Solar- und Windzins für die Gemeinden ist nötig
In der Energiepolitik kann es derzeit nicht schnell genug gehen: Beschleunigungsvorlage, Mantelerlass, Solarexpress. Auf der nervösen Suche nach mehr Kilowattstunden dürfen die Interessen der Gemeinden nicht vergessen gehen.
Seit letztem Sommer schaut die Schweiz einer möglichen Strommangellage ins Auge, ausgelöst durch den Ukrainekrieg und drohende Lieferengpässe von französischen Atomkraftwerken. Seit je importiert die Schweiz im Winter Strom aus dem nahen Ausland, um die eigene Stromlücke zu überbrücken. Hinzu kommt, dass die Energiemärkte verrücktspielen und die Preise für die Kundinnen und Kunden sowie für die Wirtschaft in ungeahnte Höhen schnellen lassen.
Und nun kommt die Schweizer Politik ins Spiel. Um die Marktverwerfung für die betroffenen grossen Energieversorgungsunternehmen der Schweiz (EVU) abzusichern, hat das Parlament einen sogenannten Rettungsschirm verabschiedet. Weiter hat der Bund zusammen mit Kantonen, Gemeinden und Städten die Winter-Energiespar-Initiative lanciert.
Blickt man in die nähere Zukunft, benötigt es weitere politische Vorlagen. Es ist unbestrittenes Ziel, dass die Energiewende, das heisst bis 2050 weg von den fossilen Energieträgern, erreicht und vom Staat gefördert werden muss. Dabei steht die Förderung der Wasser-, Sonnen- und Windkraft im Vordergrund. Viele der Projekte in diesem Bereich gehen aus Sicht der Politik viel zu lange, bis sie den notwendigen Strom liefern können. Einsprachen von Betroffenen, aber auch Investitionsdesinteresse der Bauherrschaften lassen den Bau vieler wichtiger Energieausbauvorhaben verzögern oder sogar abstürzen.
Mitwirkungsrechte auf Minimum reduziert
Das soll nun die nationale Politik mit einem Dreigestirn an Fördervorlagen beseitigen. Beschleunigungsvorlage, Mantelerlass und Solarexpress heissen sie und werden aktuell im nationalen Parlament diskutiert. Ihnen eigen ist, dass es bei allen nicht schnell genug gehen kann. Dabei droht, dass wichtige Grundrechte und auch sachliche Argumente verloren gehen.
Bei der Beschleunigungsvorlage für Windprojekte etwa stehen die Mitspracherechte der betroffenen Gemeinden auf dem Spiel. Beim Solarexpress besteht die Gefahr, dass einzig aufgrund der Produktionsleistung im grossen Stil in Fotovoltaikanlagen investiert werden kann, ohne die vorhandene Infrastruktur zum Abtransport des Stroms oder die langfristige Wirtschaftlichkeit in Betracht zu ziehen. Ferner werden die Mitwirkungsrechte aller Beteiligten, auch der Gemeinden, auf ein Minimum reduziert. Immerhin sieht der Gesetzgeber in der Solarexpressvorlage ein Vetorecht für die Standortgemeinden vor.
Akzeptanz vor Ort ist unerlässlich
Der Schweizerische Gemeindeverband fordert: Als Erstes müssen beim Bau von Kraftwerken die verschiedenen Energieformen getrennt voneinander betrachtet werden. Vor allem die Wasserkraft folgt eigenen Regeln, weil das Wasser ein öffentliches Gut ist und in vielen Fällen den Gemeinden gehört. Hier benötigt es gängige Konzessionsgenehmigungsverfahren, die den Gemeinden als Konzessionsgeberin eine zentrale Rolle einräumen. Daran kann und soll nichts geändert werden.
Es ist unbestritten, dass alle Verfahren beschleunigt werden sollen. Hier sollte vor allem auf parallele Verfahren in den Kantonen im Rahmen des geltenden Rechts gesetzt werden. Mit den neuen Regeln dürfen aber nicht neue Probleme geschaffen werden. Ein Beispiel: Will man inskünftig im kantonalen Richtplan Eignungsgebiete für Solarprojekte ausscheiden, darf dies nicht bedeuten, dass es mit Verweis auf den Rechtsstaat keine ordentlichen Verfahren für die einzelnen Projekte mehr gibt. Besser sind kürzere Ordnungsfristen zu prüfen, welche die Behörden und Gerichte anhalten, die Entscheide innert nützlicher Frist zu fällen. Auch muss die Rückbaupflicht von grossen Solaranlagen gelöst werden, sodass die Rück- und Abbaukosten nicht bei den Gemeinden liegen bleiben.
Trotz aller Sorge um die Energieversorgung in der Schweiz sollten wesentliche Grundprinzipien des Verfahrensrechts und grundlegende Partizipationsrechte nicht über den Haufen geworfen und die politischen Verfahren in den Gemeinden nicht einfach ausgeschlossen werden. Sie bilden die Basis für die Akzeptanz in der Bevölkerung, um grosse Projekte mehrheitsfähig zu machen.
Entschädigung für Gemeinden
Insbesondere – und das ist die Hauptforderung des SGV – gilt es bei neuen Grossprojekten, im Bereich Wind und Sonne für Gemeinden eine Entschädigung im Stil des Wasserzinses einzuführen. Es benötigt einen Wind- und Solarzins, um die Aufwendungen der öffentlichen Hand angemessen abzugelten. Zudem kann so die Akzeptanz in der Bevölkerung und bei den Behörden vor Ort gefördert werden. Bis heute liegen hier keine Vorschläge vor. Der Gemeindeverband wird sich dafür einsetzen, dass dies politisch diskutiert und eingeführt werden wird. Ganz im Interesse der Gemeinden.