Sozialhilfestatistik wird moderner und digitaler
Die Sozialhilfestatistik, die auch für die Gemeinden wichtige Daten liefert, wird derzeit modernisiert. Sie soll damit nicht nur zuverlässiger, sondern auch aktueller und einfacher im Handling werden.
Die Sozialhilfeempfängerstatistik (SHS) basiert auf der gemeinsamen Zusammenarbeit von Bund, Kantonen und Gemeinden. Sie liefert Steuerungsinformationen zur Sozialhilfe und ist ein unerlässliches Instrument der Sozialpolitik. Die Grundlagen wurden vor mehr als 20 Jahren erarbeitet. Sie werden nun im Rahmen eines Modernisierungsprojekts an die aktuellen Bedingungen und die sich verändernden Bedürfnisse angepasst.
Die Modernisierung der Sozialhilfestatistik wurde ab Januar 2019 in einem iterativen Prozess vorangetrieben. Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat dabei zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Sozialbehörden der Kantone, Gemeinden und Städte, aus Sozialdiensten, aus kantonalen Statistikämtern und der SKOS die konzeptionellen Grundlagen in Arbeitsgruppen erarbeitet. Basierend auf einem Variantenentscheid per Ende 2020 konnte das BFS die Konzeptarbeiten mithilfe von Pilotdaten verifizieren und zusammen mit den Datenlieferanten besprechen. Die Arbeiten wurden in enger Abstimmung mit der für die Modernisierung eingesetzten Steuerungsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie Städten konsolidiert.
Die Modernisierung der SHS bietet folgende Verbesserungen:
• Stärkung der Analysen
• zuverlässige, steuerungsrelevante Indikatoren
• erhöhte Aktualität der publizierten Informationen
• reduzierte Belastung der Datenlieferanten
Monatliche Übermittlung und häufigere Auswertungen
Neu basiert die modernisierte Statistik auf der monatlichen Übermittlung produktiver Daten aus der Fallführung der Datenlieferanten. Die Analyse erfolgt auf der Grundlage automatisch verarbeiteter Daten durch das BFS. Der Katalog für die bereitzustellenden Daten wurde im Vergleich zur ursprünglichen Jahresstatistik erheblich reduziert. Bei den durch die Datenlieferanten mittels sedex an das BFS zu übermittelnden Variablen handelt es sich um 20 Grunddaten mit Informationen zu den Personen und Dossiers. Die restlichen Auswertungen basieren auf Daten aus der Klientenbuchhaltung, die als Buchungstabelle extrahiert und im BFS harmonisiert werden.
Mithilfe statistischer Verknüpfungen können Informationen aus anderen Statistikquellen herangezogen werden, um einerseits die Datenlieferanten zusätzlich zu entlasten und andererseits die Mehrfachnutzung von Statistikdaten zur Bereitstellung steuerungsrelevanter Indikatoren zuhanden der Anspruchsgruppen vorwärtszubringen. Die Publikation der öffentlich zugänglichen Statistikresultate erfolgt wie gewohnt über die Homepage des BFS. Mit der neuen Datenbasis können die Auswertungen auch während des Jahres zur Verfügung gestellt werden.
Mit den ab Januar 2023 bis Ende 2024 geplanten Umsetzungsarbeiten werden die Voraussetzungen geschaffen, dass die Daten liefernden Stellen ab Januar 2025 in der Lage sind, die Sozialhilfestatistik nach modernisiertem Vorbild zu übermitteln. Für die Datenlieferanten bietet dies den Vorteil, monatliche Auswertungen einsehen und weiterverwenden zu können. Gerade in Zeiten, in denen eine grosse Dynamik herrscht, können diese unterjährigen Auswertungen einen Mehrwert für die Steuerung beitragen.
Relevante Daten auswählen und übermitteln
Die monatliche Datenübermittlung erfolgt durch eine Datenextraktion produktiver Daten aus den Fallführungssystemen. Es geht darum, dass die Datenlieferanten die relevanten Verwaltungs- und Buchhaltungsdaten auswählen und diese nach einem festgelegten Verfahren an das BFS übermitteln. In der Realisierungsphase werden die Datenextraktion und die Datenübermittlung mit Testlieferungen realisiert und getestet. Für Dienste ohne eigenes Fallführungssystem wird ein Erfassungsinstrument zur Verfügung gestellt werden.
Zusammen mit den monatlichen Indikatoren wird den Datenlieferanten eine Übersicht zur Qualität ihrer Datenlieferung und ein Qualitätsmonitoring zur kontinuierlichen Optimierung der Daten zur Verfügung gestellt werden.
