Die Stadt Luzern will die Umweltauswirkungen der eingekauften Güter verringern.

In Luzern muss auch die Handseife nachhaltig sein

19.04.2022
4 | 2022

In Zusammenarbeit mit den Einkaufsverantwortlichen, der Finanzdirektion und der Dienstabteilung Umweltschutz hat die Stadt Luzern eine Richtlinie für die nachhaltige Beschaffung erarbeitet. Die Einführung der Richtlinie zeigt bereits Wirkung – auch bei den Lieferantinnen und Lieferanten.

25 Park- und Grünanlagen, 16 Familiengartenanlagen und rund 11 000 Stadtbäume: An Grünraum mangelt es in der Stadt Luzern nicht. Und er ist hochwertig, denn seit 2017 darf sich die Stadt «Grünstadt Schweiz» nennen und orientiert sich bei der Beschaffung von Garten- und Grünprodukten an den Vorgaben dieses Labels für nachhaltiges Stadtgrün. So stammt ein Grossteil der Stadtpflanzen aus biologischem Anbau, es kommt torffreie Erde zum Einsatz, und die Arbeitskleidung der Stadtgärtnerei-Mitarbeitenden erfüllt ökologische und soziale Kriterien.

Festgehalten sind die Grundsätze für eine nachhaltige Beschaffung der Stadt Luzern in einer vom Stadtrat im Juni 2020 beschlossenen Richtlinie. Mit einer ambitionierten Netto-null-Strategie bis 2040, dem Aktionsplan «Luft, Energie, Klima 2015» und dem Bewusstsein über die eigene Vorbildfunktion ging die Stadt das umfassende Thema der nachhaltigen Beschaffung aktiv an. Die Projektleiterin Sibylle Sautier aus dem Team Luftreinhaltung, Klimaschutz, Energie erinnert sich an die Anfänge: «Wichtig waren uns zum einen die Rückendeckung des Stadtrats und der Finanzdirektion. Zum anderen haben wir uns die Zeit genommen, die Erstkontakte mit allen Beteiligten sorgfältig herzustellen und ihnen Verantwortung zu übertragen. So entwickelte sich eine echte interdisziplinäre Zusammenarbeit.»

Kein Tropenholz beim Büromobiliar

Von Fahrzeugen, Reinigungsmitteln, Toilettenpapier, Büromaterialien und Leuchtmitteln über Treibstoffe oder Heizöl bis hin zur IT-Infrastruktur, zu Textilien, Spielgeräten oder eben Grünprodukten – die Richtlinie legt mit konkreten Kriterien fest, worauf beim Einkauf zu achten ist, um die Klima- und Nachhaltigkeitsziele der Stadt zu erreichen.

So sollen keine Reinigungsmittel mit gewässergefährdenden Inhaltsstoffen wie Phosphor oder schlecht abbaubaren Tensiden zum Einsatz kommen. Treibmittel in Sprays sind genauso ein Ausschlusskriterium wie tropische Hölzer bei den Büromöbeln. Handseifen müssen ein Umweltzeichen wie den Blauen Engel besitzen, und neue Fahrzeuge sind wann immer möglich elektrisch angetrieben.

Ersetzt werden die Produkte allerdings erst, wenn sie aufgebraucht sind oder ihr Lebensende erreicht haben – zum Beispiel Leuchtmittel. Sind ökologische Alternativen teurer, entscheiden die Dienstabteilungen innerhalb ihres Budgets. Eine Ausnahme bilden die Gasheizungen: Da ein Umstieg auf Biogas eine Verdoppelung der Kosten nach sich ziehen würde, wird dieses Geld stattdessen in den Umstieg auf fossilfreie Heizsysteme investiert.

WC-Papier darf nur umweltschonend angeliefert werden

Luzern setzt auf umweltschonenden Transport statt auf grosse Lager: So wird beispielsweise das WC-Papier – von dem die Stadt pro Jahr rund 80 000 Rollen verbraucht und das zu 100 Prozent aus Recyclingpapier bestehen muss – regelmässig angeliefert. Aus diesem Grund fordert bereits die Ausschreibung, dass die Transportfahrzeuge mindestens der Abgasnorm «EURO 5» entsprechen müssen.

