Wenn es plötzlich dunkel wird
Die Gefahr, dass es unvermittelt dunkel wird. Das Szenario einer Strommangellage oder sogar eines Blackouts gilt derzeit neben einer Pandemie als grösste Bedrohung für die Versorgung der Schweiz.
Ausserordentliche Lage: Nach zwei Jahren Covid-Pandemie ist jedermann klar geworden, wie der Hase läuft, dass in einer solchen Situation der Bundesrat die ganze politische Entscheidungsgewalt übernimmt. Ausserordentliche Lagen können aber auch durch andere Ereignisse hervorgerufen werden als durch Infektionskrankheiten. Besonders grosse Risiken bergen Naturkatastrophen und immer mehr auch Strommangellagen. Der Ukraine-Krieg hat solche Sorgen noch verstärkt.
Klar ist: Auch in solchen Fällen hält der Bund die Fäden in die Hand. Im Fall einer gestörten Stromversorgung ist es konkret die Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen, kurz Ostral genannt. Sie wird beim Eintreten einer Strommangellage auf Anweisung der wirtschaftlichen Landesversorgung (WL) aktiv. In ihrem Auftrag sorgt der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) für die Umsetzung der nötigen Massnahmen.
Strommangel ist vorhersehbar
Toni Kropf, Leiter Asset Management Energie Thun AG, präzisiert: «Eine Strommangellage unterscheidet sich grundsätzlich von einem Blackout, einem grossflächigen Stromausfall, bei dem das Netz unkontrolliert zusammenbricht. Eine Strommangellage tritt dagegen nie plötzlich auf, sondern ergibt sich aus einem länger anhaltenden Ungleichgewicht von Stromangebot und -nachfrage. Ein Strommangel ist also grundsätzlich vorhersehbar.»
«Ein Strommangel ist grundsätzlich vorhersehbar.»
Das Thema Strommangellage ist auch nicht erst in den letzten Monaten aufs Tapet gekommen, sondern bereits vor Jahren. Mitte Oktober 2021 hat Bundespräsident Guy Parmelin die Unternehmen erneut aufgerufen, sich auf Strommangellagen vorzubereiten. Die Bundesbehörden sind bereits gut gewappnet. Die oben erwähnte Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen (Ostral) besteht seit mehr als zehn Jahren in der heutigen Form.
Auf Gemeindeebene sind die Vorkehrungen sehr unterschiedlich. Nach Angaben von Toni Kropf ist die Energie Thun AG ebenfalls Teil dieser Organisation und hat bereits 2017 Grossverbraucher kontaktiert und das Thema Strommangellage erläutert: «Insgesamt waren die Reaktionen der Bevölkerung und der Grossverbraucher in Thun auch nach der schweizweiten Kampagne noch eher gering», sagt der Energiefachmann. Bei Gesprächen habe sich aber gezeigt, dass das Thema Strommangellage durchaus als ernsthaftes Problem der Zukunft wahrgenommen werde.
Massnahmen sind vorbereitet
«Für den Fall einer lang andauernden Strommangellage sind Massnahmen vorbereitet, die beim Eintreten einer Krise sofort umgesetzt werden können, dies auf Basis von Verordnungen, die vom Bundesrat in Kraft gesetzt werden», erläutert Christoph Solenthaler, Chef Regionaler Führungsstab SC SVRG, des Sicherheitsverbundes der Region Gossau.
Diese Massnahmen betreffen die Steuerung der Stromproduktion und die Reduktion des Stromverbrauches. Um in einem Krisenfall die durch die erwähnten Verordnungen vorgegebenen Einsparungen beim Stromverbrauch schweizweit realisieren zu können, ist es wichtig, dass insbesondere die Grossbezüger von Energie sich vorgängig auf die Umsetzung der vorgesehenen Massnahmen vorbereiten. Die Industrie wird auch aufgefordert, Lösungen bei einem Blackout vorzulegen.
Konkret bedeutet dies, dass in einer Mangellage der Stromverbrauch zunächst durch Sparappelle um 5 Prozent reduziert werden soll. Durch zusätzliche Verbrauchseinschränken kann die Reduktion auf 10 Prozent gesteigert werden. Durch eine Selbstkontingentierung geht man in den Szenarien davon aus, dass nochmals rund 5 bis 15 Prozent eingespart werden könnten.
Düdingen in Warteposition
Bei den kleineren Gemeinden ist das Thema zwar auf dem Tisch, aber noch nicht zuvorderst. Die Gemeinde Düdingen erklärt beispielsweise: «Das Thema Stromknappheit ist auch in unserer Gemeinde aufgegriffen worden. Momentan finden interne Vorabklärungen für mögliche Umsetzungen von Ostral-Massnahmen statt», sagt Alex Kriebel, Leiter des Düdinger Bauamtes.
Die Wasserversorgung, die in der Gemeinde Düdingen nicht kommunal geleitet werde, verfüge aber bereits über Notfallpläne (Einsatz von Notstromaggregaten), da solche auch bei «gewöhnlichem» Stromausfall erforderlich werden könnten.
