Mathias Zopfi: Ein Grüner aus dem Dorf wird Präsident des SGV
Die Generalversammlung 2024 markiert eine Zeitenwende für den Schweizerischen Gemeindeverband: Mit dem Glarner Ständerat Mathias Zopfi übernimmt erstmals ein Grüner das Verbandspräsidium. Er tritt die Nachfolge von Hannes Germann an, welcher den Verband nach 25 Jahren im Vorstand verlässt. Die beiden sinnierten an der Generalversammlung über die Gemeinden im Wandel der Zeit.
Eine passende Analogie zum Thema der Generalversammlung des Schweizerischen Gemeindeverbands (SGV) 2024 «Gemeinden im Wandel der Zeit»: Als Hannes Germann 2002 in den Ständerat gewählt wurde, war Mathias Zopfi gerade volljährig geworden. Sechs Jahre später wurde Germann zum Präsidenten des Schweizerischen Gemeindeverbands gewählt. Und 22 Jahre später ist Mathias Zopfi selbst Ständerat, und tritt nun in die Fussstapfen von Hannes Germann als SGV-Präsident. Es sind grosse Fussstapfen: 25 Jahre lang war der Schaffhauser Ständerat im Vorstand des Schweizerischen Gemeindeverbands, davon 16 Jahre als Präsident.
An der Generalversammlung des SGV in Neuhausen am Rheinfall (SH) vom 20. Juni blickten beide aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Gemeinden, ergänzt von einem Vortrag des Politgeografen Michael Hermann. Hannes Germann erinnerte an den Gemeindeartikel in der neuen Bundesverfassung, die 2000 in Kraft trat, also ein Jahr, nachdem er in in den Vorstand des Gemeindeverbands eintrat. Der Artikel garantiert den Gemeinden, und damit dem Verband, eine Mitsprache in der Bundespolitik. Seither hat der SGV unzählige Stellungnahmen zu politischen Geschäften verfasst und wirkt in zahlreichen Gremien auf Bundesebene mit.
Spannungsfeld zwischen Stadt und Land
Zahlreiche Gemeinden befinden sich aktuell im Spannungsfeld zwischen Stadt und Land, wie der Vortrag von Politgeograf Michael Hermann aufzeigte. Zwar steigt in der Praxis der Druck auf die Städte, wie die aktuelle Wohnungsknappheit gerade in urbanen Gebieten zeigt. Gleichzeitig wünschen sich fast die Hälfte aller Schweizerinnen und Schweizer, auf dem Land zu wohnen. Jene, die das tun, möchten sich nicht primär in einer bestimmten Gemeinde niederlassen, sondern suchen nach ihrem Wunschhaus.
«Sie ziehen nicht in eine Gemeinde, weil sie sich dort engagieren wollen oder Teil der Gemeinschaft sein möchten, sondern weil die Wohnung ideal gelegen ist», führte Michael Hermann aus. Das führe zu Herausforderungen für die Gemeinden. Der Politgeograf nannte diese Entwicklung eine «Entdörflichung des Dorfes». Gleichzeitig komme es zu einer Verdörflichung der Stadt, wo urbane Quartiere regelrechte Dorfplätze entwickeln und die Gemeinschaft pflegen. Michael Hermann plädierte in seinem Vortrag für einen Austausch der urbanen und ländlichen Gebiete, um diese Trends gemeinsam anzugehen.
Die handfeste Gemeindepolitik
Ob er als Grüner nicht eher den urbanen Städteverband präsidieren müsse, fragte Moderatorin Nathalie Christen den neuen Präsidenten Mathias Zopfi. Er stamme aus einem Dorf, genauer Engi im Glarnerland, konterte dieser, und fügt an: «Solche Schubladisierungen sind interessant, wenn es um die Statistik geht, aber es gibt zum Glück auch Fälle, die aus der Statistik ausscheren.» Zopfi engagierte sich bereits als Jus-Student in der Gemeindepolitik. «Ich fühle mich dem Konkreten, Handfesten, Überparteilichen der Gemeindepolitik verbunden und verpflichtet.»
In dieser Funktion lernte er auch früh mit Niederlagen umzugehen. Als Student war er gegen die Pläne für die grosse Fusion der Gemeinden in Glarus – von rund zwei Dutzend zu noch drei Gemeinden. «Ich war damals der Meinung, dass dadurch die Gemeindeautonomie verletzt würde.» Doch die Fusion kam, und Mathias Zopfi arrangierte sich damit, ja, er trat in den Gemeinderat der neuen Gemeinde Glarus Süd ein.
Heute sieht er die Vorteile der Fusion, gerade im Bereich Raumplanung, wo mit grösseren Strukturen sinnvoll geplant werden kann. Oder auch bei der Professionalisierung der Verwaltung. «Grundsätzlich sollten bei einer Fusion nicht die Kosten im Vordergrund stehen, sondern der Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger.»
Gemeindeautonomie konsequent verteidigen
Seinen Hauptfokus möchte Mathias Zopfi in seiner neuen Funktion als SGV-Präsident auf die Gemeindeautonomie legen. «Diese gilt es immer wieder konsequent zu verteidigen.» Die Gemeinden und der Gemeindeverband dürften dabei durchaus selbstbewusst auftreten: «Nur wenn wir die Gemeindeautonomie konsequent einfordern, können wir sie auch verteidigen.»
Thematisch liegt ihm die Nachhaltigkeit am Herzen. «Der SGV sollte gerade im Umgang mit dem Klimawandel eine Rolle spielen.» Hier, aber auch in anderen Themen sieht er den Verband in einer wichtigen Vermittlerrolle; er könne ein Forum für den Austausch zwischen den Gemeinden bieten und Menschen zusammenbringen. Das Überparteiliche reizt den neuen Präsidenten denn auch an seiner Aufgabe. «Der Vorstand ist breit aufgestellt. Wie in einem guten Gemeinderat, findet sich hier das ganze Parteienspektrum wieder. Man gewinnt und verliert als Team, als Kollegialbehörde.»
Portrait
Mathias Zopfi (Jahrgang 1983) ist in Engi, heutige Gemeinde Glarus-Süd, aufgewachsen und wohnt dort noch heute mit seiner Frau und zwei Töchtern. 2019 ist der Grünen-Politiker in den Ständerat gewählt worden. Von 2010 bis 2022 war er Gemeinderat von Glarus-Süd und von 2015 bis 2022 Gemeindevizepräsident. Seit 2011 politisiert er zudem im Landrat. Der Jurist arbeitet neben seiner politischen Tätigkeit als Anwalt und Notar in Glarus. In seiner Freizeit jasst und wandert er gerne.