Ebene, die all dies ob ihrer Resilienz auffängt und zum Guten bringt, ist vorhanden. Diese Kraft muss aber gefördert werden, zum Beispiel von Organisationen wie EspaceSuisse. Die Kompetenzen in den Gemeinden und Städten müssen erweitert werden. Auch soll Erfahrungsaustausch untereinander stattfinden. In einer regional diversen Schweiz gibt es keine Patentrezepte, aber viele gute Beispiele.»

173 Gemeinden haben Bauland rückgezont

Am 1. Mai 2014 trat die erste Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG 1) in Kraft. Ziel davon ist es, die Zersiedelung zu stoppen, um landwirtschaftliche Flächen und Naturlandschaften zu erhalten. In den vergangenen zehn Jahren haben drei Viertel der Schweizer Gemeinden ihre Nutzungspläne angepasst oder sind derzeit daran, sie anzupassen. Das schreibt das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) in einer Mitteilung. 173 Gemeinden haben insgesamt 390 Hektaren Bauland zurückgezont. Erst 2030 dürften alle Nutzungspläne RPG-1-konform sein.

Christoph Niederberger
Schweizerischer Gemeindeverband
ehemaliger Direktor