Solarstatistik aus heiterem Himmel
Ein Forscherteam der Fachhochschule Nordwestschweiz hat nun in einem Projekt versucht, den Bestand der Solaranlagen auf Schweizer Dächern mittels Luftbildern genauer als bisher zu bestimmen.
Im Bundesamt für Energie (BFE) befasst sich ein Expertenteam seit mehreren Jahren mit der Frage, wie sich die Digitalisierung im Energiebereich nutzen lässt. «Wir möchten unter anderem wissen, wie sich hochaufgelöste Luftbilder für die Verbesserung der Solarstatistik nutzen lassen», sagt Martin Hertach, Leiter Dienst Geoinformation beim BFE. Auf Initiative des BFE startete die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) ein Forschungsprojekt, bei dem ein Algorithmus entwickelt wurde, der Solaranlagen auf Luftbildern automatisch erkennt und quantifiziert. Durchgeführt wurde das Projekt von Prof. Martin Christen mit seinen Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Geomatik, die über Expertise in Erhebung und Auswertung von Geoinformations-Daten verfügen. Die Ergebnisse des zweijährigen Projekts, das vom BFE-Forschungsprogramm Photovoltaik und vom Kanton Aargau unterstützt wurde, liegen nun vor.
Um Solaranlagen aufzuspüren, nutzt das FHNW-Forscherteam Luftbilder, die das Bundesamt für Landestopografie (swisstopo) aus Flugzeugen aufgenommen hat (öffentlich verfügbar unter: map.admin.ch ). Die Fotos der neusten Generation haben eine Auflösung von 10 cm pro Pixel. Mit dieser Genauigkeit lassen sich Module von Solaranlagen gut erkennen. Um die Fläche einer Solaranlage aus einem Luftbild zu bestimmen, muss man zusätzlich die Dachneigung kennen. Diese Information entnehmen die Wissenschaftler der oben erwähnten swisstopo-Datenbank, die 3D-Modelle aller Schweizer Gebäude enthält (swissBUILDINGS3D).
Einsatz von Künstlicher Intelligenz
Neuartig am Ansatz der FHNW-Forscher: Computer suchen auf den Luftbildern nicht nach vorgängig definierten geometrischen Mustern, sondern sie legen unter Nutzung eines Algorithmus selber fest, wie sie Solaranlagen als solche erkennen. Der Algorithmus ist das Ergebnis eines maschinellen Lernprozesses, bei dem ein Computer aus Beispielaufgaben einen Lösungsweg ableitet, den er anschliessend zur Lösung neuer Aufgaben verwenden kann. Grundlage bildet die Open-Source-Software PyTorch in Verbindung mit einer Objekterkennungs-Software, die in der Lage ist, in einem Foto vorgängig definierte Objekte aufzuspüren.
Damit ein Algorithmus entsteht, der Solaranlagen erkennt, wird ein Computer mit Luftbildern gefüttert, auf denen die Solaranlagen von Menschenhand markiert sind. In dem maschinellen Lernprozess sucht der Computer dann in einer Vielzahl solcher Bilder nach Gemeinsamkeiten und Mustern, die ihn später in die Lage versetzen, Solaranlagen auch auf Luftbildern zu erkennen, in denen sie nicht von Menschenhand markiert sind. Um den Lernprozess zu ermöglichen, haben zehn emsige FHNW-Studentinnen und Studenten im Januar 2020 während fünf Tagen auf fast 8000 Luftbildern mit Computergrafik-Werkzeugen von Hand die Solaranlagen markiert. Anhand der bearbeiteten Bilder lernte ein Hochleistungsrechner – er hat die Rechenleistung von 400 Personalcomputern – Solaranlagen eigenständig zu erkennen.
