Die Beleuchtung abschalten oder nicht? Zahlreiche Gemeinden stellen sich diese Frage.

Strommangellage: Eine weitere Krise?

15.12.2022
12 | 2022

Im Jahr 2022 gab es zahlreiche Kandidaten für den Titel «Krise des Jahres». Nach einem Hitzesommer dominierte der Krieg in der Ukraine die Schlagzeilen – und mit ihm die Nachricht einer möglichen Strommangellage.

Die Schweiz importiert rund 80 Prozent ihrer Energie. Das heisst, dass unser Land energietechnisch nur zu 20 Prozent unabhängig ist. Bis jetzt wurden diese Importe zu einem tiefen Preis getätigt. Mit der Verknappung des Angebots, besonders des russischen Gases durch den Ukrainekrieg, sind die Preise explodiert, und das setzt die Wirtschaft und Privathaushalte unter enormen Druck. Die Situation ist angespannt, und das limitierte Angebot könnte zu einer Strommangellage führen. Wenn sich die Situation zuspitzt, könnten Stromunterbrüche Realität werden, mit verheerenden Auswirkungen für die Wirtschaft und Private.

Fünf Kriterien werden für die kommenden Monate entscheidend sein: Das Risiko einer Strommangellage hängt direkt mit der Temperatur diesen Winter zusammen. Die Importe sind ebenfalls ein Schlüsselfaktor für unsere Versorgung. Dabei richten sich die Blicke auf Frankreich und dessen Fähigkeit, die Atomkraftwerke wieder in Gang zu bringen. Der Verlauf des Ukrainekrieges beeinflusst die Entwicklung der Exporte, die sich momentan auf einem Niveau von rund fünf Prozent bewegen. Die Niederschlagsmenge ist ebenfalls zentral für unsere Infrastruktur, denn sie beeinflusst die Füllmenge unserer Stauseen. Der Hitzesommer hat viele Pegel absinken lassen. Hinzu kommt schliesslich die Entwicklung in anderen europäischen Staaten – werden sie Energieexporte tätigen können oder nicht?

Alles abschalten oder nicht?

Die Gemeinden müssen jede Stromsparmassnahme individuell betrachten, denn die Massnahmen müssen mit den bestehenden Regeln und Gesetzen in Einklang sein. Die Gemeinden tragen viele Hüte: Sie sind Arbeitgeber (Gemeindeverwaltung), Hausverwaltungen (Immobilienpark und Sportinfrastruktur), Spezialisten für die frühe Kindheit (Kinderkrippen und ausserschulische Betreuung) und Aussenraumgestalter (Parks, Gärten und Friedhöfe).

Die verschiedenen kantonalen Strassenverkehrsgesetze verlangen eine angemessene Beleuchtung von Fussgängerstreifen auf Kantonsstrassen. Der Kanton Neuenburg ist bisher der einzige Kanton, der diese Vorschrift gelockert hat – dies erlaubt den Gemeinden, die Strassenbeleuchtung zu bestimmten Zeiten auszuschalten.

Das Berner Münster wurde zunächst nachts nicht mehr beleuchtet – wie andere historische Gebäude in der Stadt. Das änderte sich aber rasch wieder. Denn das Münster befindet sich in der Anflugschneise des Flughafens Belp. Aus Gründen des Denkmalschutzes kann kein rotes Licht an seiner Spitze angebracht werden – also wurde es wieder beleuchtet. Diese Beispiele zeigen den Handlungsspielraum der Gemeinden auf, und wie komplex die Situation ist. Zur Entscheidungsgrundlage gehören nämlich auch die Arbeitssicherheit, die Situation von Menschen mit Beeinträchtigungen oder die Strassensicherheit.

Für die Auswahl der zu treffenden Massnahmen gilt es, die Balance zu finden zwischen dem gesetzlich Möglichen, dem Einsparpotenzial sowie der Lebensqualität. Die Frage der Weihnachtsbeleuchtung beschäftigte zuletzt viele Gemeinden, und viele halten in einer reduzierten Form an ihr fest und behalten so den sozialen Aspekt bei. Das Spektrum der bisher getroffenen Massnahmen und die Kreativität gewisser Gemeindeverwaltungen beweisen die Anpassungsfähigkeit der 2145 Gemeinden der Schweiz. Sie gehen als Vorbilder voran und erhalten ihre Dienste und Aktivitäten wie immer aufrecht – auch angesichts dieser weiteren Krise.

Manon Röthlisberger
SGV
Projektleiterin
Übersetzung: Nadja Sutter