Der Gemeindeverbund «Région Morges» bezieht die Böden in die Raumplanung mit ein.

Mit Böden planen: Die Region Morges machts vor

13.11.2023
11 l 2023

Anpassung an den Klimawandel, urbane Lebensqualität – was, wenn die Lösung dafür unter unseren Füssen liegt? «Région Morges» hat Tools entwickelt, um die Böden in die Planung zu integrieren – sie sind auch für andere Gemeinden verfügbar.

Die Region rund um Morges (VD) am Genfersee steht stark unter Druck: Wegen der demografischen Entwicklung steigt der Platzbedarf für Urbanisierung und Infrastruktur stetig an. «Wenn sie richtig verstanden wird, kann die demografische Entwicklung dazu beitragen, eine qualitativ hochwertige Lebensumgebung für die Bevölkerung zu schaffen», sagt Guillaume Raymondon, Ingenieur beim Gemeindeverbund «Région Morges». Er ist überzeugt, dass die Böden eine wesentliche Rolle bei der Schaffung von qualitativ hochwertigen Lebensräumen spielen. Aus diesem Grund haben die zehn Gemeinden von «Région Morges» ein Pilotprojekt gestartet, damit die Bodenqualität in Planungsprozesse integriert werden kann.

Böden im Dienst der Raumplanung

Böden werden in der Raumplanung selten berücksichtigt. Dabei können sie eine Vielzahl von wichtigen Aufgaben übernehmen, zum Beispiel Hitze reduzieren und vor Überschwemmungen schützen, oder dabei helfen, Begrünungsstrategien von Gemeinden besser umzusetzen. «Ein Boden, der das Wasser schnell versickern lässt, wird kaum einen schönen grünen Rasen hervorbringen, sondern eher eine Wiese mit für diesen Boden geeigneteren Pflanzen», sagt Guillaume Raymondon.

Drainierende Böden können hingegen den Oberflächenabfluss bremsen, indem sie das Regenwasser schnell versickern lassen. Der Einbezug von Sickerwasser in die Planung reduziert das Risiko von Überschwemmungen. «Die Dimensionierung von Kanälen, die extreme Regenfälle aufnehmen können, wird viel teurer sein, als sich auf durchlässige und unverdichtete Böden zu verlassen, die den Regen auf natürliche Weise versickern lassen», kommentiert Guillaume Raymondon. Viele Wege zur Anpassung an den Klimawandel sind daher untrennbar mit dem Schatz unter unseren Füssen verbunden. Es ist wichtig, dass er nicht unter Beton oder Asphalt verschwindet.

Instrumente, um den Böden eine Stimme zu geben

Guillaume Raymondon ist der Meinung, dass die öffentlichen Behörden geeignete Instrumente entwickeln müssen, um die Raumplanung zu steuern. Die derzeitigen Instrumente seien lückenhaft, da sie die Böden und ihre Funktionen nicht ausreichend berücksichtigten.

Der Bodenqualitätsindex (BodenQI) ist ein solches Instrument. Im Rahmen eines Pilotprojekts testet ihn «Région Morges» und bezieht die Böden bei Planungsprozessen mithilfe von Hinweiskarten, die den BodenQI darstellen, ein. Auf diese Weise können die Gemeinden des Verbundes die Herausforderungen im Zusammenhang mit Böden bereits zu Beginn eines Planungsprozesses erkennen und die Qualität der Böden erhalten. Ihr Ziel ist es, sich konkrete Ziele zur Vermeidung, Begrenzung und Kompensation möglicher Auswirkungen auf die Böden zu setzen und diese der Bevölkerung mitzuteilen.

«Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass es einen allgemeinen Bedarf gibt, bodenbezogene Themen zugänglich zu machen.»

Guillaume Raymondon, Ingenieur beim Gemeindeverbund «Région Morges»

Die Pilotprojekte zum Bodenqualitätsindex sind von Sanu Durabilitas, einem Think and Do Tank für nachhaltige Entwicklung, initiiert. Neben dem Pilotprojekt der «Région Morges» gibt es zwei weitere, eines im Kanton Freiburg und eines im Kanton Bern. In Freiburg geht es um das Gebiet Chamblioux-Bertigny, das zu einem neuen städtischen Zentrum zwischen Givisiez, Granges-Paccot, Villars-sur-Glâne und Freiburg entwickelt werden soll. Das Pilotprojekt zielt darauf ab, den Bodenqualitätsindex in einem frühen Stadium der Planung neuer Stadtviertel zu integrieren, um den Verlust an Bodenqualität zu begrenzen. Das Berner Pilotprojekt wird in der Justizvollzugsanstalt Witzwil umgesetzt. Das Gefängnis befindet sich im Grossen Moos und ist gleichzeitig einer der grössten landwirtschaftlichen Betriebe der Schweiz. Die Herausforderungen bezüglich Biodiversität sowie Verarmung und Aufwertung von Böden stehen im Mittelpunkt. Der Bodenqualitätsindex soll als Grundlage für Entscheidungen zur landwirtschaftlichen Produktivität des Geländes und seiner Zukunft dienen.

Pionierprojekte

Die Träger der Pilotprojekte sind Pioniere. Im Gemeindeverbund «Région Morges» hat das Projekt die unterschiedlichsten Partner an einen Tisch gebracht: Raumplanerinnen und Raumplaner, Stadtverwaltung, Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten – mit den unterschiedlichsten Bodenkenntnissen. Für Guillaume Raymondon war es manchmal eine Herausforderung, die grundlegenden Themen anzusprechen, ohne sie zu komplex zu machen. Aber der Prozess war gleichzeitig auch sehr bereichernd: «Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass es einen allgemeinen Bedarf gibt, bodenbezogene Themen zugänglich zu machen», sagt er.

Interaktive Hinweiskarten

Um den Bodenqualitätsindex interaktiv und anpassungsfähig zu machen, entwickelte «Région Morges» in Zusammenarbeit mit Hochschulen (HEIG-VD, HEPIA-GE, HEIA-FR) ein Set von drei GIS-basierten Tools (GIS = geografisches Informationssystem). Das erste Tool generiert Bodenqualitätskarten für die zehn Waadtländer Gemeinden. Diese sogenannten Bodenqualitätsindex-Indikatorkarten unterstützen die Entscheidungsfindung bei der Planung. Das zweite Tool ermöglicht eine manuelle Anpassung der Karten, und das dritte Tool simuliert die Auswirkungen von Planungsprojekten auf die Böden der Gemeinden.

Die Tools der «Région Morges» und die daraus resultierenden Bodenqualitätsindizes sind nun bereit für die praktische Erprobung. Sie werden bereits in einem Projekt zur Neuordnung von Grundstücken eingesetzt und können mit Unterstützung der Hochschulen auch auf andere Gemeinden übertragen werden.

Carole Imhof
sanu durabilitas