«Wir sind auch eine Art Hofnarren»
Einer der Schweizer Musikpreise ging aufs Land: An Daniel Fontana, Programmator im Kultlokal «Bad Bonn» in Düdingen (FR). Einem Lokal, in dem sowohl Avantgarde als auch «Büezer» Platz haben – dank der Offenheit der Betreiber.
Drei junge Frauen und Männer kurven an diesem trüben Herbstnachmittag auf einem laut knatternden alten Massey-Ferguson-Traktor über den Parkplatz des Kulturlokals «Bad Bonn» in Düdingen (FR). Auf der Terrasse des Lokals sind Verstärker aufgebaut, im Inneren sitzen ein junger Mann und eine junge Frau vor einem Laptop. Aus der Küche dringen Musik und Gelächter. Es ist einer der letzten Tage einer Künstlerresidenz im «Bad Bonn»: Einen Monat lang haben Künstlerinnen und Künstler aller möglichen Sparten das Kulturlokal belebt. «Sie haben eine Carte blanche und durften in diesem Monat machen, was sie wollten», sagt Daniel Fontana, Programmator und Mitgründer des «Bads Bonn», der nun am Tresen erschienen ist. «Sie haben vor allem viele Veranstaltungen organisiert – obwohl sie das nicht gemusst hätten.»
Daniel Fontana, besser bekannt unter seinem Rufnamen «Duex», grüsst die Truppe in der Küche und führt dann in den oberen Stock, ins Büro des «Bads Bonn». Regale mit CDs und Ordnern säumen die Wände. Immer wieder mal kommt jemand während des Gesprächs ins Büro, fragt nach einem Kabel oder verabschiedet sich. Daniel Fontana scheint die lebendige Stimmung im «Bad Bonn» zu behagen. «Die Menschen sind das Wichtigste», sagt er während des Gesprächs immer wieder. «Die Begegnungen, die hier entstehen, sind das Schöne. Die Möglichkeit, verschiedene Milieus zusammenzubringen.» Im «Bad Bonn» hat Avantgarde-Techno genauso Platz wie die Metalband aus dem Nachbardorf.
Fixpunkt für Fans alternativer Musik
In den vergangenen 31 Jahren hat sich das Lokal in einem Weiler am Schiffenensee, 15 Minuten Fussmarsch vom Bahnhof Düdingen entfernt, zu einem Kultlokal gemausert. «Where the hell is Bad Bonn» – «Wo zur Hölle ist das Bad Bonn» war einst der Slogan des Lokals. Längst ist Düdingen aber ein Fixpunkt auf der Landkarte der Fans alternativer Musik, nicht zuletzt auch wegen des jährlichen Festivals, der «Kilbi», deren Tickets jeweils innert Minuten ausverkauft sind.
«Die Begegnungen, die hier entstehen, sind das Schöne. Die Möglichkeit, verschiedene Milieus zusammenzubringen.»
Programmator Daniel Fontana wurde diesen Herbst mit dem Spezialpreis Musik 2022 des Bundesamts für Kultur ausgezeichnet. Der Preis sei eine schöne Anerkennung, sagt er, um gleich nachzuschieben: «Ich bin eigentlich gar nicht so ein grosser Musikkenner. Ich bin gut vernetzt, pflege viele Freundschaften und programmiere sehr emotional. Es muss menschlich stimmen.»
Die Inhalte, mit denen dieses Haus gefüllt werde, seien schon immer das Wichtigste gewesen. 1991 begann das Abenteuer «Bad Bonn». Der Düdinger Daniel Fontana hatte zuvor mit Freunden bereits ein Lokal im Dorf geführt. Dann konnten sie das «Bad Bonn» übernehmen. Der Name verweist auf einen alten Kurort, der heute auf dem Grund des Schiffenensees liegt: Nach dem Bau der Schiffenensee-Staumauer ging er unter.
Holpriger Start
«Als wir das Lokal übernahmen, hatten wir kein klar definiertes Ziel. Mehr aus Zufall begannen wir, Konzerte mit Metalbands aus der Region zu organisieren.» Das hat nicht allen gefallen, es kam zu Konflikten mit den Nachbarn. «Wir waren anfangs zu euphorisch und haben wenig Rücksicht genommen.» Die Betreiber isolierten das Haus und sind heute auf einen guten Austausch mit Nachbarn und auch der Gemeinde aus. «Vertrauen zu gewinnen, braucht Zeit. Uns ist es wichtig, verantwortungsvoll zu arbeiten und Abmachungen einzuhalten.»
