Ein Pöstler bei der Arbeit, 1958.

Mit der Post kam der Bundesstaat in die Gemeinden

13.08.2024
7-8 | 2024

Vor 175 Jahren wurden die verschiedenen kantonalen Postdienste unter dem Dach des neu entstandenen Bundesstaats zu einer Organisation zusammengefasst: Die Schweizerische Post war geboren. Rasch entwickelte sich ein dichtes Poststellennetz in den Gemeinden. Die Post war dort nicht nur Dienstleisterin, sondern auch ein Symbol des neuen Bundesstaats. Heute ist die Entwicklung gegenläufig: Immer mehr Poststellen verschwinden – unter grossem Widerstand der Politik.

Poststrasse, Postgasse, Postplatz: Die Post ist in den Schweizer Gemeinden allgegenwärtig. Längst hat nicht mehr jedes Dorf eine Post – doch die Namen haben überdauert.

Als 1848 der Schweizerische Bundesstaat entstand, bestand bereits seit Jahrhunderten ein Postsystem. Dieses war aber dezentral geregelt: Um 1840 gab es 17 verschiedene Postverwaltungen auf dem Gebiet der Schweiz, was den Service langsam und teuer machte. Mit dem neuen Bundesstaat sollte sich das ändern, denn in der Bundesverfassung wurde das Postwesen zur Zuständigkeit des Bundes erklärt. 1849 wurde im Bundesgesetz über die Organisation der Postverwaltung die Post in elf Postkreise mit je eigener Direktion eingeteilt. Ihre Aufgaben: der Transport von Briefen und Paketen sowie der Personentransport mit der Postkutsche.

Der Personentransport war der wichtigste Betriebszweig der Post. Reisten die Passagiere anfangs noch in Pferdekutschen, nahm die Post 1906 die erste Postautolinie zwischen Bern und Detligen in Betrieb. Die letzte reguläre Postkutsche fuhr bis 1961 in Graubünden auf der Linie Avers–Juf.

Wichtige Präsenz

Die Schweizerische Post hatte dank dem Personentransport, aber auch dank der Poststellen rasch eine grosse Präsenz im neuen Bundesstaat. Gab es um 1850 rund 1500 Poststellen in der ganzen Schweiz, wuchs diese Zahl bis 1912 auf 4000 an. Anfang des 20. Jahrhunderts verfügte also fast jede Gemeinde der Schweiz über eine oder sogar mehrere Poststellen.

Die Bevölkerung musste in der Anfangszeit dank bis zu sechs Zustellungen pro Tag nicht besonders lange auf einen Brief oder ein Paket warten. Bis 1924 gab es sogar noch eine Zustellung am Sonntag. Möglich machten dies die unzähligen Postangestellten: 1850 waren es rund 2800. Die Post war damit eine der grössten Arbeitgeberinnen im Land.

Die Post wurde zu einem wichtigen staatsbildenden Element im noch jungen Bundesstaat. Ihre Postkutschen und Poststellen trugen das Schweizer Kreuz in die hintersten Winkel des Landes, und sie war dank ihrer Dienstleistungen ein sehr direkter Berührungspunkt zwischen dem Bundesstaat und den Gemeinden und ihrer Bevölkerung. Das verdeutlichte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit zahlreichen repräsentativen Postbauten im ganzen Land: zum Beispiel mit den Postgebäuden in St. Gallen oder Genf, aber auch in kleineren Orten wie Sarnen oder Schwyz.

Beamte der Bahnpost, die 1857 eingeführt wurde.

Postkutsche auf dem Furkapass zwischen 1905 und 1915.

Poststelle in Hombrechtikon (ZH), 1910.

Klausenpost-Postkutsche, ca 1917.

Pöstler mit Velo, ca 1920.

Automobilpostbüro, 1937.

Pöstler unterwegs mit dem Velo, 1958.

Postbeamtin am Schalter, 1964.

Strukturwandel im 20. und 21. Jahrhundert

Die Geschichte der Post ist eng verbunden mit technologischen Innovationen, aber auch dem Wandel der Gesellschaft. Das zeigen besonders die Entwicklungen im 20. und 21. Jahrhundert. Von 1920 bis 1928 wurde die Post schrittweise mit der Telegrafen- und Telefonverwaltung des Bundes zusammengeführt, die PTT entstand. Sie prägte die Schweiz des 20. Jahrhunderts, bis sich 1998 die Wege mit der Gründung der Swisscom wieder trennten.

Die Swisscom baut im 21. Jahrhundert die Grundversorgung mit dem Internet aus, was wiederum die Post betrifft: Die Kommunikation verlagert sich in die digitale Welt, es werden immer weniger Briefe verschickt. Der Paketversand nimmt hingegen insbesondere seit der Coronapandemie und dem Boom des Internethandels massiv zu.

2001 plante die Post erstmals einen grösseren Abbau von Poststellen, von 3500 auf 2500. In den Jahren darauf folgten weitere Schliessungen. 2023 gab es noch 769 eigenbetriebene Poststellen in der Schweiz, vor Kurzem kündigte die Post einen weiteren Abbau von 170 Poststellen an. Die Post setzt mehr und mehr auf Partnerschaften mit Dorfläden und punktuell auch Gemeindeverwaltungen, welche die Basisdienstleistungen der Post anbieten.

Die Reduktion der Poststellen löste und löst immer noch grossen politischen Widerstand aus. Besonders die peripheren Gebiete fürchten, dass sie abgehängt werden. Das ist auch bei den zuletzt angekündigten Abbauplänen nicht anders: Eine Motion der nationalrätlichen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen fordert derzeit, dass der Grundversorgungsauftrag der Post auf Gesetzesebene geklärt wird, bevor weitere Abbauschritte vorgenommen werden.

Vor dem Hintergrund der Geschichte der Post dürfte dieser Widerstand nicht allein mit den wegfallenden Dienstleistungen zu tun haben. Mit den Poststellen fällt auch die Repräsentation des Bundesstaats in den Gemeinden weg. Was bleibt, sind die Strassennamen: Poststrasse, Postgasse, Postplatz.

Chronologie:

1849: Geburtsstunde der Schweizerischen Post

1850: Die erste schweizweit gültige Briefmarke wird eingeführt

1906: Das erste Postauto fährt

1906: Der Zahlungsverkehr via Post wird eingeführt

1920: Zusammenschluss mit den Telefon- und Telegrafenbetrieben zur PTT

1964: Einführung der Postleitzahlen

1991: Einführung der A- und B-Post

1998: Auflösung der PTT, daraus entstehen Post und Swisscom

2004: Liberalisierung des Brief- und Paketmarktes

2024: 175 Jahre Post: Die Post feiert mit verschiedenen Anlässen für die Bevölkerung: https://www.post.ch/de/ueber-uns/portraet/175-jahre-post

Nadja Sutter
Chefredaktorin «Schweizer Gemeinde»