Zugpferd der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung im Wallis ist der internationale Pharmakonzern Lonza, der seinen Standort in Visp massiv ausbaut. Von der Öffentlichkeit oft unbemerkt, siedeln sich aber auch neue Unternehmen im Oberwallis an.

Vom Randkanton zur Boomregion: Wie die Gemeinden profitieren

21.03.2022
3 | 2022

Im Wallis steigt die Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen rasant, Wohnraum wird teuer und mancherorts knapp, die Rekrutierung von genügend hoch qualifizierten Fachkräften ist ein Kraftakt. valais4you steht den Gemeinden bei diesen Herausforderungen zur Seite.

«Das Wallis wächst schneller als der Rest der Schweiz», berichtete Ende 2019 der «Blick». Der «Tages-Anzeiger» schreibt «vom Wallis, dem Silicon Valley der Schweiz». Und die Westschweizer Medien titelten «Das Oberwallis hat das grosse Los gezogen». Zugpferd dieser Entwicklung ist der internationale Pharmakonzern Lonza, der seinen Standort in Visp massiv ausbaut. Von der Öffentlichkeit oft unbemerkt, siedeln sich aber auch neue Unternehmen im Oberwallis an. Das Wallis verfügt über eine für seine Grösse bemerkenswerte Start-up-Szene. Immer wieder entstehen hier international beachtete Innovationen. Um die Lonza herum etabliert sich derzeit ein veritables Biopharmacluster. Auch andere Unternehmen wie die Bosch-Tochter Scintilla mit Sitz in St. Niklaus, die Matterhorn Gotthard Bahn, das Spitalzentrum Oberwallis und die Fernfachhochschule Schweiz spüren Aufwind, investieren kräftig und benötigen gut ausgebildetes Personal.

Ja, das Oberwallis ist im Wandel. Das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort ist heute stärker denn je. Das zeigen das erwartete BIP-Wachstum für 2021 von 3,7 Prozent, die tiefe Arbeitslosigkeit von 0,7 Prozent und das hohe Investitionsvolumen in der Region. Letzteres wird vom Regions- und Wirtschaftszentrum Oberwallis (RWO AG) auf über 3 Milliarden Franken geschätzt. Das Oberwallis – eine Region, die bisher eher mit Abwanderung zu kämpfen hatte – steht vor neuen Herausforderungen: 2020 ist das Oberwallis schneller gewachsen als der Schweizer Durchschnitt. Und nicht nur die grossen Talgemeinden Visp, Brig-Glis und Naters profitierten von dieser Zuwanderung. Insgesamt sind 40 von 63 Oberwalliser Gemeinden im Jahr 2020 gewachsen. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Was bedeutet das für die Region und ihre Gemeinden?

Regionalentwicklungsprogramm lanciert

Das aktuelle Wirtschaftswachstum stellt die Region auch in Bezug auf Infrastruktur und Dienstleistungen vor bisher ungekannte Herausforderungen. Die Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen steigt rasant, die Rekrutierung von genügend hoch qualifizierten Fachkräften ist ein Kraftakt, Wohnraum wurde nicht nur teurer, sondern mancherorts gar knapp – wobei 2022 rund 700 neue Wohnungen auf den Markt kommen sollen. Das Wallis war bislang mehr als Ferienort denn als Region mit einem attraktiven Jobangebot für Hochqualifizierte bekannt. Die Region musste also erst einmal auf den Radar nationaler und internationaler Hochschulabsolventinnen und Arbeitskräfte. Und auch die Gemeinden sahen sich mit infrastrukturellen Herausforderungen konfrontiert. Vor diesem Hintergrund taten sich einige Unternehmen vor mehr als drei Jahren mit den Gemeinden Visp, Brig-Glis und Naters, mit dem Netzwerk Oberwalliser Berggemeinden sowie mit kantonalen Dienststellen und Organisationen zusammen und gründeten ein Regionalentwicklungsprogramm, um das aussergewöhnlich starke Wirtschaftswachstum zu begleiten. Die agile Organisationsform und die Einbindung der relevantesten Stakeholder aus Wirtschaft und Gemeinden erlaubt es, rasch und effektiv passende Massnahmen aufzusetzen und zu implementieren. Alle Gemeinden – unabhängig davon, ob Tal- oder Berggemeinde – sollen so von der positiven Entwicklung in der Region bestmöglich profitieren können.

