Mehr Biodiversität dank einer neuen Pachtvergabe
Die Gemeinde Möriken-Wildegg nutzt die Neuvergabe der Pacht, um die Artenvielfalt auf ihrem Landwirtschaftsland zu fördern. In einem offenen Wettbewerb müssen die Bewerbenden ihre Strategien im Bereich Natur- und Landschaftsschutz ausweisen.
Manchmal bietet ein ganz gewöhnliches Ereignis Anlass für eine kleine Revolution. Vor vier Jahren liess sich in Möriken-Wildegg (AG) ein Landwirt pensionieren. Weil aus der Familie niemand den Betrieb weiterführen wollte, wurden drei Pachtparzellen der Ortsbürgergemeinde frei. Diese wollte ihr Land nun aber nicht mehr ohne Auflagen abgeben. Mit der Neuvergabe sollte eine zukunftsfähige, ökologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft gefördert werden.
Nur: Traditionellerweise wird die Vergabe von gemeindeeigenem Pachtland in Möriken-Wildegg – wie in vielen Schweizer Gemeinden – mit einem Griff in den Lossack entschieden. Die Wahrscheinlichkeit, dass der beste Kandidat das Los bekommt, ist so also ziemlich gering. Deshalb entstand die Idee, die drei Parzellen über einen Wettbewerb zu vergeben. «Alle Bewerber sollten mit einheitlichen Zuschlagskriterien verglichen und bewertet werden», erklärt Gemeinderat Beat Fehlmann, Initiant des Projekts.
Bevölkerung unterstützt das neue Verfahren
Das neue Verfahren habe für Aufruhr unter den Landwirten gesorgt, sagt Beat Fehlmann. «Aber die Bevölkerung stand immer hinter uns.» Derart bestärkt, beschloss der Rat, das Verfahren auf sämtliche Landwirtschaftsparzellen der Ortsbürger- und der Einwohnergemeinde auszuweiten. Der Kanton Aargau unterstützte das Vorhaben und stellte seine Parzellen ebenfalls unter das neue Pachtregime. Insgesamt kamen so 50 ha Agrarland zusammen. Damit eröffnete sich eine grosse Chance für die Natur: Mit dem Einbezug aller Pachtflächen kann die Gemeinde nicht nur die nachhaltige Landwirtschaft auf ihrem Gebiet stärken, auch grossräumige Vernetzungen lassen sich einfacher realisieren.
Auf den Sommer 2020 wurden alle Pachtverträge gekündigt und ein Wettbewerb ausgeschrieben. Um einen fairen, transparenten Prozess sicherzustellen, engagierte die Gemeinde ein externes Beratungsbüro. «Ohne Beratung durch Profis wären wir viel angreifbarer gewesen», erklärt Beat Fehlmann. «Die Agrofutura AG hat uns in pachtrechtlichen Belangen, aber auch bei der Erarbeitung des Kriterienkatalogs unterstützt.» Neu sollten die Bewerber auch ihre Strategie zur Förderung der Biodiversität und zur nachhaltigen Bewirtschaftung vorweisen.
Vernetzungen für Amphibien und Feldhasen
Der Katalog enthält mehrere Zulassungs- und Eignungskriterien. Am Wettbewerb zugelassen war zum Beispiel nur, wer bereit war, am kantonalen Vernetzungsprogramm Labiola teilzunehmen. Vernetzungen sieht auch das räumliche Gesamtkonzept der Gemeinde Möriken-Wildegg vor: Demnach soll für die Amphibien in der Ebene zwischen den Bünzauen und dem Chestenberg – einem Waldgebiet mit zahlreichen Bächen und Feuchtstellen – eine Querverbindung mit Tümpeln, Ast- und Steinhaufen geschaffen werden. Vorgesehen ist zudem, dass im Ackerbaugebiet typische Offenlandarten wie Feldhase und Feldlerche gefördert werden, etwa mit kräuterreichen Säumen und der «weiten Saat»: Diese führt zu breiteren Getreidereihen, in deren Lücken die Junghasen Schutz finden und die Feldlerchen nisten können. Beide Arten kamen früher im Gemeindegebiet recht häufig vor, sind heute aber kaum mehr anzutreffen.
Damit diese Ziele erreicht werden können, hat Agrofutura ökologische Aufwertungen für einzelne Pachtflächen vorgeschlagen. Über entsprechende Bewirtschaftungsauflagen sollte sichergestellt werden, dass die Massnahmen auch umgesetzt werden. «Wer sich für das Land bewarb, wusste, was auf ihn zukommt», erklärt Gemeinderat Beat Fehlmann. «Wir wollten aber nicht alles bis ins letzte Detail vorgeben», ergänzt er. Die Landwirte sollten in ihren Bewerbungsdossiers selbst aufzeigen, welche Innovationen und Strategien sie verfolgen.
Sieben Filetstücke und sieben «Kleinpäckli»
Schliesslich bewarben sich sieben der neun im Dorf ansässigen Landwirte für das Pachtland. Dieses wurde in sieben «Filetpäckli» mit begehrtem Ackerland und sieben kleinere «Päckli» mit Klein- und Kleinstflächen aufgeteilt. Die Landwirte durften dann in der Reihenfolge der Rangliste je ein Filet- und «Kleinpäckli» aussuchen. «Es gab natürlich auch Verlierer», sagt Beat Fehlmann, «aber niemand hat die Legitimität des Verfahrens grundsätzlich infrage gestellt.»
Auf einer Tour über die Möriker Ebene zeigt sich, was in den letzten zwei Jahren bereits realisiert wurde: Auf mehreren Parzellen stehen die Getreidereihen ungewöhnlich weit auseinander; mitten im Landwirtschaftsgebiet finden sich Tümpel, Kopfweiden, Hecken, Ast- und Steinhaufen. «Wir sind auf einem guten Weg», erklärt Gemeinderätin Brigitte Becker Steimen, die das Dossier Landschaft vor einem Jahr von Beat Fehlmann übernommen hat. Das Projekt stosse auch bei anderen Gemeinden auf Interesse, erzählt sie. «Die Gesellschaft wünscht sich schöne und artenreiche Landschaften. Als Verpächter von Landwirtschaftsland verfügen die Gemeinden über grosse Hebel.»
Kostenloses Beratungsangebot für Gemeinden
Pro Natura unterstützt interessierte Gemeinden, Stiftungen und private Grundeigentümer dabei, die Biodiversität auf dem verpachteten Landwirtschaftsland zu fördern und die Verträge entsprechend anzupassen. Bei Bürgergemeinden und Korporationen übernimmt Pro Natura die Koordination und die Kosten für das Vorprojekt. Dieses beinhaltet folgende Arbeiten:
– Pro Natura vermittelt Sie an eine passende Fachberatung in Ihrer Region.
– Die Fachberatung stellt die konkreten Grundlagen und Rahmenbedingungen zusammen.
– Die Fachberatung erarbeitet einen Vorschlag für den Projektablauf, der eine Einschätzung von Zeitaufwand und Kosten sowie einen möglichen Zeitplan beinhaltet.
Die Ergebnisse des Vorprojekts bieten die Grundlage für Ihren Entscheid, ein Projekt zur Förderung der Biodiversität auf landwirtschaftlichem Grundeigentum durchzuführen.
Erfahren Sie mehr: www.pronatura.ch/de/biodiversitaet-verpachten
mailbox@pronatura.ch oder 061 317 91 91