Von der Sozialhilfe in den Arbeitsmarkt mit der Weiterbildungsoffensive
Ziel der Sozialen Arbeit in der Sozialhilfe ist es, dass Betroffene ihren Alltag möglichst autonom meistern können und die finanzielle Selbstständigkeit wiedererlangen. Da dies nur dann dauerhaft gelingt, wenn eine gewisse Grundbildung vorhanden ist, haben die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) und der Verband für Weiterbildung (SVEB) die Weiterbildungsoffensive ins Leben gerufen. Sie unterstützt Sozialdienste dabei, entsprechende Strukturen aufzubauen.
Rund die Hälfte der erwachsenen Sozialhilfebeziehenden hat keine abgeschlossene Ausbildung. Schätzungsweise 30 Prozent haben Mühe mit den Grundkompetenzen Lesen, Schreiben, Sprache, Rechnen und dem Umgang mit digitalen Geräten. Gleichzeitig spielt Bildung in vielerlei Hinsicht eine wichtige Rolle. Sie unterstützt die nachhaltige Integration in den ersten Arbeitsmarkt und ist wichtig für die selbstständige Alltagsführung, die soziale Integration sowie die Partizipation an der Gesellschaft.
Lange galt in der Sozialhilfe das Prinzip der möglichst raschen Ablösung. Selten wurde in Bildungsmassnahmen investiert. Im Jahr 2018 hat die SKOS zusammen mit dem SVEB die Weiterbildungsoffensive ins Leben gerufen. «Sozialhilfebeziehende mit ungenügenden Grundkompetenzen oder ohne Berufsabschluss sollen die Möglichkeit haben, sich weiterzubilden. Das ist ein Paradigmenwechsel für die Sozialhilfe», sagt Andrea Beeler, Co-Projektleiterin der Weiterbildungsoffensive.
Den Paradigmenwechsel an die Basis bringen
SKOS und SVEB setzten sich fortan mittels Stellungnahmen und Lobbyarbeit für einen grösseren Stellenwert der Bildung in der Sozialhilfe und für gute Rahmenbedingungen zur Förderung von Bildung ein. Die beiden Verbände wollten aber auch auf Praxisebene den Paradigmenwechsel vorantreiben. 2019 starteten sie deshalb ein zweijähriges Praxisprojekt. Neun Sozialdienste und ein Kanton wurden dabei unterstützt, Förderstrukturen für die Bildung von Sozialhilfebeziehenden aufzubauen. So wurde sichergestellt, dass mit Sozialhilfebeziehenden eine Standortbestimmung durchgeführt, darauf aufbauend Bildungsmassnahmen geplant und diese schliesslich umgesetzt wurden. Die Bildungsmassnahmen umfassten Grundkompetenzkurse, niederschwellige berufliche Qualifikationen und Berufsausbildungen auf Stufe EBA/EFZ. Die Sozialdienste erhielten während der Projektphase Unterstützung in Workshops, Onlineaustauschen und direkt von Fachpersonen.
«Sozialhilfebeziehende mit ungenügenden Grundkompetenzen oder ohne Berufsabschluss sollen die Möglichkeit haben, sich weiterzubilden.»
«Die Vernetzung ist ein zentrales Erfolgselement»
«Nebst den Förderstrukturen in den Sozialdiensten sind auch Projekte und Kooperationen über die Sozialdienste hinaus entstanden, wenn die richtigen Personen miteinander in Kontakt gebracht wurden», berichtet die Co-Projektleiterin. In Eschlikon (TG) kam beispielsweise die Idee auf, einen Ort zu schaffen, an dem Grundkompetenzen in angenehmer Atmosphäre, kleinen Gruppen und moderatem Tempo vermittelt werden können. Dank der Initiative einer engagierten Gemeinderätin, der Coachingpartnerin der Weiterbildungsoffensive und der Vernetzung mit dem Amt für Berufsbildung und Berufsberatung des Kantons Thurgau entstand der Lernloft. Er wird von der Bildungsdirektion des Kantons Thurgau und vom Bund im Rahmen des kantonalen Programms im Bereich Grundkompetenzen finanziell getragen.
«Der Lernloft dient als Anlaufstelle für sämtliche Personen, die ihre Grundkompetenzen verbessern wollen. Zentral sind Kooperationen mit Unternehmen, die mehrmals im Jahr Workshops anbieten, um die digitalen Grundkompetenzen zu fördern», erzählt Gemeinderätin Isabelle Denzler, die auch Geschäftsführerin des Lernloft ist. Die SBB schulen beispielsweise den Umgang mit der SBB-App, die Swisscom gibt einen Kurs zum Umgang mit dem Smartphone, und die Thurgauer Kantonalbank (TKB) einen Workshop zu TWINT. Zudem gibt es ein wöchentliches Bewerbungscoaching. «Im Jahr 2024 wurde auch in Amriswil und Frauenfeld ein Lernloft ins Leben gerufen», freut sich Denzler.
«Der Lernloft dient als Anlaufstelle für sämtliche Personen, die ihre Grundkompetenzen verbessern wollen.»
Die Weiterbildungsoffensive wird weitergeführt und ausgeweitet
Nach den positiven Erfahrungen mit der Durchführung der Weiterbildungsoffensive beschlossen SKOS und SVEB, diese weiterzuführen und auszuweiten. Dabei sind drei Teilprojekte geplant. Einerseits wurde eine Arbeitsgruppe mit Kantonsvertreterinnen und Kantonsvertretern der Schweizerischen Weiterbildungskonferenz gegründet, um die Zusammenarbeit zwischen den Bildungsdirektionen und der Sozialhilfe zu optimieren. «Auch Sozialdienste werden wieder praxisnah beim Aufbauen von Förderstrukturen unterstützt. Im März fand der Kick-off mit acht motivierten Sozialdiensten statt», sagt Beeler. Ziel ist auch, die Zusammenarbeit zwischen den Sozialdiensten und der Wirtschaft weiter zu verbessern. Der Fokus richtet sich dabei auf die Entwicklung von branchenspezifischen Qualifizierungsangeboten, die für Sozialhilfebeziehende einen niederschwelligen Einstieg in die jeweilige Branche ermöglichen.