«Super Stellenanzeige, und das vom Staat. Hätte ich so nicht erwartet»: So und ähnlich lauteten die Kommentare auf das kreative Inserat des kantonalen Zürcher Steueramts, das via LinkedIn 500 Bewerbungen generierte.

«Gemeinden müssen sich besser verkaufen»

21.03.2022
3 | 2022

Der Verband Bernischer Gemeinden hat auf den Mangel an Fachkräften in Gemeindeverwaltungen bereits vor Jahren gehandelt und einen Ratgeber verfasst. Trotzdem spitzt sich die Lage zu, vor allem im Bereich des Baus und der Finanzen.

 

«Ja, wir spüren einen Mangel, der sich je nach Region und Fachrichtung unterschiedlich stark akzentuiert. Es lässt sich aber klar sagen, dass es schwieriger geworden ist, Stellen mit adäquat ausgebildetem Personal zu besetzen.» Das antwortet Daniel Bichsel auf die Frage, wie gravierend der Mangel an Fachkräften im Kanton Bern ist. Bichsel ist Präsident des Verbands Bernischer Gemeinden (VBG) und zudem Gemeindepräsident von Zollikofen. Er stellt fest, dass sich der Mangel einerseits bei den Lehrstellenbesetzungen und andererseits bei den Kaderstellen auswirkt. «Beim Verwaltungspersonal ist die Besetzung in der Regel noch relativ problemlos möglich», sagt Daniel Bichsel. Bei den Fachrichtungen sei ein klarer Mangel im Baubereich spürbar, «gewisse Anzeichen deuten aktuell darauf hin, dass sich der Mangel auch im Bereich Finanzen verschärfen könnte».

Das Problem betreffe alle Regionen, sagt Bichsel. Dezentral gelegene Standorte hätten aber sicher eher noch mehr Probleme. Denn in diesen Einzugsgebieten könnten schlicht und einfach nicht gleich viele Stellensuchende erreicht werden wie in den Zentren, und nicht jede Person sei bereit, für eine neue Stelle auch einen Wohnortswechsel in Kauf zu nehmen.

Kooperationen entschärfen das Problem nur zum Teil

Daniel Bichsel führt das Problem einerseits auf die demografische Entwicklung zurück. Geburtenstarke Jahrgänge kommen ins Pensionsalter, und eher geburtenschwache Jahrgänge können die frei werdenden Stellen nicht ausreichend abdecken. Andererseits sei es heute nicht mehr üblich, während der ganzen Berufskarriere immer zu 100 Prozent berufstätig zu sein. Man gönne sich Auszeiten oder reduziere aus familiären Gründen das Pensum.

Gemäss dem Präsidenten des VBG lässt sich die Situation mit Kooperationen unter den Gemeinden «sicher teilweise entschärfen». Die zu verrichtende Arbeit werde aber auch bei gemeinsamem Personal und Zusammenarbeitsformen letztlich nicht weniger, und für Kaderpersonal sei es auch nicht unbeschränkt möglich, sich mehreren Gemeinden gleichermassen zu widmen.

Unterschiede zur Privatwirtschaft

Daniel Bichsel sagt darum: «Die Gemeinden sind gefordert, sich am Arbeitsmarkt als attraktive Arbeitgeberinnen besser zu verkaufen. Sie sind attraktive Arbeitgeberinnen mit einem vielseitigen Arbeitsgebiet, grossen Gestaltungsspielräumen und einer sinnvollen Tätigkeit zum Wohle der Gemeinschaft. Das sind Faktoren, die heute am Arbeitsmarkt mehr Gewicht haben als früher.» Der Berner weiss aber auch, dass es für Gemeinden ungewohnt ist, Werbung in eigener Sache zu machen. Im Unterschied zu privatwirtschaftlichen Betrieben verfügten diese Arbeitgeberinnen über keine Marketingabteilung. «Die Gemeinden können ihre Vorzüge als interessante und faire Arbeitgeberinnen durchaus noch selbstbewusster präsentieren», fordert Daniel Bichsel.

