Einblick in die Innovationswerkstatt mit der Bevölkerung.

Impulse für eine nachhaltige Gemeindeentwicklung

27.04.2023
5 l 2023

Wie können wir als kleine, ländliche Gemeinde in Zukunft attraktiv bleiben? Antworten darauf entwickelte die Gemeinde Matzendorf in einem beispielhaften Prozess gemeinsam mit der Bevölkerung und dem Kanton Solothurn.

Die Gemeinde Matzendorf (SO) steckt schon seit einigen Jahren in einem aufwendigen Ortsplanungsprozess. Das brennende Thema in der Gemeinde und Konfliktpunkt mit dem Amt für Raumplanung (ARP) des Kantons Solothurn: In Matzendorf gibt es kaum noch verfügbare Baulandreserven und Wohnraum. Die als Lösung geforderten Einzonungen sind jedoch nach Raumplanungsgesetz nicht mehr möglich.

Im gemeinsamen Austausch mit dem ARP wuchs die Erkenntnis, dass die Zukunft einer Gemeinde nicht einzig vom Einzonen einiger Parzellen abhängen kann. Gemeinsam mit dem Kanton Solothurn lancierte die Gemeinde Matzendorf das Pilotprojekt «Zukunft Matzendorf». Ziel war es, das Themenspektrum zu erweitern, um Entwicklungsmöglichkeiten und -perspektiven über raumplanerische Themen hinaus zu erkennen. Begleitet und moderiert wurde der Prozess durch das Beratungsbüro Planval.

Nachhaltigkeitsanalyse als Grundlage

Dieser Prozess umfasste zwei Phasen: Analyse und Massnahmenentwicklung. Als erster Schritt wurde mithilfe eines Nachhaltigkeits-Analysetools die Situation von Matzendorf umfassend analysiert. Daraus wurden zukunftsrelevante Herausforderungen von Matzendorf abgeleitet. Das angewandte Tool bot die Chance, den Blick für einen breiten Fächer an möglichen Entwicklungsthemen zu öffnen.

Gemeinsam Lösungen erarbeiten

In einem zweiten Schritt wurden die identifizierten Herausforderungen mit Expertinnen und Experten reflektiert. Mit den gewonnenen Erkenntnissen definierte eine Begleitgruppe mit Schlüsselpersonen aus Bevölkerung, Politik und Verwaltung zentrale Fragestellungen, zum Beispiel: Wie können bestehende Gebäude besser genutzt werden? Wie können ein gutes Zusammenleben und spontane Begegnungen gefördert werden? Wie kann eine breitere Gruppe von Personen stärker in die Gestaltung der Gemeinde einbezogen werden? Wie können lokale Unternehmen dabei unterstützt werden, Lehrstellen zu besetzen?

In einer eintägigen Innovationswerkstatt diskutierten rund 60 Personen aus Matzendorf die Herausforderungen und entwickelten konkrete Lösungsvorschläge, zum Beispiel: ein Beratungsangebot für Grundeigentümerinnen und -eigentümer punkto Verdichtung, einen Jugendgemeinderat oder ein ganztägiges Kinderbetreuungsangebot.

Die Innovationswerkstatt war ein grosser Erfolg, die Resonanz der Teilnehmenden, von Jugendlichen bis zu einem 80-Jährigen, äusserst positiv. So sagte die Teilnehmerin Lisa Leist dazu: «Die Innovationswerkstatt bot mir die Chance, mich und die Sichtweisen der jüngeren Generation einzubringen. Unterschiedliche Meinungen zu hören und gemeinsam Ideen für die Zukunft unserer Gemeinde zu entwickeln, war sehr spannend.»

In einem abschliessenden Schritt erarbeitete die Begleitgruppe basierend auf den Lösungsvorschlägen aus der Innovationswerkstatt und den Experteninputs einen Katalog mit rund 40 Ideen für die Zukunft von Matzendorf. Die darin festgelegten Massnahmen priorisierte sie nach ihrer Umsetzbarkeit. Die Vorschläge bewegen sich in den Kategorien Raumentwicklung, Treffpunkte, Kommunikation, Milizsystem, Energie und Fachkräfte.

