Offene Turnhallen motivieren Kinder, sich zu bewegen
Die Frühe Förderung im Kleinkindesalter ist ein strategischer Eckpfeiler einer ganzheitlichen Bildungs-, Sozial- und Gesundheitspolitik. Gemeinden können mit Angeboten von offenen Turnhallen dazu beitragen, dass sich kleine Kinder bewegen – und dies danach ihr Leben lang tun.
Die Frühe Förderung im Kleinkindesalter legt den Grundstein für die Entwicklung eines förderlichen Gesundheitsverhaltens auf physischer und psychosozialer Ebene, das sich in der älteren Kindheit, Jugend und dem Erwachsenenalter fortsetzt.
Wie oft sich kleine Kinder bewegen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einige sind nur geringfügig beeinflussbar wie Geschlecht, Alter, Familienstruktur oder Temperament. Es gibt aber auch solche, die durch die Eltern oder die Umgebung beeinflussbar sind. Dazu gehört unter anderem die Infrastruktur am Wohnort der Kinder, zum Beispiel Spielplätze oder Turnhallen.
In diesem Kontext zielen die Bewegungsangebote der offenen Turnhalle wie «Ä Halle wo’s fägt» vom Verein CHINDaktiv in Zusammenarbeit mit RADIX sowie «MiniMove» der Stiftung IdéeSport oder eigene Angebote von Gemeinden darauf ab, dass Kinder im Vorschulalter bis sechs Jahre im Winterhalbjahr einen niederschwelligen Zugang zu einem betreuten, gedeckten Bewegungsort haben. Diese Angebote finden üblicherweise ohne Anmeldung und teilweise ohne oder nur mit einem geringen Unkostenbeitrag statt. Bei offenen Turnhallen werden Bewegungslandschaften zur Verfügung gestellt, welche die Kinder ohne Anleitung, aber unter Aufsicht von erwachsenen Begleitpersonen entdecken können. Die Hallenbetreuenden sind für den Aufbau und die Umsetzung zuständig, jedoch nicht für eine Anleitung zu den einzelnen Bewegungsposten.
In immer mehr Schweizer Gemeinden werden Turnhallen mit verschiedenen Angeboten Kindern und deren Eltern an Wochenenden zugänglich gemacht. Die Gemeinden leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsförderung in der Freizeit und schaffen attraktive Begegnungsorte.
Befragung der Gemeinden
Um die Situation in den Gemeinden bezüglich derartiger Bewegungsangebote genauer betrachten zu können, wurde im Herbst 2020 eine schweizweite Gemeindebefragung durchgeführt. Das Forschungs- und Beratungsbüro Ecoplan führte die Befragung zusammen mit dem Schweizerischen Gemeindeverband durch, dies im Rahmen einer von Gesundheitsförderung Schweiz beauftragten Evaluation von Angeboten der offenen Turnhallen mit Fokus auf die Angebote «Ä Halle wo’s fägt» und «MiniMove».
In die Auswertung der Befragung flossen 410 vollständige Antworten ein, was einem guten Rücklauf von 19 Prozent entspricht. Die schweizweite Abdeckung war sehr gut, mit einer Beteiligung von Gemeinden aus allen Kantonen mit Ausnahme der Kantone Appenzell Innerrhoden, Glarus und Obwalden.
Bekanntheit und Reichweite der offenen Turnhalle
40 Prozent der Befragten kennen Angebote unter dem Begriff «offene Turnhalle» für Kinder im Vorschulalter. Es wird damit vor allem das Mutter-/Vater-/Eltern-/Grosseltern-Kinder-Turnen (N=123) in Verbindung gebracht, ein strukturiertes, angeleitetes Gruppenangebot. Des Weiteren sind die Angebote OpenSunday (N=67), MidnightSports (N=58), lokale Angebote (N=46), Ä Halle wo’s fägt (N=34) sowie MiniMove (N=33) bekannt. Die Angebote OpenSunday und MidnightSports der Stiftung IdéeSport richten sich an ältere Kinder und Jugendliche.