Birr: Strom aus Gasturbinen
«Auch in der Aargauer Gemeinde Birr wird das Thema Stromknappheit derzeit eher wenig wahrgenommen», erwähnt Christoph Bamberger, Gemeindeschreiber und Leiter der zentralen Dienste. Jedenfalls habe die Gemeinde noch kaum entsprechende Rückmeldungen aus der Bevölkerung gehabt. «Wegen einer möglichen Strommangellage ab 2025 ist der Gemeinderat aber mit den in der Gemeinde ansässigen Firmen in Kontakt getreten.» Es gehe um die Prüfung einer möglichen ständigen Einspeisung der gewonnenen Elektrizität ab dem heutigen Testzentrum für Gasturbinen.
«Wegen einer möglichen Strommangellage ab 2025 ist der Gemeinderat mit den in der Gemeinde ansässigen Firmen in Kontakt getreten.»
Bei der Trinkwasserversorgung ist die Notfallplanung im Gang. Derzeit klärt die Gemeinde die notwendige Grösse und Verfügbarkeit einer Notstromversorgung (Generator) für den Betrieb des Grundwasserpumpwerks bei Stromknappheit beziehungsweise Stromausfall ab. Dies damit die Reservoirs von Birr auch in einer Stromnotlage gefüllt werden können. Bei gefüllten Reservoirs reicht die Wassermenge für die Gemeinde Birr für drei Tage.
Thun: Auch Abwasserentsorgung muss funktionieren
In Thun stammt das Trinkwasser zu rund einem Viertel aus Quellen, der Rest ist Grundwasser. Kann bei den verschiedenen Quellgebieten aufgrund von Strommangel der sichere Betrieb von Entkeimungsanlagen nicht mehr garantiert werden, würde sämtliches Trinkwasser aus den Grundwasser-Pumpwerken Lerchenfeld und Amerikaegge gepumpt und in den erhöhten Reservoiren gespeichert. Anschliessend ist die Trinkwasserversorgung auch ohne Druckerhöhung gewährleistet.
Es gelte aber zu berücksichtigen, dass nebst der Trinkwasserversorgung auch die Abwasserentsorgung funktionieren muss, erwähnt Toni Kropf: «Funktioniert die Abwasserentsorgung nicht mehr, muss die Trinkwasserversorgung eingestellt werden.» Dann müssten die Behörden die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung mittels dezentraler Wasserabgabestellen sicherstellen.
Notfalltreffpunkte: Wenn gar nichts mehr geht
Es gibt keinen Strom mehr, die Telefonnotfallnummern funktionieren nicht mehr, das Trinkwasser ist ungeniessbar, die Einwohner müssen evakuiert werden. In all diesen Fällen braucht es schnell erreichbare Notfalltreffpunkte. Sei es, um sauberes Wasser oder Essen abzugeben, oder zur Besammlung, wenn die gängigen Informationskanäle ausfallen. Zentral bei solchen Krisenlagen sind also gut erreichbare Treffpunkte für die Bevölkerung. Alle Schweizer Gemeinden sind seit einigen Jahren gehalten, Notfalllokalitäten für drohende Krisenszenarien zu schaffen. Dies auf Anordnung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz.
Die Umsetzung dieser Vorgaben haben die Gliedstaaten subito in die Hand genommen. In den letzten drei Jahren hat rund ein Drittel der Schweizer Kantone bereits in sämtlichen ihren Gemeinden solche Stellen eingerichtet. Vorreiter waren die Kantone Aargau und Solothurn. Nicht lange gefackelt haben auch die Gemeinden der Kantone St. Gallen, Bern, Nidwalden, Zürich, Schaffhausen, Thurgau und Zug. Im Kanton St. Gallen beispielsweise verfügt jede Gemeinde über mindestens einen der insgesamt 166 Notfalltreffpunkte.
Die Standorte der Notfalltreffpunkte sind laut Vorgaben des Bundes genau definiert: Sie müssen in der Nähe von Bahnhöfen und öffentlichen Haltestellen liegen oder zu Fuss innert 30 Minuten erreichbar sein. Notfalltreffpunkte sind nicht zu verwechseln mit öffentlichen Schutzräumen, wo die Menschen in Notsituationen Zuflucht finden, und sie werden auch nicht bei jedem grösseren Ereignisfall in Betrieb genommen. Die Behörden kommunizieren den Betrieb von Notfalltreffpunkten immer über Radio und Alertswiss. Hier fliessen die relevanten Informationen rund um die Vorsorge und das Verhalten bei Katastrophen und Notlagen zusammen.
Die neuen Notfalltreffpunkte sind nicht bloss übervorsichtige Einrichtungen. Im Kanton Aargau sind sie im vergangenen Jahr bereits einmal benutzt worden. Dies nachdem eine Swisscom-Panne zum Ausfall der Notrufnummern geführt hatte.