Für die Aufbereitung und Harmonisierung der Buchungsdaten werden die Kontenpläne bei den Datenlieferanten ermittelt, damit die Zuordnung der Buchungspositionen der Datenlieferanten auf die statistischen Auswertungsvariablen beim BFS erfolgen und die Vergleichbarkeit der Auswertungen sichergestellt werden kann. Die Auswertung und die Aufbereitung der regelmässigen Datenlieferungen werden weitestgehend automatisiert erfolgen. In der Realisierungsphase werden die Bearbeitungen anhand von Testlieferungen umgesetzt, und der in der Konzeptphase geplante webbasierte Zugang zu den Resultaten soll in der Realisierungsphase umgesetzt und getestet werden.
Stimmen zur modernisierten Sozialhilfestatistik
Boris Tschirky, Vorstand SGV, Gemeindepräsident Gaiserwald (SG)
«Bund und Kantone haben die Überarbeitung der Sozialhilfestatistik in Auftrag gegeben, damit die Entscheidungsgrundlagen für die Sozialthemen aktueller und diverser sind. Dadurch können die Beschlüsse seitens des Bundesparlaments und der Kantone besser nachvollzogen werden. Darüber hinaus haben auch die Gemeinden sowie die Städte für die statistische Auswertung via Webportal die umfassenden Grundlagen.
Der Schweizerische Gemeindeverband (SGV) hat ebenso wie der Städteverband besonderen Wert darauf gelegt, dass die Erhebung der Daten weniger Aufwand generiert als im heutigen System. Die Erhebung per Jahresende hat wichtige Angaben im Jahreszyklus nicht abgebildet, und regelmässige, automatische Auswertungen sind viel aussagekräftiger.»
Marc Dubach, Sektionschef Sozialhilfe, Bundesamt für Statistik
«Statistische Daten sind vielfältig verwendbar, wenn sie systematisch und in einer verlässlichen Datenreihe aufgearbeitet sind. Auch für die wissenschaftlichen Arbeiten sind die anonymisierten Ergebnisse von besonderem Wert. Vor allem in der Zukunft, wenn die Daten nicht nur die reinen Sozialhilfedaten referenzieren, sondern auch die anderen Datensätze aus der Sozialversicherung und weiteren Statistiken einbezogen werden, gewinnt man konzisere Gesamtdaten.
Für das statistische Amt ist diese Kooperation über alle Staatsebenen hinweg und mit den übrigen Partnern ein innovatives und zukunftsgerichtetes Projekt. Es zeigt sich, dass auch sehr komplexe Datenmengen gut implementiert werden können, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben sind und die Partner gewillt sind, ein gemeinsames Ziel zu erreichen.»
Roger Hochreutener, Delegierter Gemeindepräsident des SGV, Gemeindepräsident Eggersriet (SG)
«Für die Gemeinden und Städte, also die Hauptlieferanten der Daten, war von Anfang an klar, dass die Datenerhebung wesentlich weniger Aufwand generieren muss als bisher. Grössere Gemeinden haben Fallführungssysteme, welche die Daten periodisch auswerfen können, wenn die Datenarchitektur definiert ist. Somit müssen die IT-Lieferanten die harmonisierten Grunddatenkataloge kennen und die Schnittstellen danach bauen können. Dies bedingt einen gewissen Vorlauf in der Planung der IT-Releases.
Die Fallführungssysteme können aber mehr als nur statistische Daten aufbereiten. Heute können die Vorgaben des Asyl- und Flüchtlingswesens mit den Integrationsplänen genauso gut verarbeitet werden, wie die Finanzdaten in den einzelnen Dossiers. Es war deshalb entscheidend, dass in der Projektgruppe auch diverse Praktikerinnen und Praktiker tätig waren, die nicht nur Grosslösungen im Fokus hatten, sondern auch die Bedürfnisse von überblickbareren Sozialämtern.
Gesicherte Daten und Fallführungen sind aber auch für die Weiterbehandlung der Themen wichtig. Bei den Sozialämtern sind zahlreiche Rückerstattungsmöglichkeiten bei den Versicherern und der Klientel gegeben. Dafür müssen aber die Daten über eine längere Zeit betreffend Leistungserbringung, Rückerstattung und Drittleistungen verlässlich sein. Manuelle Dossiers und nicht nachgeführte Sozialhilfe-Buchhaltungen sind dafür nicht mehr tauglich. Ein integriertes Fallführungssystem zahlt sich in diesen Fällen aus, weil es nicht nur kurzfristige statistische Daten liefert, sondern eine Datenreihe über die Bezugsdauer und darüber hinaus.
Eine sukzessive Umstellung in den nächsten zwei bis drei Jahren ist gut zu realisieren und bringt allen Akteuren einen spürbaren Mehrwert in der täglichen Arbeit.»