Ein neuer Leitfaden zeigt Gemeinden auf, wie das Velofahren gefördert werden kann.

Wie Gemeinden das Velofahren fördern können

08.08.2023
7-8 l 2023

Eine neue Onlineplattform unterstützt Gemeinden bei der Veloförderung. Sie beschreibt, wie ein Gebiet velofreundlich gestaltet und wie das Velofahren in den verschiedenen Bevölkerungsgruppen gestärkt werden kann.

Das Bundesgesetz über Velowege trat am 1. Januar 2023 in Kraft. Es beruht auf der Volksabstimmung von 2018, die zur Verankerung der Velowege in der Bundesverfassung geführt hat. Das Gesetz legt neue Grundsätze bei der Planung, dem Bau und dem Unterhalt von Velowegnetzen fest. Kantone und Gemeinden sind demnach verpflichtet, ein qualitativ hochwertiges Netz von Velowegen für den Alltags- und Freizeitverkehr einzurichten und zu unterhalten. Die Planung dieser Netze in behördenverbindlichen Plänen muss bis Ende 2027 erfolgen, die Umsetzung bis 2042. Doch wie kann das Velofahren gefördert werden? Welche Infrastruktur- und Fördermassnahmen stehen zur Verfügung? Welche Faktoren sind zu berücksichtigen?

Um die Gemeinden dabei zu unterstützen, haben das Observatoire universitaire du vélo et des mobilités actives (Ouvema) der Universität Lausanne und die Büro für Mobilität AG (bfm) den «Guide Velo» entwickelt. Dabei handelt es sich um eine Onlineplattform, die zweisprachig ist und deren Inhalte auch als PDF heruntergeladen und ausgedruckt werden können. Der Leitfaden wurde mit der Unterstützung von EnergieSchweiz, Pro Velo Schweiz und den Kantonen Freiburg, Luzern, Waadt und Zürich erstellt. Er wurde zudem von einer Expert/innen-Gruppe validiert.

Warum das Velo fördern?

Das Velofahren hat zahlreiche Vorteile: Es ist leise, gesund, umweltfreundlich, flächensparend und günstig. Es leistet zudem einen Beitrag zur Lösung zahlreicher gesellschaftlicher Probleme wie der steigenden CO2-Emissionen, des damit einhergehenden Klimawandels, der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, der Luftverschmutzung, von Gesundheitsproblemen aufgrund von zu wenig Bewegung, der Überlastung der Infrastrukturen sowie der Einschränkungen der Lebensqualität in den Zentren (Lärm, für Autoverkehr und Parkplätze genutzte Flächen usw.).

Ausserdem verfügt das Velo über ein grosses Entwicklungspotenzial. 2021 waren in der Schweiz 60 Prozent aller Wege nicht länger als fünf Kilometer (Mikrozensus Mobilität und Verkehr 2021). Schweizweit wurden nur acht Prozent aller Wege mit dem Velo zurückgelegt. Dabei bestehen jedoch grosse Unterschiede zwischen Regionen und Städten: Die velofreundlichsten wie Bern und Basel erreichen etwa 20 Prozent, bleiben damit aber immer noch weit hinter den velofreundlichsten Städten in Nordeuropa.

Für wen das Velo fördern?

Anschliessend hebt der Leitfaden die grosse Vielfalt an Velofahrenden und Velotypen hervor. Er verweist insbesondere auf das Modell 8–80, das dazu aufruft, ein Gebiet so zu gestalten, dass Menschen im Alter von 8 bis 80 Jahren selbstständig Velo fahren können.

Bei den Arten von Velos ist eine Diversifizierung zu beobachten, welche die Bandbreite des Velofahrens erweitert. E-Bikes eröffnen einem breiteren Publikum den Zugang zum Velo und vereinfachen das Zurücklegen von längeren Strecken und grösseren Höhenunterschieden. Cargobikes und Veloanhänger ermöglichen den Transport von Kindern, Material und Gepäck. Faltvelos und Veloverleihsysteme lassen sich besonders gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kombinieren.

Wie das Velo fördern?

Ein ganzheitlicher Ansatz ist notwendig, um das Velo zu fördern – es muss also das gesamte «System Veloverkehr» einbezogen werden und sowohl auf die Velofahrenden als auch auf die Velotauglichkeit des Raums und der Infrastruktur eingewirkt werden. Dazu beinhaltet der Leitfaden eine Vorgehensweise für die Erarbeitung eines Veloaktionsplans mit mehreren Checklisten. Für den Aktionsplan werden drei Schritte vorgeschlagen: eine Analyse, die Formulierung einer Gesamtvision und der Ziele, die Definition von Massnahmen zur Erreichung dieser Ziele sowie ein Zeitplan und ein System zum Monitoring dieser Massnahmen. Durch die politische Unterstützung müssen die dafür notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen sichergestellt werden.

Das Herzstück des «Guide Velo» ist eine Sammlung der wichtigsten Massnahmen zur Veloförderung in Form von 35 kompakten, mit praktischen Beispielen illustrierten Massnahmenblättern.

Die erste Serie von Massnahmenblättern bezieht sich auf Infrastrukturen. Diese Massnahmen zielen darauf ab, ein Gebiet velofreundlich zu gestalten und direkte, vernetzte, sichere, komfortable und attraktive Routen zu gewährleisten. Sie umfassen insbesondere die verschiedenen Arten von Velowegen, Verkehrsregimes, Veloführung an Kreuzungen, aber auch die Veloparkierung, die Signalisation oder den Umgang mit Baustellen. Eine zweite Serie von Massnahmenblättern betrifft die Kommunikation, Ausbildung, Prävention und Förderung des Velos. Diese sollen die Verbesserungen der Veloinfrastruktur sichtbar machen, das Velo als Verkehrsmittel legitimieren und die Bevölkerung dazu bringen, (wieder) aufs Velo zu steigen. Die Massnahmenblätter enthalten zahlreiche konkrete Beispiele, die die Gemeinden auf ihrem Gebiet entwickeln können, zum Beispiel in Verbindung mit Schulen oder Unternehmen (bike to work) oder um Daten über die Velonutzung zu sammeln und gleichzeitig die Bevölkerung zum Velofahren zu animieren (Cyclomania).

Der «Guide Velo» bezieht sich in erster Linie auf das Velo als Transportmittel im Alltag. Er enthält keine fertigen Rezepte, sondern vielmehr eine Liste von Zutaten, die im jeweiligen Kontext betrachtet werden müssen. Der Leitfaden lädt die öffentliche Hand dazu ein, bei der Gestaltung von velofreundlichen Gebieten hohe Ansprüche zu stellen und das volle Potenzial des Velos auszuschöpfen.

Aurélie Schmassmann
Ouvema (Universität Lausanne)
Doktorassistentin
Daniel Baehler
Büro für Mobilität AG (bfm)
Patrick Rérat
Ouvema (Universität Lausanne)  
Professor für Verkehrsgeografie