Wie wohl fühlen sich Menschen mit Behinderungen in unserer Gemeinde?
Adliswil und fünf andere Zürcher Gemeinden unternehmen konkrete Schritte, um Menschen mit Behinderungen besser einzubinden und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Der Inklusions-Check für Gemeinden, eine einfache Standortbestimmung, half ihnen, Ansatzpunkte für Massnahmen zu finden. Zudem knüpften sie wichtige Kontakte zu Bewohnenden mit Behinderungen. Bereits sind weitere Gemeinden – auch in anderen Kantonen – am Start, um vom Inklusions-Check zu profitieren.
Die Stadt Adliswil war dabei, als 2022 im Kanton Zürich Gemeindeverwaltungen gesucht wurden, die den Inklusions-Check für Gemeinden als Pilot durchführen würden. Das neu entwickelte Konzept einer Standortbestimmung besticht durch seine umfassende und dennoch einfache Analyse. Aber auch der partizipative Aspekt ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Ist doch der runde Tisch mit der Bevölkerung die Basis für eine langfristige Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und Menschen mit Behinderungen, die in der Gemeinde leben. Und nur mit deren aktiven Partizipation werden tatsächlich wirksame Massnahmen gefunden und Mittel nutzbringend investiert.
Persönliche Kontakte
In Adliswil versammelten sich im April 2023 zwölf Einwohnerinnen und Einwohner sowie acht Vertreterinnen und Vertreter der Verwaltung zum runden Tisch. An dieser Auftaktveranstaltung kamen vielfältige Themen zur Sprache. So wurden die Zugänglichkeit von Dienstleistungen der Gemeinde, die Hindernisfreiheit im öffentlichen Raum, aber auch der Zugang zu Freizeit-, Kultur- und Sportaktivitäten in Gruppen diskutiert.
Die Anwesenden identifizierten Verbesserungsbedarf bei Gemeindeinformationen und Wahlunterlagen, im öffentlichen Verkehr, bei der Wohnsituation oder bei der Schule. Auch ganz praktische Anliegen werden genannt, die einfach zu erfüllen sind. So wären viele Menschen froh um Sitzgelegenheiten im Eingangsbereich der Stadtverwaltung. Oder es sollte klar gekennzeichnet sein, dass Assistenzhunde Zutritt haben.
Die aktive Mitgestaltung in der Gemeinde, vor allem wenn Menschen mit Behinderungen direkt betroffen sind, wird gefordert. Der Grundstein dafür wird am runden Tisch gelegt, indem direkte Kontakte geknüpft werden und man sich persönlich begegnet. «Für mich ist es ein Gewinn, dass wir durch diesen Abend erste Kontakte mit Personen mit Behinderungen sowie Angehörigen knüpfen konnten», schätzt Nadja Klein von der Stadtverwaltung Adliswil den Nutzen des runden Tischs ein.
«Es ist ein Gewinn, dass wir Kontakte mit Personen mit Behinderungen und Angehörigen knüpfen konnten.»
Fragebogen für die Verwaltung
Das breite Themenspektrum, das am runden Tisch ausgebreitet wurde, gibt Hinweise, was zu tun ist. Gegen Ende der Veranstaltung wurden aus der Sicht der Anwesenden auch Prioritäten gesetzt. Welche weiteren Themen bestehen, und wie können konkrete Verbesserungen in Angriff genommen werden?
Der Inklusions-Check setzt auf zwei parallele Methoden, um zu möglichst umfassenden Antworten zu kommen. Neben dem runden Tisch wird der Verwaltung ein Fragebogen vorgelegt. Die Fragen helfen den Mitarbeitenden bei der Beurteilung der Inklusivität. Kein Thema wird dabei ausgelassen, alle wichtigen Fragen kommen aufs Tapet, seien es rollstuhlgängige Toiletten in öffentlichen Gebäuden, hindernisfreie Fluchtwege oder die Ressourcen und Fachkompetenzen in der Verwaltung. Auch die Rolle der Gemeinde als Arbeitgeberin wird beleuchtet.
Sichtbare erste Massnahmen
So ergibt sich mit vertretbarem Aufwand ein möglichst vollständiges Bild vom Stand der Gemeinde. Der Schlussbericht für die Stadt Adliswil fasst dieses Bild zusammen und leitet daraus Empfehlungen für erste Massnahmen ab. Diese sollen einerseits möglichst einfach umsetzbar sein, andererseits eine hohe Wirksamkeit haben und in der Öffentlichkeit wahrnehmbar sein. Die Leute sollen sehen, dass die Anregungen aufgenommen werden und etwas passiert. Das Anbringen von Informationen, dass Assistenzhunde im Stadthaus Zutritt haben, ist eine solche Massnahme.
Damit ist es jedoch natürlich nicht getan. Andere Massnahmen erfordern mehr Planung und sind aufwendiger in der Umsetzung. Die Einrichtung einer Fachstelle für die Anliegen von Menschen mit Behinderungen oder die Sensibilisierung von Verwaltungsmitarbeitenden sowie Busfahrerinnen und Busfahrern gehören beispielsweise dazu.
In Adliswil werden diese Empfehlungen ernst genommen: Im Mai findet ein Perspektivenwechsel für Interessierte aus der Bevölkerung statt – eine Möglichkeit, am eigenen Leib zu erfahren, wie es ist, im Rollstuhl eine Strasse zu überqueren oder sich ohne Sehsinn zu orientieren.
Der Inklusions-Check zeigt ganz konkret Wirkung. Es bleibt nicht bei der Standortbestimmung; die Menschen spüren, dass sich etwas bewegt. Der Check lohnt sich für Gemeinden jeder Grösse und fördert Wissen und Handlungskompetenz in der Verwaltung.
Inklusions-Check
Der Inklusions-Check für Gemeinden ist eine Standortbestimmung hinsichtlich der Inklusion von Menschen mit Behinderungen. In sechs begleiteten Prozessschritten werden Hindernisse und Handlungsbedarf identifiziert sowie Lösungsansätze entwickelt. Konkrete Verbesserungen schützen Menschen mit Behinderungen gegen Diskriminierung und fördern Inklusion und Gleichstellung in der Gesellschaft.