In 16 Prozent der Gemeinden, die sich an der Befragung beteiligt haben, gibt es ein Angebot der offenen Turnhalle. Das sind zugleich 38 Prozent derjenigen, die derartige Angebote kennen. Überwiegend sind dies lokale Angebote der Gemeinden, zum Beispiel Eltern-Kind-Turnen, aber auch offene Turnhallen, die von lokalen Anbietern wie Eltern- oder Turnvereinen umgesetzt werden. In 16 der befragten Gemeinden gibt es ein Ä-Halle-wo’s-fägt-Angebot, in sechs Gemeinden ein MiniMove-Angebot. Zum Vergleich: Es gab schweizweit in der Wintersaison 2021/22 rund 80 Ä-Halle-wo’s-fägt-Standorte in sieben Deutschschweizer Kantonen und 15 MiniMove-Standorte in sieben Kantonen der Deutschschweiz, der Romandie und des Tessins.
Gefragt nach den Gründen, ein eigenes lokales Angebot der offenen Turnhalle aufzubauen und nicht auf externe Anbieter wie IdéeSport oder RADIX zurückzugreifen, nennen die Befragten vorrangig den Wunsch nach Eigenverantwortung und das Vorhandensein entsprechender lokaler Initiativen sowie dass spezifische Angebote wie «Ä Halle wo’s fägt» und «MiniMove» zum Zeitpunkt des Angebotsaufbaus nicht bekannt gewesen seien.
Von denjenigen Gemeinden, die keine Bewegungsangebote der offenen Turnhalle für Kinder bis sechs Jahren kennen, haben 71 Prozent andere Bewegungsangebote in ihren Gemeinden. Genannt werden vorrangig verschiedene Formen des Eltern-Kind-Turnens oder andere lokale Kinderturnangebote. Gut ein Drittel dieser Personen zeigte sich interessiert an den Bewegungsangeboten der offenen Turnhalle, was zugleich das Potenzial dieser Angebote bekräftigt.
Hinderliche und förderliche Faktoren
Gründe gegen ein Angebot der offenen Turnhalle sind vor allem, dass ausreichend andere Angebote vorhanden sind, die mangelnde Hallenkapazität und dass es keinen ausreichenden Bedarf vonseiten der Bevölkerung gibt. Dies zeigt, dass Angebote der offenen Turnhalle in einer breiten Angebotslandschaft der Bewegungsförderung bestehen und ihren Mehrwert aufzeigen müssen. Die Evaluation der Angebote von offenen Turnhallen wird für diese Argumentation rund um den Nutzen von Angeboten der offenen Turnhalle Ende 2022 Erkenntnisse liefern können.
Damit ein Angebot in einer Gemeinde aufgebaut und längerfristig verankert wird, müssen die Angebote den spezifischen Erwartungen einer Gemeinde entsprechen. Dies stimmt bei Angeboten der offenen Turnhalle sehr gut überein: 84 Prozent der befragten Gemeinden, denen diese Angebote bekannt sind, geben an, dass diese ihre Erwartungen vollumfänglich (53 Prozent) bis teilweise (31 Prozent) abdecken.
Jene Elemente, die den Gemeinden im Zusammenhang mit diesen Bewegungsangeboten am wichtigsten sind, sind auch zentrale Charakteristika der bestehenden Angebote wie «Ä Halle wo’s fägt» und «MiniMove». Dies sind: die Bewegung von kleinen Kindern fördern, die bestehende Infrastruktur nutzen, die Zugänglichkeit für alle Kinder und Eltern, die Funktion als sozialer Treffpunkt und ein geringer oder gar kein administrativer Aufwand für die Gemeinde.
Die Befragung der Gemeinden zeigt zweierlei: Es kann noch mehr investiert werden in die Bekanntmachung von Bewegungsangeboten der offenen Turnhalle bei den Gemeinden. Zum anderen bringen die bestehenden Angebote vieles mit, was sich die Gemeinden wünschen. Die Angebote der offenen Turnhalle sind demnach an die kommunalen Bedürfnisse angepasst.
Positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung
Manche Gemeinden öffnen ihre Turnhallen im Winter für Kinder aus Eigeninitiative. Es gibt allerdings verschiedene Institutionen, die hierbei Unterstützung bieten: zum Beispiel den Verein CHINDaktiv mit dem Programm «Ä Halle wo’s fägt» oder «MiniMove» der Stiftung IdéeSport. In der Saison 2019/2020 registrierte der Verein CHINDaktiv gemäss Zahlen auf seiner Homepage 79 offene Turnhallen in acht Kantonen mit knapp 18 000 Teilnehmenden. Im Rahmen des Programms «MiniMove» gab es im selben Zeitraum zwölf Projekte mit mehr als 21 000 Teilnehmenden in der Deutschschweiz, der Romandie und dem Tessin.
Yverdon-les-Bains war die erste Gemeinde in der Romandie, die ein MiniMove-Programm einführte, wie die Kommunikationsverantwortliche, Chantal Tauxe, sagt. Dies im Rahmen der Initiative «Santé ActYv», welche die Bevölkerung zu mehr Bewegung animieren soll. Zum ersten Mal fand ein MiniMove-Anlass im November 2019 statt; anschliessend kamen an 14 Daten bis März 2020 insgesamt rund 3800 Kinder und Eltern. Trotz verschiedenen Unterbrüchen wegen der Pandemie sei das Angebot sehr beliebt, so Chantal Tauxe. Pro Sonntag kämen rund 269 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Schweizweit gehört Yverdon-les-Bains damit zu den Spitzenreitern, was die Teilnehmerzahl angeht.
Yverdon-les-Bains organisiert die Anlässe in enger Zusammenarbeit mit der Stiftung IdéeSport. Die Stiftung ist dabei für die Organisation der Sonntage sowie die Rekrutierung der Betreuungspersonen zuständig. Die Stadt beteiligt sich finanziell und stellt die Turnhallen gratis zur Verfügung, wie Chantal Tauxe sagt.
Raphael Schwitter ist Standortleiter der offenen Turnhalle in Hofstetten (SO), die im Rahmen von «Ä Halle wo’s fägt» betrieben wird. Im Winter 2021/2022 war die Turnhalle sechsmal geöffnet, jedes Mal kamen zwischen 15 und 30 Kinder und ihre Eltern. «Wie viele Kinder kommen, hängt jeweils stark vom Wetter ab», sagt Schwitter. Die Kinder hätten grosse Freude am Angebot. «Wichtig ist jeweils, dass wir jedes Mal den gleichen Parcours aufbauen. Bei Kindern bis sechs Jahre ist der Wiedererkennungswert wichtig, damit sie wissen, was sie erwartet.» Er beobachtet, dass die Kinder von Mal zu Mal mutiger werden.
Schwitter, der das Angebot zunächst mit seinen eigenen Kindern besucht hat, bevor er Standortleiter wurde, schätzt auch den Austausch – sowohl zwischen den Eltern als auch zwischen den Kindern. «Es ist ein super Angebot, vor allem im Winter, wenn man draussen weniger machen kann.» In der Gemeinde Hofstetten-Flüh (SO) findet das Angebot nun das dritte Jahr statt. Der Verein CHINDaktiv organisiert gemäss Schwitter regelmässige Weiterbildungen für die Standortleitenden, organisiert Material und Ideen und übernimmt die Hallenmiete. Das Angebot ist niederschwellig: Für das erste Kind kostet es fünf Franken, für das zweite drei Franken, und ab dem dritten Kind pro Familie ist die Teilnahme gratis.
Nadja Sutter
Informationen:
IdéeSport «MiniMove» https://www.ideesport.ch/programme/minimove/
Radix «Ä Halle wo’s fägt» https://www.radix.ch/de/gesunde-gemeinden/angebote/ae-halle-wos-faegt/ bzw. CHINDaktiv https://www.chindaktiv.ch/
Gesundheitsförderung Schweiz, https://gesundheitsfoerderung.ch/
Netzwerk Gesundheit und Bewegung Schweiz Hepa https://www.hepa.ch/de/home.html