Ein Beispiel für strategische Projekte aus der Gemeinde Flims.

Strategien in Gemeinden: (Wie) Geht das?

06.12.2024
12 | 2024

Bereits 70 Prozent der Schweizer Gemeinden setzen in der strategischen Führung auf eine Legislaturplanung – Tendenz steigend. Gleichzeitig tun sie sich oft schwer, überzeugende Strategien für die langfristige Entwicklung ihrer Gemeinde festzulegen und eine klare Positionierung zu bestimmen. Eine neue Publikation zeigt, wie Gemeinden dabei vorgehen können und welche strategischen Handlungsmuster grundsätzlich bestehen.

Gemeinden sind autonomiebedürftig. Sie suchen nach einem Weg, selbstbestimmt mit innovativen Projekten ihren teilweise engen Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu sichern. Dies bedingt eine sinnstiftende Vision der Gemeinden, eine überzeugende Mission und nicht zuletzt Projektideen, die in einer Strategie verankert sind und rasch umgesetzt werden können. All dies ist für viele Gemeindeexekutiven in der Schweiz herausfordernd. Zum einen fehlt in der Milizpolitik oft die Zeit und Musse, sich neben Beruf, Familie und dem politischen Tagesgeschäft auch ums Visionäre zu kümmern. Zum anderen ist es anspruchsvoll, eine Gemeinde mit Strahlkraft zu positionieren und dementsprechende konkrete Projekte zu verwirklichen. Zu häufig stockt deren praktische Umsetzung.

Externe Beratung als Schlüssel zur Strategieentwicklung?

Diese Probleme lässt den Beizug von externen (Strategie-)Beraterinnen und Beratern erklären – ein weitverbreitetes Phänomen in Schweizer Gemeinden. Gemäss dem Gemeindemonitor 2017 (vgl. Steiner et al., 2021, S. 142 f.) greifen 69 Prozent aller Gemeinden auf externe Beratung zurück. Auffällig ist, dass die Nachfrage nach externer Strategie-, Prozess- und Organisationsberatung mit der Grösse der Gemeinde steigt. Im Detail zeigt sich, dass 15 Prozent aller Gemeinden externe Beratung für die strategische Positionierung heranziehen. Darüber hinaus sind es weitere 19 Prozent für die Erstellung eines Leitbildes, während zusätzlich 11 Prozent auf externe Expertise bei der Entwicklung von Legislaturzielen setzen (Beispiel in Bild oben).

In der Praxis erweist sich eine externe Begleitung in der Strategieentwicklung als besonders wertvoll, um den Prozess und die einzelnen Arbeitsschritte zu strukturieren. Es bleibt hingegen schwierig, inhaltlich gut durchdachte Strategien zu erarbeiten, die spezifisch für die jeweilige Gemeinde angepasst sind und die lokalen Bedingungen berücksichtigen.

Die Strategielandkarte sorgt für den Überblick

Ein Ansatzpunkt bietet eine Strategielandkarte (Bild unten). Sie enthält 27 Handlungsmuster, die den fünf übergeordneten Themen «Vermarktung», «Organisation», «Dienstleistungen», «Partnerschaften» und «Finanzierung» zugeordnet sind. Als praktisches Werkzeug soll die Strategielandkarte helfen, Prioritäten zu setzen und den Fokus auf zentrale Fragen zu richten. Exemplarisch hierzu folgende drei Strategien:

Animation: Die Gemeinde orientiert sich an der Idee von Fördern und Fordern. Sie animiert Private, öffentliche Aufgaben zu übernehmen (zum Beispiel in der Jugendförderung in Sportvereinen oder der Verleihung von Förderpreisen). Wichtige Fragen: Wie können wir Dritte zu mehr (gemeinnützigem) Engagement anregen? Wovon können wir als Verwaltung profitieren, zum Beispiel in Bezug auf Ressourcen und Expertisen?

Fokus: Die Gemeinde beschränkt sich. Sie bündelt ihre Kräfte in der Organisation und Erstellung öffentlicher Leistungen, zum Beispiel im Ausbau von Sportinfrastruktur mit Fokus Breitensport. Fragen: Auf welchen Teil der Wertschöpfung konzentrieren wir uns? Welche Aktivitäten sind erfolgskritisch?

Separation: Die Gemeinde erschliesst durch die Trennung von gewachsenen oder künstlich geschaffenen Organisationseinheiten neue Potenziale (unter anderem bei der Auslagerung von marktnahen Leistungen, zum Beispiel Sportanlagen). Fragen: Wie wirkt sich die Trennung aus? Wie hoch ist der Koordinationsbedarf zwischen den nunmehr getrennten Einheiten? Was bedeutet dies für die politische Steuerung?

Mit Design-Thinking zu rasch sichtbaren Ergebnissen

In der Praxis lässt sich zunehmend beobachten, dass Gemeinden Prinzipien aus dem Design-Thinking anwenden. Strategien, Legislaturziele und Projektideen werden in Form von Prototypen möglichst früh sichtbar und kommunizierbar gemacht, damit potenziell Betroffene sie – noch lange vor der formellen Verabschiedung – prüfen und ein Feedback abgeben können. Dies erfordert eine gewisse Offenheit und den Willen, die Bedürfnisse der Bevölkerung besser zu verstehen. Deshalb sollen sich Führungskräfte aus der Gemeindepolitik und -verwaltung mit den Einwohnenden aktiv einbringen. Kurz: Partizipation will die Qualität der Ergebnisse und deren Akzeptanz erhöhen. Dies ist für den Erfolg einer Strategie letztlich entscheidend.

Publikation: Strategien in Gemeinden – Das Playbook für die Praxis

Das Buch «Strategien in Gemeinden – Das Playbook für die Praxis» von Curdin Derungs bietet praktische Methoden und 27 Strategien speziell für Gemeinden. Angesprochen sind Führungspersonen aus der Gemeindepolitik und -verwaltung, die Visionen, Leitbilder, Legislaturziele und -pläne oder strategische Projekte entwickeln wollen. Die Publikation erschien 2024 im Haupt Verlag.

Curdin Derungs
Professor für Public Management
Fachhochschule Graubünden