Hannes Germann: «Das SGV-Präsidium war eine faszinierende Aufgabe»
Ständerat Hannes Germann war 25 Jahre lang im Vorstand des Schweizerischen Gemeindeverbands (SGV), davon 16 Jahre als Präsident. Nun gibt er sein Amt ab. Im Abschiedsinterview blickt er zurück auf prägende Jahre für den Verband. Die politische Arbeit intensivierte sich in dieser Zeit dank der Einführung des Gemeindeartikels, und der SGV wurde zum Ansprechpartner der Gemeinden auf Bundesebene.
Hannes Germann, weshalb haben Sie sich vor 25 Jahren für ein Engagement im Vorstand des Schweizerischen Gemeindeverbands (SGV) entschieden?
Ich war damals Gemeindepräsident von Opfertshofen (SH). Bei der Versammlung der Schaffhauser Gemeinden hat mich der damalige Präsident für die Wahl in den SGV-Vorstand vorgeschlagen: «Gell, Hannes, du macht das?» Und dann war es so (lacht). In die Rolle des Präsidenten bin ich im Laufe der Jahre hineingewachsen. Weil ich Ständerat war und bereits als SGV-Vizepräsident wichtige Aufgaben übernommen hatte, lag die Wahl im Jahr 2008 nahe.
Weshalb sind Sie dem SGV so lange treu geblieben?
Das Präsidium ist eine faszinierende Aufgabe, in der ich viele thematische Synergien nutzen konnte. Ich denke zum Beispiel an den Asylbereich, staatspolitische Fragen oder die Raumplanung: Die Themen sind sowohl auf Bundes- als auch auf Gemeindeebene ähnlich – und sehr vielfältig.
Was war besonders wichtig für Ihre Arbeit für die Gemeinden in Bundesbern?
Der Artikel 50, der sogenannte Gemeindeartikel in der revidierten Bundesverfassung, ist zentral, denn er garantiert die Mitsprache der Gemeinden auf Bundesebene. Er trat am 1. Januar 2000 in Kraft, kurz nachdem ich in den Vorstand gewählt worden war. Der SGV setzt den Gemeindeartikel seither um, indem er aktiv in der Bundespolitik mitwirkt und beispielsweise offiziell für die Gemeinden an Vernehmlassungen teilnimmt. Als Präsident konnte ich die Interessen der Gemeinden direkt im Ständerat vertreten.
Wenn Sie zurückblicken: Wie hat sich die Situation für die Gemeinden in den letzten 25 Jahren entwickelt?
Vielen kommunalen Behördenmitgliedern macht es zu schaffen, dass sie zwar ein Exekutivamt innehaben, aber sehr wenig selbst entscheiden können. Wir spüren einen Druck, dass Probleme auf der nächsthöheren Staatsebene gelöst werden. Ich bin aber der Meinung, dass die Fragen wirklich dort beantwortet werden sollen, wo sie anfallen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Raumplanung: Der Bund setzt in seinen Gesetzen hohe Ansprüche, die von den Gemeinden dann umgesetzt werden müssen. So etwa die Verdichtung oder die Reduktion der Bauzonen. Beides keine leichten Aufgaben für Gemeinden.
Kann man von einem Stadt-Land-Graben sprechen?
Diesen Begriff mag ich nicht. Die Hauptträger des SGV sind Agglomerationsgemeinden und kleinere Städte, aber natürlich auch viele mittlere und kleinere Gemeinden. Wir sehen uns als Bindeglied zwischen den Kernstädten und dem Land. Deshalb investiert der Verband viel Zeit in die tripartite Zusammenarbeit oder in die Regionalpolitik.
Ihre Gemeinde, Opfertshofen, hat seit Ihrem Amtsantritt fusioniert; die Zahl der Gemeinden in der Schweiz geht seit Jahren zurück. Wie stehen Sie zu Fusionen?
Ich bin nicht grundsätzlich für oder gegen Fusionen. Ein Zusammengehen von Gemeinden kann eine gute Lösung sein, wenn sie einen Nutzen bringt und nicht erzwungen wird. Wirtschaftliche Gewinne sind zwar selten zu erwarten, aber Fusionen können die professionellen Strukturen von Verwaltung und Behörden fördern.
Auf welche Erfolge des SGV in Ihrer Präsidialzeit sind Sie besonders stolz?
Mit dem Milizjahr 2019 konnten wir in der breiten Öffentlichkeit auf die wichtige Arbeit der Milizpolitikerinnen und -politiker in den Gemeinden aufmerksam machen. Dazu trug unter anderem das Pixie-Büchlein über die Gemeinden bei, das wir mit Unterstützung aus der Wirtschaft realisieren konnten. Zudem durfte ich am 1. August 2019 anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums des Feuerwehrverbandes eine Rede auf dem Rütli halten – ein echtes Highlight! Neben den politischen Erfolgen schätzte ich unsere GVs an der Messe Suisse Public in Bern immer sehr sowie die Treffen mit den kantonalen Gemeindeorganisationen.
Welche Momente als SGV-Präsident waren schwierig?
Ich erlebte schwierige Ablöseprozesse und eine Konsolidierung des Verbands. So trennten wir uns von wichtigen Geschäftsbereichen wie der eigenen Pensionskasse Comunitas (2017), denn es war schlicht nicht mehr zeitgemäss, eine solche als Verband zu führen. Die Finanzlage des SGV war zeitweise angespannt, unter anderem auch, weil wichtige strukturelle Beiträge aus Provisionsverträgen mit Versicherungen oder die finanziellen Rahmenbedingungen mit der Messe Suisse Public sich verändert haben. Die finanzielle Lage hat sich aber unterdessen stabilisiert, und der Verband war wohl noch nie so gut aufgestellt wie jetzt.
Warum geben Sie Ihr Amt nun an der GV vom 20. Juni ab?
16 Jahre sind eine lange Zeit. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt für eine Erneuerung. In meiner letzten Legislatur als Ständerat möchte ich mich voll auf die Standespolitik konzentrieren. Im Herzen bleibe ich den Gemeinden und Städten natürlich treu.
Welche Anekdote wird Ihnen aus Ihrer Zeit beim SGV in Erinnerung bleiben?
Der damalige Bundesrat Moritz Leuenberger war einmal Gast an unserer GV an der Suisse Public. Als er auf seinen Auftritt wartete, wirkte er total desinteressiert, und ich befürchtete bereits das Schlimmste. Kurz darauf hielt er aber eine absolut brillante Rede. Das hat mich gelehrt, die Menschen an dem zu messen, was sie abliefern.
Chronik
1996: Hannes Germann wird Gemeindepräsident von Opfertshofen
1999: Wahl von Hannes Germann in den Vorstand des SGV
2000: Der neu geschaffene Artikel 50 zur Gemeindeautonomie tritt in Kraft
2002: Wahl von Hannes Germann als Ständerat des Kantons Schaffhausen
2008: Hannes Germann wird als Präsident des SGV gewählt
2014: Das revidierte Raumplanungsgesetz (RPG) tritt in Kraft
2016: Der SGV verkauft seine Anteile des Revisions- und Organisationsdienstes (ROD)
2017: Der SGV veräussert die Pensionskasse Comunitas
2017: Gründung der Stiftung zur Förderung des SGV
2019: Die Neustrukturierung des Asylbereichs tritt in Kraft
2020: Coronapandemie, der SGV ist aktiv in der direkten Kommunikation gegenüber den Gemeinden
2022: Ukrainekrieg und Energiemangellage: Der SGV ist auf Bundesebene in die Prozesse miteinbezogen