Windräder auf den Jurahöhen.

Windkraft: Der Weg zur Umsetzung ist lang

15.08.2022
7-8 | 2022

Zwischen drei und fünf Legislaturen: So lange dauert die Umsetzung von Windkraftprojekten in der Schweiz. Für Milizpolitikerinnen und -politiker und Gemeindeverwaltungen bedeutet das viel Arbeit mit komplexen Dossiers.

2017 verabschiedete der Bundesrat die Energiestrategie 2050. Sie verfolgt drei Ziele: Den Energiekonsum reduzieren, die Energieeffizienz verbessern und erneuerbare Energien aus Schweizer Herkunft fördern. Fünf Jahre später macht die Windenergie 0,15 Prozent des Stromverbrauchs in der Schweiz aus – 56,6 Prozent stammen immer noch aus der Wasserkraft, wie Zahlen von Suisse Eole, der Vereinigung zur Förderung der Windenergie in der Schweiz, zeigen. Bis 2050 soll die Windenergie sieben bis zehn Prozent des Strombedarfs decken, es gibt also noch viel Entwicklungspotenzial.

In den vergangenen Jahren wurden mehrere grössere Projekte realisiert. Darunter zum Beispiel die Anlage mit fünf Windrädern im Gotthardgebiet, die nach 18 Jahren Planung und Bau im September 2020 in Betrieb ging. Zahlreiche Windkraftprojekte verzögern sich allerdings oder scheitern ganz, wie in den Medien in regelmässigen Abständen zu lesen ist. Die Windenergie ist jedoch wichtig für den Strommix in der Schweiz, gerade weil sie am meisten Strom im Winterhalbjahr liefert – also dann, wenn der Strombedarf hoch ist, aber die Produktion aus Wasserkraft und Solaranlagen tief.

Aus diesem Grund hat die Bundesverwaltung im Februar 2022 eine Änderung des Energiegesetzes von 2016 vorgeschlagen, um die Verfahren für wichtige Wasser- und Windkraftprojekte zu beschleunigen. Das Ziel dieser Gesetzesänderung ist zwar weitgehend unbestritten, doch der vom Bund vorgeschlagene Weg dahin ist nicht zielführend, denn die Kantone und Gemeinden werden zu wenig einbezogen. Das Mitspracherecht der Gemeinden für die Planung und Bewilligung von Wasser- und Windkraftwerken aufzuheben, ist keine akzeptable Lösung. Denn dies bedeutet einen starken Eingriff in die Gemeindeautonomie. Der Schweizerische Gemeindeverband (SGV) ist deshalb gegen die Vorlage, ebenso wie die Kantone.

Ganz abgesehen von den Kompetenzfragen handelt es sich um eine kontraproduktive Vorlage. Gerade bei der Windkraft ist es zentral, dass die Projekte nicht nur von den Gemeindebehörden, sondern auch von der betroffenen Bevölkerung unterstützt werden. Die Partizipation auf Gemeindeebene garantiert auf lange Sicht die Akzeptanz und den Erfolg an den vorgesehenen Standorten.

Die Prozesse müssen einfacher werden

Worauf sich alle einigen können: Das aktuelle System ist zu komplex, schwerfällig und langwierig. Die Windkraftanlagen werden oft in peripheren, kleineren Gemeinden realisiert, wo die Ressourcen in der Verwaltung knapp sind. Der Druck auf die Gemeindeverwaltung, besonders auf den Gemeindeschreiber oder die Gemeindeschreiberin, sowie auf die Mitglieder des Gemeinderats ist hoch – Letztere bekommen dies nicht zuletzt an den Wahlurnen zu spüren.

Die Akzeptanz ist zentral für den Erfolg

Wird die Gemeindeebene bei Windkraftprojekten ausgehebelt, so hilft das nicht, um die Akzeptanz der Anwohnenden zu gewinnen. Diese ist jedoch gerade für den Bau von Windrädern zentral. Windmessungen bei den vorgesehenen Standorten, Profile, welche die geplanten Bauten visualisieren und eine Veranschaulichung der energetischen und wirtschaftlichen Auswirkungen für die Anwohnenden können helfen, ein Projekt für die Bevölkerung verständlich zu erklären. Transparenz und ein konstanter Dialog mit der Bevölkerung, zum Beispiel über partizipative Prozesse, sind hier zentral. Mit diesem Vorgehen können Gemeindebehörden Antworten geben auf die Frage «Warum gerade wir?», und sie können Falschinformationen entgegentreten.

Eine Beschleunigung auf allen Staatsebenen

Eine Beschleunigung der Verfahren auf allen Staatsebenen sowie in allen juristischen Instanzen ist notwendig, um Gemeindeverwaltungen und Gewählte zu entlasten. Gewisse Kantone verfügen bereits über vereinfachte Verfahren, zum Beispiel Waadt und Neuenburg. Diese auch in anderen Kantonen einzuführen, könnte eine Lösung sein, um Verfahren voranzutreiben und gleichzeitig die Mitsprache der Gemeinden zu garantieren. Wird ein Windkraftprojekt schneller realisiert, so kann nicht nur rascher mehr erneuerbare Energie produziert werden, sondern es können auch tiefgreifende und lang anhaltende Meinungsverschiedenheiten in den Standortgemeinden vermieden werden.

Mit Fachwissen den Emotionen begegnen

Windräder wecken Emotionen: Das zeigen zahlreiche Beispiele aus der ganzen Schweiz. Die Milizpolitikerinnen und Milizpolitiker müssen sich nicht nur um technische, sondern auch polemische Fragen kümmern. Doch gerade sachliche technische Informationen von Spezialisten und spezialisierten Fachstellen zusammen mit angepassten Kommunikationsmethoden sind zentral, um auf die zahlreichen Fragen und Sorgen aus der Bevölkerung, aber auch aus den Medien zu reagieren. Das Fachwissen hilft, der emotionalen Debatte zu begegnen.

Der Ausbau der Windenergie hat grosse Auswirkungen auf die Gemeindeebene. Gemeinderäte sind mit schwerfälligen Verfahren konfrontiert, die sich über Jahrzehnte hinziehen. Diese Verfahren müssen vereinfacht werden, und gleichzeitig muss die Gemeindeautonomie bewahrt werden. Gemeinden, Kantone und der Bund müssen nun mit der Grundlagenarbeit beginnen, um gemeinsam Lösungen zu finden, die Energiestrategie 2050 umzusetzen.

Manon Röthlisberger
Schweizerischer Gemeindeverband
Projektleiterin Politikbereiche Energie, Raumplanung, Umwelt und Verkehr
Übersetzung: Nadja Sutter