Was die schönsten Schweizer Dörfer ausmacht
Seit 2015 zeichnet der Verein «Die schönsten Schweizer Dörfer» besonders harmonische Ortsbilder aus. Doch welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit ein Dorf den Titel tragen darf? Antworten des Vereinspräsidenten Kevin Quattropani.
«Die Diversität der Schweiz überrascht mich immer wieder», sagt Kevin Quattropani. Der Präsident des Vereins «Die schönsten Schweizer Dörfer» muss es wissen: Er ist als Inhaber eines Reisebüros bereits um die halbe Welt gereist. In den letzten Jahren aber zog es ihn immer öfter in die Nähe, in die schönsten Schweizer Dörfer eben. Dies im Rahmen seines Engagements für den Verein, den er 2015 mit Gleichgesinnten ins Leben gerufen hat.
«Ich bin auf meinen Reisen in Frankreich und Italien immer wieder auf die Auszeichnung gestossen; in diesen Ländern gibt es ähnliche Vereine schon länger. Da dachte ich mir: Warum nicht in der Schweiz?» Gesagt, getan. Bei den Gemeinden rannte Kevin Quattropani offene Türen ein; die Bereitschaft mitzumachen war sehr gross. Mittlerweile sind 48 Dörfer und Städtchen aus allen Landesteilen Mitglied und dürfen mit einem Schild am Ortseingang darauf hinweisen, dass sie zu den schönsten Schweizer Dörfern gehören. Zudem figurieren sie in einem eigens herausgegebenen Reiseführer.
«Ein paar schön verzierte Häuser reichen nicht, die Gebäude müssen ein harmonisches Ganzes ergeben und sich in die Landschaft einfügen.»
Welche Kriterien müssen die Orte erfüllen, damit sie sich mit dem Titel schmücken dürfen? Kevin Quattropani: «Die Lage ist sehr wichtig – zum Beispiel wie Saint-Saphorin am Genfersee oder Soglio in der Bergeller Bergwelt.» Dazu kommt ein harmonisches Ortsbild. «Ein paar schön verzierte Häuser reichen nicht, die Gebäude müssen ein harmonisches Ganzes ergeben und sich in die Landschaft einfügen.» Auch sollte keine grosse Verkehrsachse das Dorf zerschneiden. Kevin Quattropani erwartet zudem ein gewisses Engagement der Gemeindevertreter. «Wir wünschen uns, dass sich die Mitglieder untereinander austauschen.»
Ein weiteres Kriterium ist die Grösse: Die Gemeinde darf nicht mehr als 10 000 Einwohnerinnen und Einwohner haben. Dabei zählt die politische Gemeinde und nicht ein Ortsteil wie ein Weiler. Was aber wenn eine Gemeinde stark wächst oder fusioniert? Bei Fusionen drückt der Verband ein Auge zu: «Wenn der Ort bereits vor der Fusion Mitglied war und auch nach der Fusion sein einzigartiges Ortsbild behält, darf er Mitglied bleiben.» Für stark wachsende Orte hat Kevin Quattropani bereits ein nächstes Label in der Pipeline: «Swiss Historic Towns» soll in Zukunft einzigartige historische Städtchen auszeichnen, die auch mehr als 10 000 Einwohner haben dürfen.
Politischer Entscheid
Der Verein spricht bei einer Mitgliedschaft gezielt die politischen Gemeinden an und nicht die Tourismusorganisationen. «Die Mitgliedschaft ist ein politischer Entscheid», sagt Kevin Quattropani. Dies einerseits, weil dem Verein auch die Lebensqualität in den Dörfern ein Anliegen ist. Andererseits ist das auch bei den Verbänden in anderen Ländern ein klar politischer Entscheid. Verbände, die der internationalen Föderation «Les Plus Beaux Villages de la Terre» angeschlossen sind, zu der auch der Schweizer Verband gehört.
Kevin Quattropani pflegt einen regen Austausch mit den anderen Mitgliedern der internationalen Föderation. Was zeichnet die Schweizer Dörfer im internationalen Vergleich aus? «Ganz klar die Diversität auf kleinstem Raum», sagt Kevin Quattropani. Da gebe es etwa Ascona mit seinem mediterranen Flair und keine 40 Minuten Fahrt davon entfernt das urige Walserdorf Bosco Gurin. Oder die Region um den Bielersee mit den Städtchen Erlach, Le Landeron und La Neuveville, die auf engstem Raum zwei Sprachregionen, zwei Kantone und zwei Religionsgemeinschaften vereinten – wobei jeder Ort ein anderes, ganz eigenes Erscheinungsbild habe.
