Netto-Null: Klosters zeigt, wies geht
Erst forderte die Energiestrategie 2050 die Gemeinden. Nun ist mit dem Klimaschutzgesetz als weiteres Ziel Netto-Null hinzugekommen. Wie Gemeinden beides unter einen Hut bringen, zeigt das Beispiel von Klosters.
Als sich der Gemeindevorstand als Exekutive von Klosters am 14. Februar 2023 im Rathaus zur Sitzung traf, verabschiedete er ein für die rund 4700 Einwohnerinnen und Einwohner zukunftsweisendes Geschäft: das «Leitbild Energie und Klima». Seit 2009 gibt es schon das generelle «Leitbild der Gemeinde Klosters». Es legt unter anderem ein Bekenntnis zu einer ökologischen, energiebewussten Entwicklung und zur 2000-Watt-Gesellschaft ab und «begleitet den Vorstand täglich bei seiner Arbeit», wie Gemeindepräsident Hansueli Roth sagt. Das «Leitbild Energie und Klima» hält nun konkrete Ziele fest.
So soll zum Beispiel die Energieversorgung im Jahr 2050 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien und ohne Treibhausgasemissionen ausgestaltet sein. Damit ist keineswegs nur Strom gemeint. Auch beim Wärmebedarf für Geschäfts- und Wohnräume – dem grössten Brocken in der Energiebilanz – gilt diese Vorgabe, desgleichen beim Verkehr und bei der Prozessenergie für Gewerbebetriebe. «Die Gemeinde geht mit gutem Beispiel voran», hält das Leitbild fest: «Bis 2035 sollen alle kommunalen Gebäude ohne Öl und Erdgas beheizt werden.» Das senkt die Treibhausgase und leistet einen Beitrag, um das Ziel Netto-Null zu erreichen, das seit dem Klimagesetz gilt.
Mit einer reinen Verlagerung weg von fossilen Energieträgern ist es aber nicht getan. Nötig sind auch Effizienzgewinne. Florian Thöny, Mitglied des Gemeindevorstands und Präsident der kommunalen Energiekommission, erklärt: «Wir optimieren nun im Tätigkeitsbereich der Gemeinde die Prozesse und die vorhandene Infrastruktur sowie den Maschinen- und Fahrzeugpark.» Der Gemeindevorstand will den Energieverbrauch auf dem Gemeindegebiet bis zum Jahr 2050 um den Faktor 2,5 senken.
Energie- und Klimabilanz erstellt
Um herauszufinden, wie sich das bewerkstelligen lässt, hat Klosters erstmals eine Energie- und Klimabilanz erstellt. Die Onlineplattform www.energiereporter.ch half, die Resultate einzuordnen. Dort kann eine Gemeinde Kennzahlen mit dem gesamtschweizerischen Durchschnitt oder gezielt mit anderen Gemeinden vergleichen. In Klosters liegt der jährliche Stromverbrauch pro Kopf bei 8900 Kilowattstunden (kWh), eingerechnet ist der Strom, den Haushalte, Dienstleistungen, Industrie, Landwirtschaft und Verkehr verbrauchen. Der Wert ist hoch. Der Schweizer Durchschnitt erreicht mit 4600 kWh nur gut die Hälfte.
Die schlechte Kennzahl hat damit zu tun, dass Klosters eine touristische Gemeinde mit vielen Zweitwohnungen ist. Deren Verbrauch wird rechnerisch auf die Wohnbevölkerung verteilt, womit der Wert pro Kopf ansteigt. Das gilt auch für den Wärmebedarf zur Beheizung der Gebäude. Deshalb entschloss sich Klosters, Zweitwohnungsbesitzende auf das Thema Energie anzusprechen. Das klingt nicht belehrend, sondern einladend: «Zuschlagen und bis zu 60 Prozent Ihrer Heizkosten sparen.» Die Gemeinde motiviert an Anlässen oder über die Presse, das Onlinetool Makeheatsimple.ch zu nutzen. Es zeigt auf, wie viel Energie sich mit einer Fernbedienung für die Heizung sparen lässt und wie rasch sich der Einbau auszahlt. «Auch vermeintlich kleine Massnahmen sind Teil der Lösung. Gerade auch, weil sie oft einfach und schnell umsetzbar sind», erklärt Florian Thöny.
Energie aus Wasser und Holz
Die Gemeinde hat bereits konkrete Massnahmen angestossen und Projekte umgesetzt, um ihr eigenes Potenzial besser auszuschöpfen. Ein Beispiel dafür ist die Abwasserreinigungsanlage. Dort wird die Entweichung von Klärgasen wirksamer verhindert und das anfallende Methan zur Energiegewinnung genutzt. Bei der Trinkwasserversorgung wiederum lohnte es sich, in eine Arsen absorbierende Anlage zu investieren. In der Folge konnte eine Grundwasserfassung mit den dazugehörigen stromfressenden Pumpen abgestellt werden.
Der Gemeindevorstand ist bestrebt, die Produktion aus einheimischen erneuerbaren Energiequellen anzukurbeln, um die ganzjährige Versorgungssicherheit zu stärken. So liefert die Trinkwasserversorgung tagein, tagaus erneuerbaren Strom: Bislang schoss das Wasser von den hoch gelegenen Fassungen mit so viel Druck ins Tal herunter, dass energievernichtende Drosselventile nötig waren; diese wurden durch Trinkwasserturbinen ersetzt, die Generatoren antreiben. Zwei solche Trinkwasserkraftwerke sind bereits in Betrieb, eine dreistufige Anlage soll 2024 den Betrieb aufnehmen.
Ein weiterer lokaler Energieträger ist Holz. Im Dorfkern wurde beim Neubau der Schulanlage Klosters Platz ein Fernwärmenetz installiert, das mit Holzschnitzeln aus den heimischen Wäldern betrieben wird. Private Liegenschaften partizipieren daran, und das Netz wird laufend erweitert.
Alpine Solaranlage geplant
Zusammen mit dem Energieversorger Repower plant die Gemeinde zudem eine alpine Solaranlage im Skigebiet Madrisa auf 2000 Metern über Meer mit einer Jahresproduktion von 18 Gigawattstunden, was dem Verbrauch von etwa 3500 Haushalten entspricht. Zum Vergleich: Klosters selbst zählt 2166 Haushalte. Der Standort weit über dem Winternebel erlaubt insbesondere dann eine hohe Stromausbeute, wenn die Bergbahnen und Skilifte hohen Bedarf haben. Ein weiterer Vorteil: Das Gebiet ist erschlossen und liegt in direkter Nähe zur bestehenden Tourismusinfrastruktur. Das Stimmvolk hat am 22. Oktober 2023 dem Bau der Anlage mit dem Dienstbarkeitsvertrag im Grundsatz zugestimmt sowie die finanzielle Beteiligung der Gemeinde an der Anlage gutgeheissen. Das Baugesuch ist in der Ausarbeitung und soll zeitnah eingereicht werden.