Erkennung von Anlagentyp und Fläche
Unterdessen steht fest, wie gut der Algorithmus Solaranlagen erkennt: Bei 92 % der umrahmten Objekte, die der Algorithmus als PV-Anlagen ausweist, handelte es sich tatsächlich um PV-Anlagen. Bei den solarthermischen Anlagen waren 62 % der identifizierten Objekte tatsächlich solarthermische Anlagen. Die Erkennungsquote lag hier tiefer, weil der Algorithmus in 30 % der Fälle PV-Anlagen fälschlicherweise als Solarthermie-Anlagen auswies. «Diese Ergebnisse entsprechen dem heutigen Leistungsstandard von Künstlicher Intelligenz (KI)», sagt Geoinformatiker Martin Christen.
Diese Aussage gilt auch für den zweiten Schritt, nämlich die Bestimmung der Anlagenfläche, die sich aus der Summe der einzelnen Segmente (PV-Modul oder Solarwärme-Kollektor) ergibt. Der Algorithmus ermittelt die Fläche von Solaranlagen in 82 % der Fälle korrekt, sofern man sich mit einer beschränkten Genauigkeit zufrieden gibt. Wünscht man eine höhere Genauigkeit, sinkt die Erkennungsquote auf 62%. Diese Werte gelten dann, wenn der Algorithmus nicht zwischen PV- und Solarthermie-Anlage unterscheiden muss. Soll neben der Fläche auch der Anlagentyp identifiziert werden, liegt die Erfolgsquote tiefer. «Wir hoffen, die Erkennungsqualität mit weiteren Updates der Erkennungssoftware sowie dem Einbezug etwa von Nahinfrarot-Aufnahmen und zusätzlichen Datensätzen nochmals zu verbessern», sagt FHNW-Wissenschaftler Adrian Meyer und ergänzt: «Die KI wird aber nie verlässlicher sein können als der Mensch, und von dem wissen wir, dass er bei der Auswertung von Luftbildern rund 10% der Segmente falsch zuordnet, also etwa ein PV-Modul mit einem Dachfenster verwechselt oder einen Warmwasser-Kollektor mit einem Müllcontainer.»
Verknüpfung mit Gebäudedaten
Der Algorithmus der FHNW sollte bis Anfang 2021 auf die Luftaufnahmen für das ganze Gebiet der Schweiz angewendet werden. Das BFE verknüpft die Ergebnisse anschliessend mit einer Gebäudedatenbank und wird auf dieser Grundlage bestimmen können, wie viele Solaranlagen mit welcher Fläche die Schweiz zählt. «Mit den Ergebnissen der FHNW wird sich Zahl und Fläche der Solaranlagen zwar nicht exakt bestimmen lassen, aber sie werden uns helfen, bestehende Statistiken zu validieren, also ihre Aussagekraft zu verbessern», sagt Martin Hertach. «Wir müssen hierbei mit der Einschränkung leben, dass Solaranlagen an Fassaden über Luftbilder nicht erkannt werden können.»
Nach Einschätzung des BFE-Experten könnten die neu gewonnenen Daten Gemeinden und Kantonen Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung stellen, wie sie die Ausbauziele für Solaranlagen erreichen können, und sie könnten dem Bund beim Monitoring der Energiestrategie 2050 helfen. Offen ist zum aktuellen Zeitpunkt noch, ob die Öffentlichkeit direkt auf die neue Datei aller Schweizer Solaranlagen zugreifen kann. Hierfür sind noch Fragen des Datenschutzes zu klären.
Der Schlussbericht zum Projekt ‹SOLAI - Automatisierte Erkennung von Solarenergieanlagen mit Deep Convolutional Neural Networks› ist abrufbar unter: www.aramis.admin.ch/Grunddaten/?ProjectID=41796 .
Kontaktperson: Dr. Stefan Oberholzer, Leiter des BFE-Forschungsprogramms Photovoltaik, stefan.oberholzer@bfe.admin.ch
Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Photovoltaik finden Sie unter: www.bfe.admin.ch/ec-pv .