Grandson (VD)
Annick Voirol, Verantwortliche Kultur und Tourismus, Gemeinde Grandson (VD): «Das Label ‹Die schönsten Schweizer Dörfer› ist aus touristischer Sicht sehr wichtig für uns. Das Schloss von Grandson ist sehr bekannt, aber nur wenige Leute kennen das historische Städtchen und die romanische Kirche. Gleichzeitig ist Grandson sehr schön gelegen, zwischen dem Neuenburgersee und den Jurahügeln, man kann hier gut wandern oder Velo fahren. Mit dem Label können wir Grandson mit all seinen Facetten bekannter machen. Am Label gefällt uns besonders, dass es den sanften Tourismus fördert. Wir wurden 2016 vom Verein kontaktiert und waren zusammen mit St-Ursanne der erste Ort in der Westschweiz, der mitgemacht hat. Die Idee gefiel uns sofort. 2018 fand die Generalversammlung des Vereins ‹Die schönsten Schweizer Dörfer› in Grandson statt, wodurch wir Gemeindevertreter aus der ganzen Schweiz kennenlernen konnten. Dieser Austausch war sehr interessant.»
«Am Label gefällt uns besonders, dass es den sanften Tourismus fördert.»
Das sagt Kevin Quattropani, Präsident des Vereins «Die schönsten Schweizer Dörfer»: «Grandson mit seinem mächtigen Schloss dominiert den Neuenburgersee. Über dem von Weinbergen umgebenen Dorf schwebt noch immer eine geheimnisvolle Atmosphäre.»
Hospental (UR)
Rolf Tresch, Gemeindepräsident von Hospental (UR): «Es ist schön, dass ein kleines Dorf wie Hospental mit 186 Einwohnerinnen und Einwohnern das Label des Vereins ‹Die schönsten Schweizer Dörfer› erhalten kann. Das bedeutet uns viel. Hospental hat einen sehr gut erhaltenen historischen Dorfkern, wie es ihn sonst selten gibt – und im Sommer fährt täglich die Gotthard-Postkutsche hindurch. Das Spezielle an unserem Dorf ist aber der soziale Zusammenhalt in der Bevölkerung. Wir sind seit Herbst 2022 Mitglied beim Verein und erhoffen uns, dadurch etwas mehr Leben ins Dorf zu bringen. Vor zehn Jahren gab es hier neun Gasthöfe, jetzt sind es noch vier. Sanfter, nachhaltiger Tourismus ist unser Ziel, kein Massentourismus. Genau dabei hilft uns das Label. Seit wir es haben, stellen wir tatsächlich fest, dass mehr Dorfführungen gebucht werden.»
«Wir sind seit Herbst 2022 Mitglied beim Verein und erhoffen uns, dadurch etwas mehr Leben ins Dorf zu bringen.»
Das sagt Kevin Quattropani, Präsident des Vereins «Die schönsten Schweizer Dörfer»: «Hospental ist ein sehr harmonisches Alpendorf, das von einem mächtigen Wachturm über dem Urserental dominiert wird. Ein malerisches Dorf, sowohl im Sommer als auch im Winter.»
Poschiavo (GR)
Nicola Passini, Cancelliere von Poschiavo (GR): «Poschiavo war das erste Dorf überhaupt, das das Label erhielt. Ich kann mich noch gut erinnern, als die motivierte Delegation des Vereins ‹Die schönsten Schweizer Dörfer› zu uns kam. Wir waren etwas überrascht, dass sie Poschiavo ausgewählt hatten, aber sofort Feuer und Flamme für die Idee. Wir sind wirklich stolz, dass wir dieses Label tragen dürfen. Es macht Poschiavo noch bekannter; und tatsächlich ist der Ort in den letzten Jahren ein Zentrum für Ideen und Projekte geworden. Wir können mit dem Label zeigen, dass es im Puschlav nicht nur eine wunderschöne Natur gibt, sondern auch ein einzigartiges Städtchen mit mediterranem Flair. Viele Besucherinnen und Besucher sind überrascht, wie schön und vielseitig Poschiavo ist.»
«Wir können mit dem Label zeigen, dass es im Puschlav nicht nur eine wunderschöne Natur gibt, sondern auch ein einzigartiges Städtchen mit mediterranem Flair.»
Das sagt Kevin Quattropani, Präsident des Vereins «Die schönsten Schweizer Dörfer»: «Poschiavo, ein Städtchen reich an Geschichte und Geschichten. Als Durchgangsort auf dem Weg ins Engadin erlebt es heute dank zahlreichen Initiativen ein zweites Aufblühen.»