Die Bündner Gemeinde mit rund 12600 Einwohnern und Einwohnerinnen setzt mit ihrer energiepolitischen Strategie auf eine verstärkte Förderung und Nutzung von einheimischen, erneuerbaren Energien sowie auf eine kontinuierliche Erhöhung der Energieeffizienz.

Geothermie : Davos nutzt die Wärme aus dem Grundwasser  

21.10.2021
10 | 2021

Gemeinden spielen bei der Energiewende eine wichtige Rolle. Gerade bei der Wärmeerzeugung können sie mit dem Bau von Wärmenetzen, oder dem Anschluss an solche Verbünde, eine Vorbildfunktion einnehmen.

Mit dem Bau von thermischen Netzen schaffen Gemeinden eine wichtige Infrastruktur. Gemäss dem «Weissbuch Fernwärme» des Verbands Fernwärme Schweiz (VFS) wäre es möglich, bis 2050 rund 38 Prozent des Wärmebedarfs über thermische Netze abzudecken. Heute beliefern die fast1000 thermischen Netze der Schweiz, gemäss dem Faktenblatt von EnergieSchweiz, sechs bis acht Prozent des Bedarfs mit Wärme.

Ein interessantes Beispiel bietet Davos. Die Bündner Gemeinde mit rund 12600 Einwohnern und Einwohnerinnen setzt mit ihrer energiepolitischen Strategie auf eine verstärkte Förderung und Nutzung von einheimischen, erneuerbaren Energien sowie auf eine kontinuierliche Erhöhung der Energieeffizienz. Im Interview berichtet Simi Valär, Landrat und Departementsvorsteher Hochbauamt, Energie und Umweltschutz, von den Erfahrungen der Gemeinde, welche die Möglichkeit einer geothermischen Nutzung (siehe Kasten) sorgfältig untersuchen liess:

Herr Valär, das Modell «Geothermie» in Davos ist im Bereich der Wärmeerzeugung ein Pilotprojekt. Im Vorfeld wurden über 10 Jahre lang Untersuchungen und Bohrungen durchgeführt. Was bedeutete dies für die Gemeinde?

Simi Valär: Für die Gemeinde stellte das Projekt sowohl organisatorisch als auch finanziell eine grosse Herausforderung dar. Organisatorisch gesehen war die Gemeinde in der angenehmen Lage, über eine Fachstelle Umwelt zu verfügen, welche nicht nur das Projekt über die gesamte Dauer organisatorisch geleitet und koordiniert hat, sondern auch für das zuständige Departement und die Exekutive die notwenigen Beschlüsse vorbereitet hat. Die Investitionen und Abklärungen – insbesondere im Zusammenhang mit der Nutzung des Fels- oder Kluftaquifers (mitteltiefe Geothermie) waren sehr aufwendig und auch kostspielig. Die Gemeinde war hier auf eine fachliche und finanzielle Unterstützung durch den Bund und den Kanton angewiesen.

Welche Herausforderungen stellten sich weiter?

Valär: Auch bei der Nutzung der Geothermie muss die Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Grundsätzlich kann nicht mehr Wärme oder Wasser entnommen werden, als nachfliesst. Dies erfordert eine möglichst gute Bilanzierung sowie ein Monitoring. Um Nutzungskonflikte zu vermeiden, müssen bestehende Anlagen geschützt werden. Dies gilt insbesondere dort, wo bereits viele Erdwärmesonden existieren oder im Abstrombereich von Grundwasserrückgaben.

Projekte mit einer langen Laufzeit wachsen über eine politische Amtszeit hinaus, wie treibt Davos das Geothermie-Projekt voran?

Valär: Klimaschutz und Klimaanpassung werden auch in Davos - unabhängig von der politischen Amtszeit – eine Herausforderung bleiben. Die Gemeinde hat in Zusammenhang mit der Nutzung der Geothermie verschiedene Grundlagen erarbeitet, die heute und auch den zukünftigen Amtsträgern zur Verfügung stehen. Mit der Überarbeitung des Grundwassermodells und dem daraus abgeleiteten Nutzungskonzept für die untiefe und mitteltiefe Geothermie sowie mit einer im letzten Jahr erstellten thermischen Modellierung hat die Gemeinde das Projekt weiter vorangetrieben und fortschrittliche Planungsgrundlagen für die Zukunft geschaffen.

Was würden Sie anderen Gemeinden raten?

Valär: Die geologische Situation ist nicht überall gleich. Nicht jede Gemeinde hat einen geothermisch nutzbaren Fels- bzw. Kluftaquifer im Untergrund. Aber für diejenigen Gemeinden, welche ihr Wärmenutzungspotenzial dort vermuten und dies abklären möchten, haben wir im Auftrag des Bundesamtes für Energie (BFE) unsere Erkenntnisse in einer Fallstudie zum Geothermieprojekt Davos zusammengestellt. Darin sind alle angewandten Methoden zur Erkundung, Erschliessung und Nutzung des Kluftaquifers aufgeführt und bewertet.

