Im neuen Verwaltungsgebäude der Stadt Thun (BE) gibt es Zonen für ruhiges und solche für lautes Arbeiten. Die Mitarbeitenden wählen den Bereich, der zu ihrer Tätigkeit passt.

Mehr Gestaltungsfreiraum durch flexible Formen der Arbeitsorganisation

10.05.2024
5 | 2024

Mobil-flexibles Arbeiten bietet zeitliche und örtliche Flexibilität im Arbeitsalltag und ermöglicht eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Gemeinde- und Stadtverwaltungen, die flexible Formen der Arbeitsorganisation bewusst einsetzen, können sich als attraktive Arbeitgeber positionieren. Die Stadt Thun (BE) hat sich dazu entschieden, flexible und moderne Arbeitsformen gezielt zu fördern.

Die Arbeitswelt wandelt sich durch die Digitalisierung rasant. Hinzu kommt der gesellschaftliche Wertewandel, der neue Anforderungen an die Arbeit stellt und den Wunsch nach mehr Gestaltungsfreiheit aufkommen lässt. Die Stadt Thun (BE) möchte die Chancen der digitalisierten Arbeitswelt nutzen und hat mit vier Abteilungen ein Pilotprojekt gestartet. Durch die Förderung flexibler Arbeitsformen räumt die Stadt ihren Mitarbeitenden mehr Spielraum ein. Homeoffice soll allen Mitarbeitenden ermöglicht werden, sofern es der Betrieb zulässt. Das Personalamt empfiehlt, mit den entsprechenden Mitarbeitenden eine schriftliche Vereinbarung abzuschliessen und nicht mehr als 50 Prozent des Pensums im Homeoffice zu arbeiten.

Laut Joëlle Bühler, Leiterin des Personalamts im Topsharing der Stadt Thun, wird Homeoffice rege genutzt. Dazu kommt die Möglichkeit, flexibel innerhalb der verschiedenen Verwaltungsgebäude in Thun zu arbeiten. «Wir setzen diese Möglichkeit in der Rekrutierung und der Angebotsgestaltung für zukünftige Mitarbeitende gezielt ein. Sie bietet aktuellen wie auch zukünftigen Mitarbeitenden Flexibilität und den Freiraum, ihre Arbeitsorganisation entsprechend zu planen. So können Arbeiten, die viel Konzentration und Ruhe erfordern, im Homeoffice oder in Co-Working-Arbeitsplätzen für stilles Arbeiten erledigt werden. Die Pflege von sozialen Kontakten steht dagegen in den Büroräumlichkeiten im Vordergrund.»

Die Mitarbeitenden der Stadt Thun sind hauptsächlich auf drei Standorte verteilt. Eines der Pilotprojekte für flexibles Arbeiten wurde im Erweiterungsbau an der Industriestrasse umgesetzt. Die Räumlichkeiten und rund 70 Arbeitsplätze sind personenunabhängig aufgebaut und bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten für die Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Zusammenarbeit.

«Ein Modell der Zukunft»

Für Joëlle Bühler fällt die bisherige Bilanz positiv aus. «Mit einer modernen Arbeitsgestaltung kann die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben flexibler gestaltet werden. Sie ist in der heutigen Zeit nicht nur ‹nice to have›, sondern ein Must-have. So kann in der Kinderbetreuung beispielsweise einfacher der Lunch für die gesamte Familie serviert werden, oder die Kinder können flexibler von der Tagesbetreuung abgeholt werden.» Aber auch für zeitintensive Hobbys könne mit einer flexibleren Arbeitsgestaltung die Zeit entsprechend effektiver genutzt werden.

Die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten, kann auch die Umsetzung weiterer Arbeitsformen unterstützen und die Zusammenarbeit abteilungsübergreifend nachhaltig fördern: Joëlle Bühler arbeitet seit rund einem halben Jahr im Topsharing, in dem sie die Leitung des Personalamts mit einem Stellenpartner teilt. «Für unsere gemeinsamen Absprachen und die Koordination kommen uns die flexiblen Arbeitsformen und Homeoffice sehr entgegen.»

Diese Möglichkeiten werden im Personalamt seit dem Umzug in den Thunerhof ebenfalls erfolgreich praktiziert. Hybride Meetings wie auch eine gezielte Arbeitsorganisation stehen im Vordergrund und werden durch das Team im Personalamt vorgelebt. Joëlle Bühler freut sich, dass sie ihren Job, den sie vor ihrer Mutterschaft in einem 90-Prozent-Pensum bestritt, heute zu 60 Prozent ausüben kann: «Ich empfinde das Modell des Topsharings als bereichernd; es erweitert den Horizont, für mich persönlich und das Arbeitsumfeld. Ich bin überzeugt, dass diese Möglichkeit ein Modell der Zukunft ist und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer attraktiv macht.»

«Die moderne Arbeitswelt mit kreativen Elementen auszustatten, ist für mich zentral und nicht mehr wegzudenken.»

Joëlle Bühler, Co-Leiterin des Personalamts der Stadt Thun (BE)

Sowohl bei den flexiblen Arbeitsformen als auch im Topsharing gibt es Herausforderungen in der Umsetzung. Insbesondere zu Beginn muss sehr viel in die Organisation investiert werden. Weiter weist Bühler darauf hin, dass das Wissen im digitalen Bereich ständig erweitert werden müsse, damit das mobil-flexible Arbeiten optimal genutzt werden könne. Bei der Stadt Thun erarbeitet das Personalamt gemeinsam mit dem Kader neue Führungsinstrumente, welche die moderne Arbeitsorganisation optimal unterstützen. Punktuell werden Mitarbeitende quer durch die Organisation in den Entwicklungsprozess miteinbezogen. Dies stärkt die Glaubwürdigkeit und dadurch auch die Akzeptanz der neuen Führungsinstrumente.

Generell empfiehlt Joëlle Bühler, moderne Arbeitsformen auszuprobieren, idealerweise mit Pilotprojekten. Wichtig ist ihr auch ein pragmatischer Umgang mit schwierigen Situationen, sodass konstruktiv aus allfälligen Fehlern gelernt werden kann. «Die moderne Arbeitswelt mit kreativen Elementen auszustatten, ist für mich zentral und nicht mehr wegzudenken. Dementsprechend sollen Mitarbeitende auch im Mindset und in ihrer Einstellung dafür sensibilisiert werden.»

Tools für flexible Arbeitsmodelle

Unter https://toolbox-gemeinden.ch sind diverse kostenlose Hilfestellungen für die Einführung flexibler Arbeitsmodelle in Gemeinde- und Stadtverwaltungen zu finden. Modelle wie Topsharing oder mobil-flexibles Arbeiten ermöglichen unter anderem:

den Anteil weiblicher Führungskräfte zu erhöhen und die Gleichstellung von Frauen und Männern zu stärken

Fachkräfte zu rekrutieren, zu binden und zu fördern

das Potenzial der Mitarbeitenden auszuschöpfen und den Führungsnachwuchs sicherzustellen

die Arbeitgeberattraktivität zu steigern

Karin Freiermuth
Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Christoph Vogel
Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW
Wissenschaftlicher Mitarbeiter