In Hombrechtikon bestimmen die Jugendlichen mit
Im Rahmen eines Pilotprojekts hat Hombrechtikon (ZH) die Jugendpartizipation in der Politik fest verankert. Der Hombrechtiker Weg kann anderen Gemeinden als Modell zur Etablierung eigener Strukturen dienen.
Nico Alther trifft seine Freunde oft draussen, was aber in der kalten Jahreszeit ungemütlich ist. Als der heute 18-Jährige von einem Jugendarbeiter erfährt, dass die Gemeinde Jugendliche in politische Prozesse involvieren will, wittert er die Chance, das Problem mit fehlenden Räumen aus der Welt zu schaffen. «Für uns allein hätte ich die Motivation nicht aufgebracht», sagt er. «Aber ich sah in dem Projekt die Möglichkeit, etwas für die junge Bevölkerung zu tun.»
Für den damals 17-Jährigen folgte eine arbeitsintensive Zeit: Neben seiner Lehre zum Kindererzieher erarbeitete er ein Konzept, schrieb Anträge an die Gemeinde, erstellte ein Nutzungsreglement für selbstverwaltete Räume, suchte Gönner und präsentierte die Projektfortschritte bei mehreren Treffen mit dem zuständigen Gemeinderat. Der Traum erfüllte sich nicht gratis. Doch die viele Arbeit lohnte sich: Anfang November erhielt der junge Hombrechtiker vom Gemeinderat grünes Licht, die beiden Cliquenräume des Jugendhauses als Piloträume zu nutzen. Die zuständigen Jugendlichen werden eigene Schlüssel bekommen und die Räume nach ihrem Gutdünken gestalten. Erweist sich das Projekt als erfolgreich, wird der Betrieb in eigenverantwortlicher Nutzung endgültig.
Modellvorgehen für Jugendpartizipation
Dass Jugendliche in Hombrechtikon sich beim Gemeinderat für ihre Anliegen einsetzen können, ist einem Pilotprojekt zu verdanken. Im Frühling 2018 suchte der kantonale Dachverband der offenen, verbandlichen und kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit Gemeinden, die einfache Partizipationsmöglichkeiten für Jugendliche erarbeiten. Hombrechtikon hat sich als eine von fünf Pilotgemeinden zur Verfügung gestellt. «Wenn wir nicht wollen, dass die Jugend abwandert, müssen wir dafür sorgen, dass sie sich in Hombrechtikon wohlfühlt», erklärt Gemeinderat Eugen Gossauer. «Jugendpartizipation ist eine grossartige Möglichkeit, den Jugendlichen Verantwortung zu übergeben, statt ihnen alles zu verbieten.»
Federführend war die MOJUGA Stiftung für Kinder- und Jugendförderung, die als Bindeglied zwischen den Jugendlichen und der Gemeinde fungierte. Im Sinne des Pilotprojekts habe man Irrwege nicht als Misserfolge, sondern als Lernmöglichkeiten betrachtet, sagt der Hombrechtiker Jugendbeauftragte der MOJUGA, Eric Sevieri. Die Projektverantwortlichen zeichneten Schwierigkeiten auf und hielten gelernte Lektionen fest. «So haben wir eine Good Practice etabliert, um anderen Gemeinden eine unkomplizierte Umsetzung von Jugendpartizipationsstrukturen zu ermöglichen», erklärt Sevieri.
Coaching für Verhandlungen mit dem Gemeinderat
Für die einzelnen Projekte wurden Begleitgruppen mit Vertreterinnen und Vertretern der Jugendarbeit, des Gemeinderats und der Schulpflege zusammengestellt, die sich in regelmässigen Abständen treffen sollten. Hier zeichnete sich die erste Hürde ab: «Es ist utopisch, zu denken, dass Menschen mit so unterschiedlichen Lebenswelten Termine finden, die allen Gruppenmitgliedern passen», sagt Sevieri. Als gangbaren Weg erwies sich, einzelne Aufgaben Untergruppen zuzuteilen, sodass der Austausch in der Gesamtgruppe nicht mehr nötig war.
Die Frage, wie Jugendliche mit dem Gemeinderat in Verhandlung treten könnten, gab ebenfalls zu diskutieren. «Wir stellten fest, dass die Hemmschwelle zu hoch war», erklärt Sevieri. Hier könne eine starke Jugendarbeit Brücken bauen, indem sie die Jugendlichen für ihre Auftritte vor dem Gemeinderat coacht und bei der Umsetzung Unterstützung bietet. Dieses Vorgehen kommt auch bei den Behörden an, die von gut strukturierten Präsentationen und verständlich vorgebrachten Anliegen profitieren. «Gerade für jüngere Jugendliche, die etwas mehr Förderung brauchen, ist die Unterstützung durch die Jugendarbeit sehr wertvoll», sagt Gemeinderat Gossauer.
Prozesse beschleunigen, Motivation erhalten
Die grössten Herausforderungen sind aber nicht organisatorischer, sondern emotionaler Art. Denn: Während politische Prozesse langsam laufen, ist der Alltag eines Jugendlichen ständigen Veränderungen unterworfen: «Wenn jemand mit 17 Jahren einen Skaterpark fordert, studiert er oder sie bei der Umsetzung vielleicht schon in einem anderen Kanton», gibt Jugendarbeiter Christian Hofmann zu bedenken. Auch Nico Alther empfindet das schleppende Tempo als Problem: «Mich haben die viele Verzögerungen manchmal demotiviert.» Umso wichtiger sei es, pratizipationswilligen Jugendlichen von Anfang an reinen Wein einzuschenken, betont Hofmann. «Sie müssen wissen, dass der Weg lang ist und sie am Ende vielleicht nicht mehr selbst davon profitieren.» Doch auch die Politik sei gefordert, jugendlichen Anliegen eine höhere Priorität einzuräumen.
Eine wichtige Rolle kommt der Jugendarbeit als Dolmetscherin zu. «Manche Wünsche von Jugendlichen mögen für Erwachsene unsinnig wirken», sagt Hofmann. «Es ist wichtig, dass die Jugendarbeit erkennt, welches Bedürfnis hinter einem Wunsch steht, und das Anliegen vor dem Gremium übersetzt.» Hinter dem Wunsch nach einer McDonalds-Filiale in der eigenen Gemeinde könne sich zum Beispiel das Bedürfnis nach einem selbst betriebenen Treffpunkt ausserhalb des Jugendhauses verbergen. Übersetzung brauche es aber auch in die andere Richtung, so Hofmann: Jugendlichen zu erklären, warum politische Prozesse lange dauern und Ausgaben zurückhaltend getätigt werden.