Bei genauem Hinsehen fällt auf, dass das Thema Verpflegung nicht Teil der Richtlinie ist. Sautier klärt auf: «Die städtischen Schulen und Heime beschaffen die Lebensmittel selbstständig. Sie haben eigene Nachhaltigkeitskonzepte und streben das Label ‹Fourchette verte› an, ein Qualitätslabel für gesunde Ernährung.» Für weniger Food Waste werden beispielsweise die Schülerinnen und Schüler zu ihren Essensvorlieben befragt.

Elf Luzerner Gemeinden tauschen sich aus

Sorgte die Idee der nachhaltigen Beschaffung noch vor einigen Jahren vielerorts für Stirnrunzeln, stösst sie heute auf mehr Verständnis. Das stellt Sautier auch bei den städtischen Einkäuferinnen und Einkäufern fest: «Die Rückmeldungen sind äusserst positiv, ich spüre eine grosse Motivation, und wir pflegen einen guten Austausch.»

Doch nicht nur die Kommunikation in den eigenen Reihen ist wichtig, auch der Austausch mit anderen Städten und Gemeinden ist unabdingbar: In der Regionalkonferenz Umweltschutz (RKU) tauschen sich elf Luzerner Gemeinden aus und rufen gemeinsame Projekte ins Leben. 2022 nimmt sich die RKU in einem Projekt der nachhaltigen Beschaffung an. «Ich erkundige mich gerne bei den Nachhaltigkeitsverantwortlichen anderer Städte, wie sie bestimmte Herausforderungen angehen», so Sautier, die sich auch im Vorstand der Interessengemeinschaft nachhaltige öffentliche Beschaffung (IGÖB) engagiert (siehe Kasten «IGÖB»).

Routiniert in die nachhaltige Zukunft

Die Einführungsphase der Richtlinie neigt sich dem Ende zu. Nun gilt es, zahlreiche qualitative und quantitative Daten auszuwerten. Ist die Beschaffungsrichtlinie verständlich formuliert, wo entstanden Missverständnisse, muss der Text angepasst werden? Befragungen der Beschaffungsverantwortlichen geben Aufschluss: Wurde beispielsweise beim Einkauf neuer Arbeitskleidung das Textilienmerkblatt berücksichtigt und, falls nicht, was waren die Gründe?

Das Projekt ziehe bereits Kreise, freut sich Sautier: «Unser Büromateriallieferant hat uns nicht nur eine praktische Einkaufsliste mit umweltfreundlichen Produkten zusammengestellt, sondern gleich sein gesamtes Sortiment hinsichtlich Nachhaltigkeit unter die Lupe genommen.»

Für die Zukunft geht es Sautier nun darum, Routine aufzubauen. Während die Einkaufsverantwortlichen ihr Wissen festigen und Erfahrung sammeln, wird Sautier die Fühler weiterhin schweizweit ausstrecken, um interessante Entwicklungen nach Luzern zu holen: «Den Grundstein für ein nachhaltiges Beschaffungswesen haben wir erfolgreich gelegt, und ich freue mich auf viele weitere interessante Aufgaben.»

Interessengemeinschaft will nachhaltige Beschaffung fördern

Die Interessengemeinschaft nachhaltige öffentliche Beschaffung (IGÖB) bezweckt als Fachorganisation die Förderung der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung. Im Zentrum steht der Erfahrungsaustausch zwischen Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden zu ökologischen und sozialen Anforderungen in der öffentlichen Beschaffung. Neben Anforderungen an die Qualität und den finanziellen Aspekten sollen auch ökologische und soziale Kriterien massgeblich berücksichtigt werden.

Eva Hirsiger
Projektleiterin öffentliche Beschaffung, Pusch

Informationen:

www.pusch.ch