Wie wirkt sich die Pandemie auf die Risiken von Schweizer Gemeinden aus?
Die aktuelle Pandemiesituation bringt nicht nur Veränderungen für die Bevölkerung und Wirtschaft mit sich, auch die öffentliche Hand ist davon betroffen. Der folgende Beitrag zeigt auf, wie Corona die Risikoexposition von Schweizer Gemeinden beeinflusst.
Risikomanagement ist ein zentrales Führungsinstrument von Gemeinden. Es unterstützt Gemeinden bei der frühzeitigen Erkennung und Steuerung der wesentlichen Bedrohungen. Zwölf in den Jahren 2018 und 2019 untersuchte Städte und Gemeinden identifizierten damals zwischen 14 und 22 Risiken, am häufigsten waren die Toprisiken strategischer Natur (vgl. «Die häufigsten Risiken von Schweizer Gemeinden» in der Ausgabe 9/2019). Nun zeigt eine Folgeanalyse, dass die Corona-Pandemie die Risikoexposition der Städte und Gemeinden deutlich beeinflusst hat (vgl. Grafik). Es wurde insbesondere für folgende Themen eine veränderte Risikowahrnehmung gegenüber der Vorperiode wahrgenommen: IT (4 zusätzliche Nennungen), Pandemie (neu), Kommunikation (neu), Grossprojekte (3 Nennungen weniger).
Zentrales Risiko: IT
In der aktuellen Pandemie ist eine gut funktionierende IT von zentraler Bedeutung. Zum effizienten Arbeiten aus dem Homeoffice braucht es einen schnellen, sicheren und gut funktionierenden Zugriff auf Systeme und Daten. Seit 2020 hat ein Digitalisierungsschub stattgefunden. In dieser Zeit stieg auch die Anzahl Cyberangriffe massiv. Durch die angestiegene Gefahr und die erhöhte Abhängigkeit von der IT wurde das Thema in allen untersuchten Gemeinden als zentrales Risiko identifiziert.
Neues Risiko: Pandemie
Es erstaunt nicht, dass die Pandemie selbst neu unter den Top-10 Risiken aufgeführt wird. Corona verursachte Mehraufwände zur Aufrechterhaltung der Dienstleistungen (Hygienemassnahmen) und hatte negative Auswirkungen auf diverse Angebote der Gemeinden (Kultur, Freizeit, Schule etc.). Das Risiko war lange auf dem Radar und während der Schweine- sowie der Vogelgrippe relativ prominent in den Risikolisten vertreten. Danach wurde es jedoch bis zum Eintritt der Coronapandemie immer weiter abgestuft.
Neues Risiko: Kommunikation
Die Pandemie hat viele Leute verunsichert. Angestellte der Gemeinde und die Bevölkerung mussten rasch informiert werden. Eine zu späte oder falsche Kommunikation führte vielerorts zu erhöhtem Aufwand. Daher ist neu auch das Thema «Kommunikation» unter den zentralen Risiken vorzufinden. Es beinhaltet sowohl die externe Krisenkommunikation gegenüber der Bevölkerung wie auch die interne Orientierung der Mitarbeitenden.
Weniger Risiko: Grossprojekte
Vielerorts wurden Grossprojekte verschoben. Bei den Infrastrukturprojekten fehlt zum Teil die finanzielle Planungssicherheit. Man geht davon aus, dass die Steuereinnahmen tiefer ausfallen werden. Aufgrund der veränderten Arbeitsbedingungen und der befürchteten Personalausfälle werden grössere nicht dringende Organisationsprojekte verschoben. Durch diese Verzögerungen oder Nicht-Realisierungen sind die mit dem Thema «Grossprojekte» verknüpften Risiken gesunken.
Angewendeter Prozess
Die Analysen wurden durch das ETH-Spin-Off i-Risk durchgeführt. Der angewendete Risikomanagementprozess beinhaltet vier Phasen: Identifikation, Bewertung, Steuerung und Überwachung. Das Fundament wird mit der Identifikation der Risiken mittels Einzelinterviews gelegt. Anschliessend werden die vorgefundenen Risiken in einem Workshop kategorisiert und bewertet. In der Phase der Steuerung werden durch Interviews Massnahmen identifiziert und anschliessend in einem Workshop die Massnahmenpläne finalisiert. Die Überwachung und Verankerung des Prozesses wird durch eine Risikomanagementpolitik sowie ein pragmatisches Tool sichergestellt. Wie bereits in den Jahren 2018 und 2019 wurde 2020 und 2021 der oben beschriebene Prozess bei zwölf Gemeinden und Städten angewendet. Die Einwohnerzahl der untersuchten Gemeinden lag zwischen 10'000 und 40'000 Einwohnern. Acht Gemeinden und Städte sind in beiden Perioden identisch. Der Vergleich der Risiken aus den beiden Perioden ist daher repräsentativ.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Coronapandemie die Risikoexposition der Schweizer Gemeinden verändert hat. Ein pragmatischer Risikomanagementprozess ist das angebrachte Instrument, um auf Gefahren vorbereitet zu sein. Dabei ist es wichtig, dass der Prozess nach Einführung gelebt wird. Nur durch eine regelmässige Aktualisierung der Bedrohungslage werden die richtigen Massnahmen ergriffen, um die Auswirkungen zu reduzieren.