Davos baut Wärmeverbünde nicht selber, das macht die EWD Elektrizitätswerk Davos AG (EWD AG), welche schweizweit tätig ist. Die Gemeinde ist jedoch mit Gemeindebauten an deren Wärmeverbünde angeschlossen. Was für Erfahrungen haben Sie mit dem Anschluss an Wärmenetze gemacht? 

Valär: Die Erfahrungen sind sehr positiv. Wärmenetze aufgebaut aus Grundwasserwärmenutzung liefern saubere und erneuerbare Energie. Die Zusammenarbeit mit der EWD AG als Wärmelieferant funktioniert bestens. Weil die Anschaffungskosten für Heizungsanlagen mit Grundwasser oder Erdwärme relativ hoch sein können, bietet das Energiecontracting hier eine gute Alternative, insbesondere auch für private Haushalte. Die Liquidität kann geschont werden und Wartungskosten werden vom Wärmelieferanten übernommen. Eine lange Lebensdauer der Heizungsanlage und ein störungsfreier Betrieb kann so gesichert werden.

Fördergelder für Wärmeverbünde

Die Energiedienstleisterin EWD Elektrizitätswerk Davos AG realisiert in Davos den dritten Wärmeverbund, welcher demnächst in Betrieb geht und mit Grundwasser betrieben wird. Bereits 2016 wurde ein erster Wärmeverbund realisiert, der Wärmeverbund Arkaden. Im Herbst 2020 kam dann eine Erweiterung dazu. Bei diesem Wärmenetz wird arthesisch gespanntes Grundwasser aus 450m Tiefe genutzt.

Das Grundwasser wird mit einer Temperatur von ungefähr neun bis zehn Grad Celsius gefasst, wobei die konzessionierte Entnahmemenge bei 1400 Litern pro Minute liegt. Die Wärmeübertragung geschieht in der 50 Meter entfernten, bereits bestehenden, aber umgebauten Heizzentrale eines Oberstufenschulhauses. Mittels Wärmepumpen wird der Kreislauf auf eine nutzbare Temperatur gebracht. Der Leistungsentzug aus dem Grundwasser beträgt dabei etwa 550 Kilowatt. Die angeschlossenen Wärmekunden, unter anderem auch Gemeindebauten (Schulen), werden mittels eines warmen Nahwärmenetzes bedient.

Die EWD Elektrizitätswerk Davos AG (EWD AG) baut, finanziert und betreibt die oben genannten Wärmeverbünde. Um den Wärmekunden wettbewerbsfähige Preise gegenüber fossilen Energieträgern anbieten zu können, wurde das Programm «Wärmeverbünde» der Stiftung KliK beigezogen, welche Projekte mit erneuerbarer Energie wie dieses mit Förderbeiträgen unterstützt. Pro anrechenbare, eingesparte Tonnen CO2- gibt es nämlich 100 Franken Fördergelder. Die Stiftung Klimaschutz und CO₂-Kompensation KliK fördert schweizweit den Einsatz von Wärmeverbünden mit erneuerbaren Energien oder Abwärme mit 100 Franken pro anrechenbarer Tonne CO2-Reduktion bis und mit 2030 (Anmeldung vor Investitionsentscheid).

Informationen:

*Quelle: Studie Weissbuch «Fernwärme Schweiz VFS Strategie», erwähnt in energeia plus – Magazin des Bundesamts für Energie BFE

**Quelle:  Faktenblatt Thermische Netze, EnergieSchweiz, 2021, S.5

Schlussbericht, Fallstudie Geothermieprojekt Davos

www.waermeverbuende.klik.ch/kontakt

Gemeindetagung: www.pusch.ch/fuer-gemeinden/energie-und-klima

 

Davos will klimaneutral werden

Davos will bis ins Jahr 2030 der erste klimaneutrale Ferienort der Schweiz werden. Die Tourismusorganisationen und die Gemeinde spannen dafür mit der Stiftung myclimate zusammen. Mit dem Projekt «Davos Klima 2030» und der Schaffung des «myclimate Klimafonds Davos» will Davos einen grossen Schritt in Richtung eines nachhaltigen Tourismus machen. Auf Initiative der Destinationsorganisation beteiligen sich Unternehmen aus dem Tourismus, Veranstalter wie das World Economic Forum oder der Hockeyclub Davos sowie das Gewerbe am Projekt. Finanziert werden soll es von den touristischen und gewerblichen Anbietern sowie ihren Gästen und Kunden mit freiwilligen Beiträgen. 50 Prozent der Mittel würden in Klimaschutzprojekte in Graubünden, der Schweiz und weltweit investiert. 35 Prozent sollen in Massnahmen gehen, mit denen die teilnehmenden Unternehmen ihre Betriebe nachhaltiger machen, und 15 Prozent fliessen in den «myclimate Klimafonds Davos». Der Fonds soll Projekte vor Ort finanzieren, welche CO2-Emissionen reduzieren.sda