Zürcher Steueramt bricht Rekorde auf LinkedIn

Wird dieses Selbstbewusstsein zudem mit Humor gepaart und auf einem sozialen Netzwerk wie LinkedIn verbreitet, können Stelleninserate aus der öffentlichen Verwaltung regelrecht einschlagen. Diese Erfahrung macht gerade das Steueramt des Kantons Zürich: 500 Kandidatinnen und Kandidaten haben sich für die zwei Stellen in der Wertschriftenprüfung beworben. Unter dem Titel «Irgendetwas mit Zahlen …» folgt ein heiterer Beschrieb der Aufgaben – beim Steueramt geht es nicht nur um Mitarbeiterbeteiligungen, Erbschaften oder Teilbesteuerungen, sondern auch um «den Sinn des Lebens und vieles mehr» – und um Eigenschaften. Gesucht werden Personen, die ihre Steuern nicht hinterziehen, aber «keinesfalls Perfektionisten» sind («Sie würden am Arbeitsvolumen scheitern»). Vielmehr brauche es «eine motivierte Person, die über den trockenen Berufstitel hinwegblickt und den Alltag trotz komplexen Fällen (ca. 30 Prozent) und Routinetätigkeit (ca. 70 Prozent) humorvoll meistert». Und, ganz wichtig: Die künftige Kollegin, der künftige Kollege sollte «keinesfalls lauthals erwähnen, Ananas auf der Pizza zu mögen». Gefragt sind dafür besondere Talente wie Jonglieren, Breakdance «oder vielleicht Ihre Backkünste?». Wer diesen Kriterien entspricht, kann sich auf einen «bunte Haufen aus Visionären (Quereinsteiger/innen), Lebenskünstlern (ehemaligen Bankangestellten), jungen Wilden (Lehrabgänger/innen) und Heads of Everything (dipl. Steuerspezialisten)» freuen.

Das Stelleninserat, entworfen von zwei kreativen Mitarbeitenden des Steueramts, erhielt zahlreiche «Likes» auf LinkedIn und begeisterte Kommentare. «Super Stellenanzeige, und das vom Staat. Hätte ich so nicht erwartet.» «Eine der besten Stellenanzeigen, die ich je gesehen habe! Grosses Kino!», schreibt die «Community». Auch beim Steueramt freut man sich über die sehr positiven Rückmeldungen, sowohl intern als auch extern. Bei den meisten Bewerbungen handle es sich um Erstbewerbungen. Ihren Preis hat die Kreativität trotzdem: Der Evaluationsprozess wird bei 500 Kandidaturen, von denen naturgemäss etliche den Anforderungen an die Stelle nicht entsprechen dürften, um einiges länger dauern als bei klassischen Inseraten. Sie seien jedoch zuversichtlich, geeignete Kandidatinnen oder Kandidaten finden zu können», so die Rückmeldung aus dem Steueramt.

 

Ratgeber attraktive Gemeinde

Zurück zum VBG: 2016 hat er gemeinsam mit dem Verband Bernisches Gemeindekader (BGK) eine Imagekampagne gestartet. Die Wirkung der Kampagne ist laut der Geschäftsführerin des BGK, Monika Gerber, noch nicht erhoben worden. Der damals entstandene Leitfaden sei online aber rund 24 000-mal angeklickt worden, wird sie in der «Berner Zeitung» zitiert. Daraus entstand der Ratgeber attraktive Arbeitgeberin Gemeinde. Er wird laufend aktualisiert. Neu enthält diese Seite nun auch eine Stellenbörse, deren Angebote laut Monika Gerber auch von grossen Suchmaschinen erfasst werden und so das Interesse von Quereinsteigern wecken.

Susanna Fricke-Michel
Mitarbeit: Denise Lachat