Die Gemeinde habe sich dafür eingesetzt, dass das Lokal finanzielle Unterstützung von der Agglomeration Freiburg erhält. Während das «Bad Bonn» als private Initiative startete, erhält es heute Fördergelder, eben von der Agglomeration Freiburg und auch von der Loterie Romande. Die Gemeinde Düdingen unterstützt das Lokal indirekt über ihre Mitgliedschaft bei der Agglomeration. Die Zusammenarbeit mit der Gemeinde sei gut, auch weil das «Bad Bonn» mittlerweile fest verankert sei, so Daniel Fontana. Er würde sich wünschen, dass ab und zu jemand aus dem Gemeinderat vorbeischaue. «Man muss keine Angst haben, wir sind sehr offen hier.»
Bewusstsein geschaffen in der Gemeinde
Der Düdinger Gemeindepräsident Urs Hauswirth gibt zu, nicht besonders oft im «Bad Bonn» zu sein. «Aber das Plakat mit dem aktuellen Programm hängt immer in meinem Büro», versichert er. Das «Bad Bonn» ergänze das Kulturangebot der Gemeinde, die mit dem «Podium» auch über einen grösseren Konzert- und Theatersaal verfügt, ideal. Zudem: «Das ‹Bad Bonn› hat Düdingen in gewissen Kreisen schweiz-, wenn nicht europaweit bekannt gemacht.» Auch wenn es am Anfang nicht immer einfach gewesen sei, so sei die Zusammenarbeit mittlerweile gut und das Lokal etabliert.
Er freut sich über den Musikpreis für Daniel Fontana: «In meinen Augen ist das eine wichtige Anerkennung für ihn und sein Team, für ihren jahrzehntelangen Einsatz und ihren Kampf für Akzeptanz.» Das «Bad Bonn» habe in der Gemeinde das Bewusstsein dafür geschaffen, dass Kultur nicht nur die Trachtengruppe oder die Musikgesellschaft sei, sondern dass auch Neues entstehen könne.
Urs Hauswirth bemerkt: «Wenn ein kleines Lokal grösser und bekannter wird und es immer mehr Leute besuchen, bringt das für die Gemeinde neue planerische Fragen mit sich.» Er verweist etwa auf den Verkehr. Denn zum «Bad Bonn» führt nur ein einspuriges Strässchen mit Markierung für Fussgänger. Mittelfristig sei ein Kiesweg für die Fussgängerinnen und Fussgänger geplant, auch weil das Gebiet rund um das «Bad Bonn» am Schiffenensee als Naherholungsgebiet immer wichtiger werde.
«Mich interessiert, was im Moment geschieht»
Für den regulären städtischen Konzertgänger liegt das Lokal abgelegen. «Ins ‹Bad Bonn› zu kommen, ist ein bewusster Entscheid», sagt Daniel Fontana. Der Vorteil: Wenn die Leute einmal da sind, bleiben sie auch eher. Der Nachteil: Zufällige Laufkundschaft bleibt aus. «Es liegt an uns, auch einen schönen Abend zu haben, wenn einmal nicht so viel Publikum da ist.» Zumindest kommt genug Publikum, um das «Bad Bonn» schweizweit bekannt zu machen.
Das Rezept dafür? Empathie, Wertschätzung, Vertrauen, die Menschen gern haben – so fasst es Daniel Fontana im Gespräch zusammen. Und ein grosses Interesse am aktuellen Kulturschaffen. «Der Rückblick interessiert mich nicht, ich bin nicht nostalgisch. Mich interessiert, was im Moment geschieht.» Dafür reist er immer wieder in die Städte, in andere Kulturlokale, hört Musik, tauscht sich aus – und macht so auch auf das «Bad Bonn» aufmerksam. Bestes Beispiel für diese Geisteshaltung: «Wir starten diesen Herbst eine Serie namens ‹Touring Club› mit einem Club aus Lausanne. In diesem Rahmen werden wir Veranstaltungen anderer Lokale in unserem Programm bewerben. Es ist wichtig, dass sich die Veranstalter gegenseitig unterstützen.»
Daniel Fontana hält kurz inne und sagt dann: «Wir sind auch eine Art Hofnarren. Wir nehmen nicht alles so ernst, sondern machen es aus Leidenschaft.» Er spricht viel vom «Wir» – und meint damit nicht nur seinen langjährigen Mitstreiter Patrick Boschung, sondern auch alle anderen, die sich für das «Bad Bonn» einsetzen. «Ich wünsche mir, dass das ‹Bad Bonn› aus sich heraus wächst und ein Eigenleben entwickelt – egal, wer dort arbeitet. Wenn jemand einmal geht, sollte man das nicht merken.» Der Mittfünfziger denkt da auch an seine Nachfolge.
Wie auch immer es weitergeht – das «Bad Bonn» hat sich seinen Platz auf der Kulturlandkarte definitiv gesichert. «Dank uns kennt man Düdingen vielleicht etwas besser – aber auch dank dem FC und dem Volleyballteam», sagt Daniel Fontana gewohnt bescheiden. Und: «Ich weiss, dass es Leute gibt, die wegen uns in Düdingen wohnen. Im eigenen Dorf einen Konzertsaal zu haben, ist nicht selbstverständlich.»