Wohnungsmangel verstärkt Fachkräftemangel
Die aktuelle Wohnungsknappheit in vielen Berggemeinden verschärft auch den Fachkräftemangel im Tourismus: Angestellte finden schlicht keinen Wohnraum mehr. Touristische Unternehmen und Gemeinden suchen deshalb nach innovativen Lösungsansätzen.
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt hat sich in den Berggebieten in den letzten Jahren grundlegend verändert. Zahlreiche Gemeinden weisen eine extreme Wohnungsknappheit auf. So liegt die Leerwohnungsziffer zum Beispiel in Lenk bei 0,0 Prozent und in Zermatt bei 0,4 Prozent. Die Situation ist dermassen prekär, dass Einheimische keinen Wohnraum mehr finden. Noch schwieriger ist es für saisonal beschäftigte Angestellte von Hotels, Restaurants, Bergbahnen, Sportgeschäften und so weiter. Wenn diese keine Wohnungen finden, verschärft sich der Fachkräftemangel. Gemeinden und touristische Betriebe suchen deshalb nach Lösungen.
Touristische Unternehmen in der Verantwortung
Die touristischen Unternehmen haben ein grosses Interesse, ihren Angestellten modernen und erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Grössere Hotelbetriebe im Vier- und Fünfsternebereich können dies meist selbst stemmen. Problematischer wird es für kleinere Betriebe, die oft bereits an der Rentabilitätsgrenze arbeiten. Die Bergbahnen Grimentz (VS) haben im ganzen Dorf verteilt verschiedene Wohnungen angemietet und aufgekauft und saniert und vermieten diese nun als Angestelltenwohnungen. Spannend ist auch der Ansatz des Hotels Landhaus in Münster (VS). Es hat ein ehemaliges Gebäude aufgekauft, daraus attraktive Angestelltenwohnungen gemacht und gleich noch ein kleines Fitnesszentrum eingerichtet. Das Fitnesszentrum steht auch den Gästen und der einheimischen Bevölkerung zur Verfügung. So wird auch eine Möglichkeit für den Austausch zwischen Einheimischen, Gästen und Angestellten geschaffen.
Die Gemeinden als Moderatoren
Die Gemeinden können die Bestrebungen der touristischen Leistungsträger unterstützen. Eine wichtige Rolle der Gemeinden kann es dabei sein, alle Akteure an einen Tisch zu bringen. In einem Pilotprojekt der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) mit den drei Gemeinden Lenk (BE), Obergoms (VS) und Scuol (GR) hat sich dieses Vorgehen sehr bewährt. In Workshops konnten gemeinsam Lösungsansätze identifiziert werden. Für die Umsetzung wurden Arbeitsgruppen eingesetzt, in denen wiederum die verschiedenen Akteure vertreten sind. Die Verantwortung für die Umsetzung der Massnahmen liegt somit nicht zwingend bei den Gemeinden, sondern wird gemeinsam von den betroffenen Akteuren getragen.
Wohnraumpolitik der Gemeinden
Angesichts der teilweise prekären Lage müssen sich die Gemeinden des Themas Wohnungsknappheit annehmen. Ein erster Schritt kann nur schon darin bestehen, innerhalb des Gemeinderats eine verantwortliche Person zu bezeichnen. Zudem sollten die Gemeinden eine Wohnraumpolitik erarbeiten und diese politisch möglichst breit abstützen. Dadurch besteht eine genügende Legitimationsbasis für darauffolgende Massnahmen. Die Palette an möglichen Massnahmen reicht von einfachen Informations- und Sensibilisierungsarbeiten bis hin zu raumplanerischen und fiskalischen Massnahmen. Die Gemeinde Sumvitg (GR) hat beispielsweise eine Zone für Personalwohnungen ausgeschieden. Zermatt (VS) will den Hotelbetrieben eine Auflage machen, dass sie bei Neu- oder Ersatzbauten nachweisen müssen, dass genügend Wohnraum für die Angestellten zur Verfügung steht.
In Zweitwohnungsgemeinden können die Gemeinden auch Massnahmen ergreifen, um eine unerwünschte Umwandlung von altrechtlichen Erst- in Zweitwohnungen zu verhindern. So hat die Gemeinde Flims (GR) im kommunalen Zweitwohnungsgesetz festgeschrieben, dass beim Abbruch und Wiederaufbau altrechtlicher Wohnungen ein Erstwohnungsanteil von mindestens 50 Prozent gilt. Kann das nicht eingehalten werden, wird eine Ersatzabgabe fällig, die wiederum für den Bau von Erstwohnungen verwendet wird.
Bund und Kantone unterstützen
Bund und Kantone können mit ihren jeweiligen Instrumenten die Bestrebungen der Tourismusunternehmen und der Gemeinden unterstützen. Interessant ist das aktuelle Vorgehen in Graubünden. Der Kanton hat im Auftrag des Kantonsparlaments in einem ersten Schritt eine Wohnraumanalyse erstellt. Darin wurde die Problemlage klar aufgezeigt. In einem zweiten Schritt beauftragte das Kantonsparlament den Regierungsrat, eine Wohnraumpolitik zu entwickeln. Die entsprechende Umsetzung stand im Sommer 2024 in der Vernehmlassung. Der Kanton stützt sich dabei auf die bereits bestehenden Bundesinstrumente zur Wohnraumförderung und verstärkt diese mit kantonalen Mitteln. Es handelt sich somit um einen pragmatischen Ansatz, der auch in anderen Kantonen repliziert werden kann, die noch keine eigene Wohnraumpolitik haben.
Leitfaden und öffentliche Veranstaltung
Zusammen mit der gutundgut GmbH und mit finanzieller Unterstützung durch das Förderprogramm Nachhaltige Entwicklung des Bundes hat die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) im Jahr 2024 Lösungsansätze für Angestelltenwohnungen in Tourismusgemeinden aufgezeigt. Der Schlussbericht mit allen Ergebnissen findet sich auf www.sab.ch. Für Anfang 2025 sind zudem die Publikation eines Leitfadens und eine öffentliche Veranstaltung geplant.