Motiviert: die Schülerinnen und Schüler des Schulverbands Trub-Trubschachen (BE).

Schulkinder in Trub und Trubschachen sammeln Kunststoffabfälle

04.05.2024
5 | 2024

Im Kanton Bern hat vor einem Jahr die einheitliche Sammlung von Haushaltskunststoffen gestartet. Kanton und Gemeinden arbeiten dafür mit der AVAG Umwelt AG und der Systembetreiberin InnoRecycling AG zusammen. Die Bilanz fällt bisher positiv aus: 170 Gemeinden machen mit. In Trub und Trubschachen (BE) war man so überzeugt von dem Projekt, dass auch die Schule mit einstieg. Seit diesem Jahr sammeln die Schülerinnen und Schüler ihre Kunststoffabfälle, damit sie später recycelt werden können.

Mehr als 100 Kilogramm Kunststoffabfälle fallen in der Schweiz pro Person und Jahr an. Ein grosser Teil davon wird heute verbrannt – oder landet unerwünschterweise in der Natur. Die Schweizer Politik will das ändern: Bereits 2021 wurde auf Bundesebene entschieden, gemischte Kunststoffe aus Haushaltungen zu recyceln. In der Schweiz sind die Gemeinden für die Entsorgung der Siedlungsabfälle zuständig. Somit liegen auch die Sammlung und das Recycling von Kunststoffabfällen in ihrer Verantwortung.

Im Kanton Bern startete im Mai 2023 ein schweizweit einzigartiges Projekt im Bereich Kunststoffrecycling. Kanton und Gemeinden taten sich mit dem Entsorgungsunternehmen AVAG Umwelt AG sowie der Systembetreiberin InnoRecycling AG zusammen, um die Sammlung und Entsorgung der Kunststoffe koordiniert anzugehen. Die Einwohnerinnen und Einwohner der mittlerweile 170 beteiligten Gemeinden können Sammelsäcke beziehen, füllen diese mit Kunststoffabfällen und geben sie an den Sammelstellen wieder ab. Das Sammelgut wird nach Vorarlberg in Österreich gebracht und nach den verschiedenen Kunststoffarten sortiert. Eine Sortieranlage in der Schweiz gibt es derzeit noch nicht, ist aber in Planung, wie Patrik Ettlin von der InnoRecycling AG sagt. Das sortierte Material wird anschliessend überwiegend in Eschlikon (TG) zu Granulat verarbeitet.

Erste Schule der Schweiz

Als erste Schule der Schweiz sammelt seit Februar 2024 der Schulverband Trub-Trubschachen Kunststoff. «In unserem Leitbild ist festgehalten, dass unsere Schule Ressourcen schont und in der Bildung die nachhaltige Entwicklung priorisiert», sagt Schulleiter Matthias Pfister. Da passe das Sammeln von Kunststoff dazu. Den ersten Kontakt stellte eine Mitarbeiterin der Gemeinde her, die auch für das Schulsekretariat verantwortlich ist. Die Anfrage war die erste einer Schule überhaupt, wie Patrik Ettlin von der InnoRecycling AG ausführt.

Damit die Schülerinnen und Schüler auch wissen, was sie in den Sammelbehältern entsorgen müssen, wurden sie im Februar an zwei Vormittagen in Workshops geschult. Patrik Ettlin sowie Sandro Alves, Projektleiter bei der InnoRecycling AG, erklärten den Kindern und Jugendlichen nicht nur, welche Kunststoffe recycelt werden können, sondern zeigten auch das graue Granulat, das nach dem Recyclingprozess entsteht und Rohstoff für neue Produkte ist.

Komplexer Prozess

Am Workshop wurde klar: Kunststoffrecycling ist komplex. Viele Verpackungen und Gegenstände bestehen aus verschiedenen Kunststoffarten, sogenannten Mischkunststoffen, die nach der Verarbeitung nicht wieder aufgetrennt und separat recycelt werden können. In Spielsachen, aber auch in Büromaterialien und Sportutensilien sind zudem Additive, auch Weichmacher genannt, enthalten. Diese Gegenstände können deshalb nicht recycelt werden.

In den Sammelsäcken befinden sich rund 63 Prozent wiederverwertbare Kunststoffe – zum Beispiel Joghurtbecher –, wie Patrik Ettlin ausführte. 35 Prozent sind Mischkunststoffe, die als Ersatzbrennstoff in der Zementindustrie Stein- und Braunkohle ersetzen. Und zwei bis drei Prozent der Kunststoffe kommen in die Kehrichtverwertungsanlage, womit Energie produziert wird.

«Lohnt sich das überhaupt?», fragte ein Schüler nach der Präsentation. «Es lohnt sich immer mehr, je mehr Menschen mitmachen», antwortete Patrik Ettlin. Klar sei auch: Das Granulat aus dem recycelten Kunststoff müsse sich weiterverarbeiten und verkaufen lassen. Für die Verwendung im Nahrungsmittelbereich ist es momentan noch nicht zugelassen, kann aber zum Beispiel für die Herstellung von Gegenständen wie Waschmittelflaschen oder Giesskannen verwendet werden.

Recycling in ganzer Gemeinde fördern

Schulleiter Matthias Pfister sagt abschliessend: «Wir erhoffen uns, dass die Kinder auch zu Hause vom Kunststoffrecycling erzählen und dieses vorleben. So können wir das Recycling im ganzen Schulverbandsgebiet fördern.»

Das Entsorgungsunternehmen AVAG Umwelt AG und die InnoRecycling AG blicken optimistisch in die Zukunft. «Die Kennzahlen wie auch das durchwegs positive Feedback von Gemeinden, Verkaufs-, Sammel- und Logistikpartnern sowie aus der Bevölkerung zeigen, dass das Sammelsystem ankommt», sagt Mudest Arpagaus, Geschäftsleitungsmitglied der AVAG Umwelt AG auf Anfrage. Die Kennzahlen nach den ersten Monaten seien höchst erfreulich, die Zeichen für eine weitere positive Entwicklung stünden gut. Wichtig sei dafür auch die Kommunikation der Gemeinden.

Zahlen zur Berner Kunststoffsammlung

Zu Beginn der koordinierten Kunststoffsammlung im Kanton Bern im Mai 2023 nahmen 50 Gemeinden am Projekt teil. Bis Mitte April 2024 stieg diese Zahl auf 170 Gemeinden, was 537 500 Einwohnerinnen und Einwohnern sowie mehr als der Hälfte der Berner Gemeinden entspricht. 1,38 Millionen Sammelsäcke wurden bisher an den 534 Verkaufsstellen verkauft. An 196 Sammelstellen können sie abgegeben werden. Insgesamt wurden seit Projektstart 738 344 Kilogramm Kunststoff gesammelt.

Nadja Sutter
Chefredaktorin «Schweizer Gemeinde»