Grosse Chance für Berggemeinden

Inzwischen hat sich dieses Regionalentwicklungsprogramm zum Dienstleistungsbetrieb valais4you weiterentwickelt. Damit sollen neue Entwicklungen antizipiert und die Region für Zuzügerinnen und Zuzüger noch attraktiver gemacht werden. Immer wieder zeigt sich, dass auswärtige Fachkräfte zuerst in die grossen Talgemeinden ziehen. Später lassen sich aber viele auch in Berggemeinden nieder. Sie kommen wegen des Jobs, schätzen am Wallis aber auch die Nähe zur Natur und das Outdoor-Freizeitprogramm. Das ist eine grosse Chance für die Oberwalliser Berggemeinden. In einem Online-Handbuch finden auswärtige Fachkräfte, die ihren Umzug ins Wallis planen, zum Beispiel wertvolle Informationen für den Start in der neuen Heimat, darunter auch ein ABC der Gemeinden, in dem sich jede Oberwalliser Gemeinde mit ihrer Infrastruktur und ihren Dienstleistungen vorstellen kann. Unabhängig von ihrer Grösse, Lage oder ihrem Budget kann so jede Gemeinde umfassende und attraktive Informationen bereitstellen und von einer hohen Visibilität für potenziell neue Einwohnerinnen und Einwohner profitieren.

Kitas als strategisches Thema für Gemeinden

Im Rahmen von valais4you werden alle Gemeinden dabei unterstützt, ihre Infrastruktur auszubauen. Ein wichtiges Thema ist dabei das Angebot an ausserschulischen Kinderbetreuungsplätzen. Eine Gemeinde kann ihre Attraktivität mit einer guten Betreuungsinfrastruktur deutlich stärken. Auswärtige Fachkräfte, die neu in die Region ziehen, verfügen selten über die Unterstützung der erweiterten Familie, um die Kinderbetreuung sicherzustellen, und sind daher auf eine passende Infrastruktur angewiesen. Fehlende Angebote in diesem Bereich sind nicht selten ein Ausschlusskriterium bei der Wahl der neuen Wohngemeinde. 

Bisher hat das Team des Regions- und Wirtschaftszentrums Oberwallis (RWO AG), das sich um die Umsetzung der Dienstleistungen von valais4you kümmert, 18 Gemeinden – direkt oder indirekt über die Schulregion – beim Aufbau, bei der Erweiterung oder bei der Reorganisation der familienergänzenden Kinderbetreuung begleitet. Im Vergleich zu 2019 stehen heute in der Region rund 30 Prozent mehr Betreuungsplätze zur Verfügung. Dank intensiver Sensibilisierungsarbeit wurde die familienergänzende Kinderbetreuung von den Gemeinden als strategisches Thema erkannt. Mit valais4you sollen die Gemeinden weiterhin als Anlaufstelle für Fragen rund um das Thema «Kinderbetreuung» unterstützt werden. Dabei ist sowohl eine Beratung im Bereich Bedarfsanalyse und Ausbau als auch eine Kommunikationsunterstützung möglich.

Breites Dienstleistungsangebot

Das Spektrum der Dienstleistungen von valais4you für die Gemeinden umfasst aber noch deutlich mehr: Angebote zur besseren Integration neuer Einwohnerinnen und Einwohner und ihrer Familien, kostenlose Plattformen für die Wohnungs- und Jobsuche sowie zielgruppenspezifisch aufbereitete On- und Offline-Informationen. Dank all diesen Massnahmen können die Gemeinden ihre Dienstleistungen ohne zusätzlichen eigenen Aufwand verbessern und ihre Attraktivität steigern. Denn nicht nur der Lonza-Boom und die Investitionen anderer Unternehmen im Oberwallis, sondern auch die Digitalisierung und der Trend zu hybriden Arbeitsmodellen machen das Wallis mit seiner schönen Natur und seiner spektakulären Landschaft für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer attraktiver.

Christian Kalbermatter
Betriebsleiter valais4you, Projektleiter beim Regions- und Wirtschaftszentrum Oberwallis (RWO)