Von der Chorleiterin zur Gemeindepräsidentin
Charlotte Gaugler ist die erste Frau im Gemeindepräsidium der kleinen Baselbieter Gemeinde Lampenberg. Sie möchte mit ihrem Engagement der Gesellschaft etwas zurückgeben.
Als Charlotte Gaugler 2019 als erste Frau ins Gemeindepräsidium von Lampenberg (BL) gewählt wurde, hatte sie bereits etwas Exekutiverfahrung: Sie hatte davor während langer Jahre einen Chor geleitet. «Dort habe ich gelernt, eine Gruppe von Menschen zusammenzuhalten», sagt sie. Dann lacht sie und erzählt: «Als ich meine erste Einwohnergemeindeversammlung eröffnete, sagte ich: ‹Ich habe kein Problem, vor Leute hinzustehen, aber heute werden wohl nicht alle so singen, wie ich will.›» Die Anwesenden hätten gelacht und am Schluss der Versammlung habe jemand gefragt, ob sie zufrieden sei, wie die Leute gesungen hätten. Es habe keine Beanstandungen gegeben, erinnert sich Charlotte Gaugler, immer noch mit einem Lächeln.
Heute ist Charlotte Gaugler schon fast eine routinierte Gemeindepräsidentin. Die «Schweizer Gemeinde» hat sie anlässlich des von Bundesrätin Simonetta Sommaruga initiierten Treffens von rund 160 Gemeinde- und Stadtpräsidentinnen in Bern getroffen. Ein sehr verbindender Anlass, findet Charlotte Gaugler. Sie schätze den Austausch mit den Kolleginnen sehr, der durch den Anlass auch über die Kantonsgrenzen hinaus ermöglicht wurde. Von den Städten über Agglomerationsgemeinden bis hin zu kleinen Berggemeinden war die ganze Schweiz vertreten.
Charlotte Gauglers Gemeinde Lampenberg ist eine der kleineren Gemeinden der Schweiz: Sie hat rund 550 Einwohner und liegt auf einem Höhenzug 522 Meter über Meer, inmitten der Natur. «Es ist ein echtes Baselbieter Dorf, mit freundlichen, engagierten Menschen, viel Vereinsleben, einem wunderbaren Aussichtspunkt, vielen Kirschen und Bienen», sagt die Gemeindepräsidentin.
Vielseitig engagiert
Charlotte Gaugler sagt: «Im Alltag bin ich von einigen Präsidentinnen umgeben. Das neutralisiert so manches Problem.» Sie und ihre Kolleginnen sind eine Minderheit. Frauen besetzen ungefähr 16 Prozent aller Gemeindepräsidien der Schweiz; im Kanton Basel-Landschaft sind es etwas mehr, nämlich 30 Prozent. Der Rest sind Männer. «Vielleicht trauen sich viele Frauen das Amt nicht zu? Oder sie engagieren sich lieber im sozialen Bereich?», mutmasst Charlotte Gaugler. Von Quoten hält sie allerdings nichts. Sie ist überzeugt: «Wenn diejenigen Leute gewählt würden, die sich wirklich engagieren wollen, wäre der Geschlechterunterschied nicht so gross.»
So jemand ist Charlotte Gaugler. Bevor sie 2015 in den Gemeinderat gewählt wurde, war sie bereits im Kirchenrat, in der Sozialhilfebehörde und in der Personalkommission des Kantonsspital Baselland aktiv. «Ich durfte viel Schönes erleben und hatte viel Glück im Leben. Nun möchte ich der Gesellschaft etwas zurückgeben.» Sie sieht sich nicht unbedingt als «Chefin», sondern eher als die Person, die in der Gemeinde alles zusammenbringt.
Zu sich stehen
Am meisten Spass macht ihr das Amt dann, wenn sie ein kniffliges Problem lösen konnte oder ein fruchtbares Gespräch führen durfte. Oder wenn sie eine konstruktive Idee entwickeln oder aufnehmen und danach auch umsetzen konnte. Dabei ist es ihr wichtig, im Amt stets sich selbst zu bleiben. «Man muss eine Meinung haben und zu sich stehen.» Es allen recht machen zu wollen und nicht Nein sagen zu können, das funktioniere nicht. Das habe sie lernen müssen.
Wichtig ist es ihr, den Konsens zu suchen und auch die Vielfalt wertzuschätzen. Das habe sie bereits als Chorleiterin gelernt. «Nur wenn wir alle uns selbst sind, gewissermassen unsere ganz eigene Farbe, können wir alle zusammen zu einem Regenbogen werden und leuchten.»
Erstes Treffen der Gemeinde- und Stadtpräsidentinnen
Anlässlich ihres Präsidialjahres 2020 hat Bundesrätin Simonetta Sommaruga die Gemeinde- und Stadtpräsidentinnen der Schweiz zu einem Treffen eingeladen. Wegen der Coronapandemie hatte es zweimal verschoben werden müssen, bevor es am 11. Juni stattfinden konnte. Rund 160 Gemeinde- und Stadtpräsidentinnen kamen in Bern zusammen. Das Treffen war eine Premiere. «Sie alle sind Vorbilder für ganz viele Frauen. Diese Vorbildfunktion ist ein wichtiger Teil Ihres Amtes», sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga in ihrer Rede zu den Anwesenden im Berner Gymnasium Neufeld. Derzeit werden rund 16 Prozent der 2145 Schweizer Gemeinden und Städte von einer Frau geleitet, dies entspricht rund 340 Präsidentinnen. «Diese Zahl darf höher sein; ich wünschte mir mehr Gemeinde- und Stadtpräsidentinnen», sagte Sommaruga. Die Bundesrätin tauschte sich an einer Podiumsdiskussion mit vier Gemeindepräsidentinnen aus: Jolanda Brunner-Zwiebel aus Spiez (BE), Virginie Gaspoz aus Evolène (VS), Verena Hochstrasser aus Muzzano (TI) und Maria Pappa aus St. Gallen (SG). Sie diskutierten darüber, wie das Amt sie verändert habe und ob Frauen anders führten als Männer. Zum Abschluss des Anlasses freute sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga über «die Kraft und den Elan», den sie gespürt habe.