Die Pfadis errichteten beim letzten Bundeslager 2008 in der Linthebene ihre Zeltstadt auf einer Fläche von rund 170 Fussballfeldern.

Gemeinden greifen erst bei «besonderer Lage» ein

25.07.2022
7-8 | 2022

Für das Pfadi-Bundeslager sind Zehntausende Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ins beschauliche Goms gereist. Wie haben sich die betroffenen Dörfer auf eine Krise vorbereitet?

Die Dimensionen sind eindrücklich: Da wären die 35’000 Personen, die meisten davon Kinder und Jugendliche. Dann beinahe nochmal so viele Besucher, verteilt auf zehn Tage. Fünf Tonnen Brot und 7500 Liter Milch pro Tag. 250 Extrafahrten auf der Schiene und der Strasse. Eine riesige Zeltstadt, verteilt auf 120 Hektaren oder 170 Fussballfelder. 700 Chemie- und Containertoiletten, 130 Duschen. Und: zwei Jahre Vorbereitung.

Das Bundeslager der Pfadibewegung Schweiz, kurz BuLa, war zweifellos ein Grossereignis. Besonders für das Goms, in dessen Talebene das BuLa zwischen dem 23. Juli und dem 6. August über die Bühne ging. Im beschaulichen Oberwalliser Bezirk leben normalerweise rund 4000 Menschen – nun war er während zweier Wochen gleich gross wie die Kantonshauptstadt Sitten. Logisch, dass dies für die Gastgebergemeinden Goms und Obergoms auch punkto Sicherheit und Krisenmanagement so einiges an Herausforderungen mit sich brachte.

 

Der Stab sorgt für die Bevölkerung, das BuLa für die Pfadis

Verantwortlich dafür zeichnete Willy Werlen. Normalerweise oberster Gommer Förster, leitete Werlen den 17-köpfigen Regionalen Führungsstab Goms (RFS Goms). Dieser ist erst vor zwei Jahren gebildet worden und erlebte somit dank dem BuLa eine denkwürdige Feuertaufe. «Das eine Jahr an zusätzlicher Vorbereitungszeit hat daher sicher nicht geschadet», spricht Werlen die Tatsache an, dass das Lager aufgrund der Coronapandemie um zwölf Monate verschoben werden musste.

Werlen erklärt: Werde ein solcher Grossanlass durchgeführt, sei es am Ende die Gemeinde, die für die Einhaltung der Sicherheitsstandards verantwortlich sei. Beim Gespräch, das noch vor Lagerbeginn stattfindet, sagt er aber auch: Wenn alles normal laufe, werde sein Stab, abgesehen von der täglichen Sitzung mit den Sicherheitsverantwortlichen des BuLa, nichts mit dem Lager zu tun haben.

Erst wenn sich die Situation von einer normalen Lage zu einer besonderen oder gar ausserordentlichen Lage zuspitzt, wie man dies mittlerweile von der Coronapandemie her kenne, übernehme der Gommer Führungsstab. «Dann wären auch die Gemeindepräsidenten de facto ausser Gefecht gesetzt.»

Dies könne etwa der Fall sein, wenn es zu einem Hochwasser oder einem starken Unwetter komme. Und selbst dann, fügt Werlen an, bestehe die Aufgabe des regionalen Führungsstabs in erster Linie in der Betreuung der ansässigen Bevölkerung.

 

Die Suche nach freien Betten

«Wird etwa das Trinkwasser knapp, schneiden wir sicher zuerst das BuLa von der Zufuhr ab», erklärt Werlen mit einem Schmunzeln. Er weiss natürlich, dass das Pfadilager dank einer Vereinbarung mit der Migros sowie dank mehreren Filterpumpen durchaus für sich selbst sorgen kann. Doch Werlens Kernaussage ist klar: Für die Versorgungssicherheit, ebenso wie für die Sanität, die Feuerwehr oder bei Verkehrsunfällen, ist das BuLa selbst verantwortlich. Falls nötig, können die Pfadis dabei auf die Walliser Kantonspolizei oder den Zivilschutz zurückgreifen. Der Regionale Führungsstab Goms wiederum betreut prioritär die Bevölkerung vor Ort. «Wobei wir entsprechend unseren Ressourcen natürlich auch im BuLa aushelfen würden und umgekehrt», sagt Werlen.

