Die Goldach fliesst durch tief eingegrabene Schluchten und Tobel bis zur Ortschaft Goldach (SG), wo sie in den Bodensee mündet.

Gemeinden engagieren sich für naturnahe Gewässer

09.10.2024
10 | 2024

Der Verein Gewässerperle zeichnet mit dem Label «Gewässerperle PLUS» naturnahe Bäche und Flüsse aus. Die Projekte beruhen auf Freiwilligkeit und Eigenmotivation. Die Gemeinden spielen bei der Initiierung und Umsetzung eine wichtige Rolle. Das zeigt das Beispiel der kürzlich ausgezeichneten Goldach, die durch die vier Gemeinden Rehetobel, Speicher, Trogen und Wald im Kanton Appenzell Ausserrhoden fliesst.

Die Goldach entspringt im Appenzellerland in der Nähe des Ruppenpasses auf einer Höhe von 1016 Metern. Sie fliesst durch tief eingegrabene Schluchten und Tobel bis zur Ortschaft Goldach (SG), wo sie in den Bodensee mündet. «Wir haben die Goldach bisher nicht bewusst als Naturperle wahrgenommen, sondern vielmehr als normalen Dorfbach», erzählt Paul König, Gemeindepräsident von Speicher (AR). Umso erstaunter seien er und seine Kolleginnen und Kollegen der angrenzenden Gemeinden gewesen, als der WWF den Bach als mögliche Gewässerperle bezeichnete und ihnen den Wert des bis anhin «unscheinbaren Gewässers» aufzeigte.

«Wir haben die Goldach bisher nicht bewusst als Naturperle wahrgenommen, sondern vielmehr als normalen Dorfbach.»

Paul König, Gemeindepräsident Speicher (AR) 

Auszeichnung für wertvolle Bäche und Flüsse

Am 15. Juni wurde der Abschnitt der Goldach zwischen Bädli Trogen und Achmüli, inklusive Zuflüsse, für fünf Jahre mit dem Label «Gewässerperle PLUS» zertifiziert. Somit ist der Bach mittlerweile das dritte Gewässer, das mit diesem Label geehrt wurde. Das vom Verein Gewässerperle vergebene Label zeichnet wertvolle Bäche und Flüsse und die Begeisterung der Menschen dahinter aus. Ziel ist es, das Engagement der lokalen Entscheidungsträger zu fördern, die Region aufzuwerten und die Naturschutzpolitik zu stärken.

Gewässer in schlechtem Zustand

Auslöser für die Lancierung des Labels ist laut der Projektverantwortlichen Gabriele Aebli beim WWF die Tatsache, dass sich viele Gewässer in der Schweiz aktuell in einem schlechten Zustand befinden. Mit dem Label «Gewässerperle PLUS», das 2015 lanciert wurde, wolle man den Vollzug nicht per Gesetz vorschreiben, sondern Partner wie Gemeinden oder auch andere Organisationen freiwillig zum Mitmachen motivieren. 2021 wurde mit dem Gewässer Beverin im Oberengadin das erste Projekt mit dem Label ausgezeichnet.

Welche Gewässer kommen für das Label infrage?

«Jedes Gewässer, das in einem natürlichen Umfeld fliesst oder revitalisiert wurde und mindestens zwei Kilometer lang ist, kommt für eine Nomination infrage», erklärt Gabriele Aebli. Wichtig sei, dass der Bach oder Fluss im definierten Abschnitt frei von Verbauungen und Wasserkraftwerken ist, die Wasserqualität gut ist und keine Geschiebe- oder Wasserentnahmen vorgenommen werden. Potenzielle Gewässerperlen-Kandidaten werden anhand einer Datenanalyse des WWF identifiziert. Eine promiente, gewässeraffine Jury unter dem Vorsitz von Christa Rigozzi wählt jedes Jahr zehn Gewässer aus und nominiert sie für die Zertifizierung. Die Gemeinden entscheiden dann, ob sie zusammen mit dem WWF in den Zertifizierungsprozess einsteigen möchten. Aktuell befinden sich laut Gabriele Aebli sieben Gewässer im Zertifizierungsprozess.

Partizipativer Prozess

Ein vom WWF beauftragtes Umweltingenieurbüro prüft dann im Detail, ob das nominierte Gewässer alle fachlichen Zertifizierungskriterien erfüllt. Parallel dazu entsteht in einem partizipativen Prozess ein Entwicklungsplan für fünf Jahre. «Oft übernimmt eine Gemeinde hier den Lead», sagt die Projektleiterin des WWF. Im Rahmen von einer Informationsveranstaltung und ein bis zwei Workshops werden alle Interessierten und Beteiligten eingeladen, sich am Projekt zu beteiligen und die Massnahmen des Entwicklungsplans mitzugestalten. Fachdossier und Entwicklungsplan zusammen ergeben dann das Antragsdossier für die Zertifizierung, das ein unabhängiger wissenschaftlicher Beirat prüft.

Für die Natur und die Gemeinden ein Gewinn

Die Gemeinden spielen bei der Initiierung und Umsetzung der Zertifizierung eine wichtige Rolle. Sie kümmern sich vielerorts um die Böschungspflege von Gewässern, bekämpfen Littering im öffentlichen Raum und realisieren Renaturalisierungsprojekte. Das Projekt sei, so Gabriele Aebli, für die Natur wie auch für die Gemeinde ein Gewinn. «Es stärkt die Biodiversität vor Ort und somit die Attraktivität und Identität einer Gemeinde.»

Massnahmen beruhen auf Freiwilligkeit

Weil der zertifizierte Abschnitt der Goldach durch die vier Gemeinden Rehetobel (AR), Speicher (AR), Trogen (AR) und Wald (AR) fliesst, wurde ein grenzüberschreitender Verein als Trägerschaft für das Projekt ins Leben gerufen. Ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang sei der Unterhalt des Bachufers durch die verschiedenen Anstösser und Waldbewirtschafter. «Solche Massnahmen beruhen auf Freiwilligkeit», betont Gemeindepräsident Paul König und nennt eine Bachputzete, das Verfassen eines Verhaltensknigge für den Aufenthalt am Fluss oder auch die Sensibilisierung in der Schule als Massnahmen zugunsten der Goldach.

Streckenabschnitte erweitern

Der Zustand des Gewässers darf sich während der Zertifizierung nicht verschlechtern. Zudem sollte die Bevölkerung regelmässig für Themen wie Biodiversität, Littering oder auch Neophyten sensibilisiert werden. Je nach Situation seien, so Gabriele Aebli, auch bauliche Massnahmen nötig, um den natürlichen Zustand des Gewässers wiederherzustellen. Die vier Gemeinden an der Goldach bereiten sich zurzeit auf die Rezertifizierung 2029 vor. Ausserdem strebe man, so Paul König, eine Erweiterung des Streckenverlaufs unter Einbezug der Seitenbäche bis hin zur Quelle für die Zertifizierung an.

Das Gewässerperle-Projekt dauert bis 2026 und soll eventuell um drei weitere Jahre verlängert werden.

Fabrice Müller
Freier Mitarbeiter