Gemeinden initiieren Klimadialog
Bei der Umsetzung des Netto-null-Ziels bis 2050 spielen Gemeinden und Städte eine wichtige Rolle. 28 Gemeinden aus dem Berner Oberland haben gemeinsamen einen Diskussionsprozess angestossen mit dem Ziel, in der Region konkrete Schritte zur Minderung der Treibhausgasemissionen in Gang zu setzen. Ein Ergebnis des Projekts ist die neu geschaffene Stelle eines Klimacoach: Die Person berät Bevölkerung und Behörden, wie Klimaschutz-Ideen in die Wirklichkeit umgesetzt werden können.
Die Regionalkonferenz Oberland-Ost ist der Zusammenschluss von 28 Gemeinden im östlichen Berner Oberland. 2019 setzte sich die Regionalkonferenz das Ziel, eine klimaneutrale Tourismusregion zu werden. Die Ausgangslage im Berner Oberland unterscheidet sich nur unwesentlich von anderen Regionen in der Schweiz: Zwar hat es in der Gegend noch recht viele Ölheizungen, zudem sind Landwirtschaft und Tourismus wichtige Quellen von Treibhausgasen (ausgedrückt in CO2-Äquivalenten/CO2e), aber mit Emissionen von 5.4 t CO2e pro Person und Jahr (für 2020) liegt die Region sogar leicht unter dem Durchschnitt des Kantons Bern (5.84 t).
Konkrete Handlungsansätze
Um den Übergang zu einem klimafreundlichen Berner Oberland voranzubringen, initiierte die Regionalkonferenz ein Projekt, das konkrete Handlungsansätze hervorbringen sollte. «Viele einzelne Gemeinden handeln bei Energieeffizienz und erneuerbaren Energien heute schon sehr engagiert, doch ergänzend braucht es überkommunale Initiativen, denn viele kleine Gemeinden können oftmals nicht auf die dazu notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen zugreifen», sagt Stefan Schweizer, Geschäftsführer der Regionalkonferenz. Das Vorhaben wurde gemeinsam mit dem Amt für Umwelt und Energie des Kantons Bern und der Universität Bern (Zentrum für Nachhaltige Entwicklung und Umwelt) durchgeführt. Gefördert wurde es von der 2019 gegründeten Wyss Academy for Nature und dem Bundesamt für Energie.
Gegenstand des vom BFE geförderten Teilprojekts war ein 'Transitions Management Prozess', also der Versuch, Aktionen anzustossen, die den Übergang zu einer klimaneutralen Gesellschaft unterstützen. Zu diesem Zweck organisierte das Projektteam von Oktober 2020 bis Februar 2024 vier Stakeholder-Workshops mit 34 bis 41 Vertreterinnen und Vertretern der öffentlichen Hand bzw. der Bereiche Wohnen, Mobilität, Tourismus, Energie, Holz- und Landwirtschaft sowie der Zivilgesellschaft. Zwischen dem dritten und vierten Workshop wurden während eines Jahres erste Klimaschutzprojekte angepackt.
Beratung durch Klimacoach
Im Ergebnis lässt sich nicht ausmachen, welche Projekte ausschliesslich durch diesen Diskussionsprozess angestossen wurden, und schon gar nicht, wie viel Treibhausgas-Emissionen dadurch eingespart wurden. Dokumentiert ist aber, dass nach einer anfänglichen Phase der Zurückhaltung eine Reihe von Projekten initiiert wurden. «Inzwischen nahmen die eingereichten und angegangenen Projektideen erfreulich zu», hält der Projektschlussbericht von Mitte 2024 im Rückblick fest. Dazu gehören ein mit Solarstrom betriebenes Touristenboot auf dem Brienzersee, die Machbarkeitsstudie für eine Biogasanlage, die Treibhausgas-Bilanzierung für einen Bauernhof, oder ein für Herbst 2024 geplantes Filmfestival zum Klimathema in Meiringen.
Ferner entstand in den Workshops die Idee, unter dem Dach der Regionalkonferenz die Stelle eines Klimacoach zu schaffen, der interessierte Personen in Klimaschutzprojekten berät. Die (zunächst auf zwei Jahre befristete) Stelle wird seit Dezember 2022 von der Agronomin Alina von Allmen wahrgenommen. «Leider werden die bestehenden Angebote zu Energiethemen und Klimaschutz noch wenig genutzt, weil sie entweder zu wenig bekannt sind oder die Notwendigkeit nicht gesehen wird», sagt von Allmen zur Motivation ihrer Tätigkeit. «Der wichtigste Faktor, dass Personen im Klimaschutz aktiv werden, sind nicht nur Fakten, sondern Emotionen und dass man die Menschen dort abholt, wo sie stehen, hier bei uns etwa bei der Verbundenheit zur Landschaft, zu Bergen und Schnee.»
Andere Gemeinden sind interessiert
Thomas Rosenberg vom Amt für Umwelt und Energie des Kantons Bern wertet den gut dreijährigen Stakeholder-Prozess im Berner Oberland als Erfolg: «Es ist gut möglich, dass der Kanton Bern gewisse Elemente in Zukunft in ein Angebot für alle Gemeinden übernimmt. Eine weitere Region hat bereits Interesse angekündigt», sagt er. Stefan Schweizer, Geschäftsführer der Regionalkonferenz Oberland-Ost, sieht das Transitionsprojekt ebenfalls als Inspiration für andere Schweizer Gemeinden: «Ein Prozesses mit regionalen Akteuren und Entscheidträgern stärkt das gemeinsame Bewusstsein und Verständnis für dringend notwendige Massnahmen gegen die weitere Klimaerwärmung. Der Prozess hilft zu erkennen, welche regionalen Massnahmen sich aus eigener Kraft realisieren lassen, beispielsweise durch Schaffung eines attraktiven öV-Angebots.»
Das Zentrum für Nachhaltige Entwicklung und Umwelt (CDE) der Universität Bern hat den Stakeholder-Prozess im Berner Oberland mit einem Monitoring begleitet. «Entscheidend ist, dass der Prozess aus der Region heraus angestossen wird und idealerweise in einer gemeinsamen Übereinkunft – zum Beispiel einem Strategiepapier – verankert ist, das ihn legitimiert», sagt CDE-Wissenschaftlerin Stephanie Moser.
Informationen
Der Schlussbericht zum Projekt «Lokale Energie-Transitions-Experimente als Beitrag zur Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft – Pilotierung eines Transition-Management-Prozesses im Berner Oberland» ist abrufbar unter: https://www.aramis.admin.ch/Texte/?ProjectID=47521
Das Ergebnis des Transformationsprozesses, die Umsetzungsagenda zur Vision der Region Oberland-Ost, ist abrufbar unter www.oberland-ost.ch => Aufgaben => Klimaneutrale Region.
Für Gemeinden, die sich über die Erfahrungen des Projekts aus erster Hand informieren möchten, stehen Stephanie Moser (stephanie.moser@unibe.ch) und Alina von Allmen (alina.vonallmen@oberland-ost.ch) als Auskunftspersonen zur Verfügung.