Dennoch: Gewisse Vorkehrungen hat natürlich auch der regionale Führungsstab treffen müssen. In erster Linie betraf dies die Suche nach Notunterkünften. «Wenn ein Bach zum Beispiel einen Teil des Lagers überschwemmen würde, wären wir bereit, ein paar Tausend Jugendliche in Unterkünften im ganzen Kanton unterzubringen», sagt Werlen. Dasselbe gelte bei einem Verkehrsunterbruch – denn während des Lagers waren kantonsweit täglich rund 5000 Pfadfinder unterwegs, die abends zurück ins BuLa wollten. Gemeinsam mit den Walliser Kantonsbehörden war Werlens Stab vorgängig zahlreiche Gemeinden angegangen, um zu eruieren, wo noch eine Turnhalle, wo ein Massenlager zur Verfügung stehen würde.

Kurz vor Beginn des Lagers ist Willy Werlen deshalb zuversichtlich, dass sein Team gut aufgestellt ist. «Klar, wenn etwas passiert, gibt es zu Beginn immer eine Chaosphase.» Das Dispositiv aber, das stehe und stimme. «Wobei wir natürlich hoffen, dass wir überhaupt nicht zum Einsatz kommen.»

 

«BuLa, Gemeinden und Kanton mussten eng zusammenarbeiten»

Cédric Vogt, gemeinsam mit Flurina Schai leiten Sie beim BuLa das Ressort Sicherheit und Sanität. Wie haben Sie sich mit den betroffenen Gemeinden Goms und Obergoms auf den Grossanlass vorbereitet?

Cédric Vogt: Wir konnten stark auf die Erfahrungen bauen, welche die Gommer Gemeinden schon hatten. Das betrifft natürlich vor allem die Bereiche Naturgefahren und Unwetter. Gemeinsam mit dem regionalen Führungsstab haben wir dann analysiert, welche Ereignisse wir BuLa-intern managen können und ab welcher Ereignisgrösse der Gommer Führungsstab auch aufgeboten werden soll. Das war ein sehr enger Dialog – schliesslich haben weder wir noch die Gemeinden im Goms zuvor eine Veranstaltung in dieser Grösse durchgeführt.

Haben Sie Beispiele, was konkret besprochen wurde?

Einige Fragen haben wir BuLa-intern geklärt. Zum Beispiel, dass stets genügend Ambulanzen vorhanden waren oder wie wir zusätzliche Transportkapazitäten hätten beschaffen können. Zusammen mit dem Regionalen Führungsstab Goms haben wir etwa über die Bergbäche, die ins Tal führen, gesprochen. Um der Gefahr von Hochwassern vorzubeugen, haben wir gemeinsam beschlossen, die Geschiebesammler im Frühling leeren zu lassen.

Konnten Sie ruhigen Gewissens ins BuLa reisen?

Ja. Wir hatten sehr viele Leute im Team, die gerade im Sanitäts- und Sicherheitsbereich auch von ihrem Berufsleben her viel Erfahrung bei der Durchführung von Grossanlässen mitbrachten. So hatten wir Verantwortliche von grossen Open Airs, Armee- und Polizeikader mit dabei. Gleichzeitig war uns immer bewusst, dass dies ein grosser Anlass werden würde, sodass das BuLa, die Gemeinden und der Kanton eng zusammenarbeiten müssen.

Nachdem das BuLa nun Geschichte ist: Was raten Sie anderen Gemeinden, die einen Grossanlass planen?

Wichtig ist, dass Gemeinden und Veranstalter die vorhandenen Ressourcen gemeinsam analysieren. Es bringt nichts, wenn der Veranstalter sagt, die Feuerwehr sei Sache der Gemeinden, wenn die dortige Feuerwehr sowieso schon unterdotiert ist. Und umgekehrt sollte die Gemeinde frühzeitig klarstellen, welche Leistungen sie erbringen kann und welche nicht. Damit möchte ich nicht sagen, dass dies im Goms schlecht gelaufen ist. Aber ganz allgemein ist es wichtig, eine saubere Ressourcenanalyse durchzuführen und dann gemeinsam zu besprechen, wer was übernehmen und wer wo aushelfen kann.