«Die Innovationswerkstatt bot mir die Chance, mich und die Sichtweisen der jüngeren Generation einzubringen. Unterschiedliche Meinungen zu hören und gemeinsam Ideen für die Zukunft unserer Gemeinde zu entwickeln, war sehr spannend.»

Lisa Leist, Einwohnerin von Matzendorf (SO)

Gewinnbringende Kooperation zwischen Gemeinde und Kanton

Im extern moderierten Prozess konnte zwischen Kanton und Gemeinde eine neue Ebene des Dialogs gefunden werden, was beide Seiten sehr schätzen. «Das Miteinander von Gemeinde, Bevölkerung, Kanton und externem Beratungsbüro war gewinnbringend. Nach intensiven Auseinandersetzungen haben wir mit dem Kanton eine gemeinsame Richtung eingeschlagen. Das freut mich sehr», sagt Marcel Allemann, Gemeindepräsident von Matzendorf.

Die Ergebnisse des Projekts sind sehr erfreulich. Das ARP konnte zusammen mit Matzendorf wertvolle Schlüsse ziehen, die sich auf andere, ländliche Gemeinden übertragen lassen.

Eine relevante Erkenntnis bezieht sich auf den Status und die Bedeutung des räumlichen Leitbilds. Inhaltlich sollte es offen, gesamtheitlich und politikübergreifend gestaltet werden. Gleichzeitig sollte es als anwendbares, kommunales Strategiedokument mit Hinweisen zu konkreten Massnahmen Impulse für die Gemeindeentwicklung ermöglichen.

 «Das Miteinander von Gemeinde, Bevölkerung, Kanton und externem Beratungsbüro war gewinnbringend. Nach intensiven Auseinandersetzungen haben wir mit dem Kanton eine gemeinsame Richtung eingeschlagen.»

Marcel Allemann, Gemeindepräsident von Matzendorf (SO)

Matzendorf ist startklar für die Zukunft

Der Gemeinderat berät aktuell das weitere Vorgehen. Einige der Ideen können relativ einfach und zeitnah umgesetzt werden. So werden zum Beispiel gemeinsam mit dem im Projekt involvierten Naturpark Thal verschiedene regionale Massnahmen umgesetzt, um offene Lehrstellen bekannter zu machen. Andere Ideen müssen noch geschärft werden.

Das Schaffen von Wohnraum, das Schaffen eines Treffpunkts und der stärkere Einbezug der jüngeren Generation ist aus Sicht des Gemeindepräsidenten für die Entwicklung von Matzendorf besonders wichtig.

Treiber für die Zukunft von Gemeinden sind engagierte Menschen vor Ort, welche die Umsetzung geeigneter Massnahmen vorantreiben, andere ins Boot holen, Chancen erkennen und Spielräume nutzen. Ein grosses Engagement zeigte im Projekt «Zukunft Matzendorf» der Gemeindepräsident. Für die Umsetzung der erarbeiteten Massnahmenliste muss die Verantwortung zukünftig auf mehrere Schultern verteilt werden. Die Zusage vieler Teilnehmenden der Innovationswerkstatt, sich weiter auch an der Umsetzung zu beteiligen, stimmt daher zuversichtlich.

Der Grundstein ist gelegt, um die Gemeindeentwicklung zukunftsorientiert voranzutreiben und in den jeweiligen, kommunalen Instrumenten zu verankern. So ist bereits ein weiterer öffentlicher Workshop geplant, um die Umsetzung weiter zu konkretisieren und so die Zukunft von Matzendorf gemeinsam zu gestalten.

Simone Meyer
Projektleiterin
Planval
Valentin Burki
Amt für Raumplanung
Raumplaner
Marcel Allemann
Matzendorf (SO)
Gemeindepräsident