Für die Gemeindefinanzen hat Covid kaum eine Rolle gespielt
Für die Gemeinden ist Covid gegessen. Als Folge dieser Pandemie haben ihre Finanzen kaum gelitten. Nur wenige Gemeinden haben in den letzten beiden Jahren ihre Steuern heraufsetzen müssen. Und kaum je wegen Covid-19.
Nein, die Covid-Pandemie ist noch nicht vorbei. Fachleute warnen weiterhin davor, bereits zur Tagesordnung überzugehen. In der Tat: Im Frühling 2022 stecken sich immer noch Zehntausende von Schweizerinnen und Schweizern täglich mit diesem Virus an. Doch die Warnungen werden kaum mehr gehört: Für die breite Bevölkerung ist die schlimmste Pandemie seit hundert Jahren kein Thema mehr.
Den Gemeinden, genauer den Gemeindefinanzen, hat diese schwere Lungenkrankheit nur ganz am Anfang grosse Sorgen bereitet. Auch eine zweite Umfrage unter den Gemeindedirektionen der Kantone und verschiedenen Gemeinden hat es nun bestätigt: Nur wenige Gemeinden haben in den letzten beiden Jahren ihre Steuern heraufsetzen müssen. Und kaum eine als Folge der Pandemie.
Zu düstere Prognosen
Nach dem Ausbruch der Covid-Pandemie vor zwei Jahren hatten Wirtschafts- und Finanzexperten noch das Schlimmste befürchtet: Als Folge der Covid-Seuche werde die Wirtschaft die grösste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten zu überwinden haben, befürchtete die Eidgenössische Finanzverwaltung. Die Finanzen der öffentlichen Hand würden dementsprechend tiefrot ausfallen und die Bruttoschulden der öffentlichen Haushalte deutlich ansteigen. Die düstere Prognose hat sich zum Glück nicht bestätigt
Im Gegenteil: Nach dem Ende des ersten Covid-Jahres 2020 und auf Basis der Projektionen für das abgelaufene Jahr zeigt sich ein erstaunlich robustes Bild der Gemeindefinanzen. Covid hat sie nicht in Schieflage gebracht, wie eine Umfrage in allen Kantonen zeigt.
Die Kleinen behaupten sich gut
Bereits mit detaillierten Zahlen über die Effekte der Pandemie auf die Steuern können die Gemeinden der kleinen Kantone aufwarten.
Von den drei Gemeinden des Kantons Glarus hat eine den Steuerfuss gesenkt, bei einer ist die Veranlagung unverändert geblieben, und bei einer wurde sie erhöht. Als Grund wird aber nicht Corona angeführt. «Unseren drei Gemeinden entstehen nur geringe direkte Kosten im Zusammenhang mit Covid-19», sagt Urs Kundert, von der Fachstelle für Gemeindefragen: «Wie sich die Pandemie indirekt – zum Beispiel bei den Steuereinnahmen – in den nächsten Jahren auswirken wird, können wir nicht beurteilen. Jedenfalls ist kein Trend zu Steuererhöhungen als Folge von Covid-19 zu erkennen.» Er fügt an: «Derzeit machen hohe Investitionsausgaben für die Erneuerung und den Ausbau der Infrastrukturen den Gemeinden finanziell zu schaffen».
«Unseren drei Gemeinden entstehen nur geringe direkte Kosten im Zusammenhang mit Covid-19.»
Schwyz: Steuerkraft auf Allzeithoch
Noch zuversichtlicher tönt es aus dem Kanton Schwyz: Die Corona-Pandemie hinterlässt in den Jahresrechnungen der Bezirke, Gemeinden und auch beim Kanton nur geringe Spuren. «Lediglich beim Kanton fallen erhöhte Aufwände wie Härtefallmassnahmen, Spitalfinanzierung oder Contact Tracing an», bestätigt Hermann Grab, Vorsteher des Amtes für Finanzen.
Auf der kommunalen Stufe zeigen sich keine zusätzlichen pandemiebedingten Aufwände, auch lassen die Finanzpläne 2022–2025 beispielsweise keine Zunahme der Sozialkosten erkennen. «Auf der Ertragsseite führt die Pandemie in Verbindung mit der aktuellen Wirtschaftslage mit den Negativzinsen und der allgemeinen Geldmengenausweitung zur wirtschaftlichen Strukturerhaltung zu erfreulichen Rechnungsabschlüssen», führt Grab weiter aus. Eine starke Steigerung der Vermögenswerte führe auf kommunaler und kantonaler Stufe zu bedeutend höheren Steuererträgen. «Die Steuerkraft befindet sich auf einem Allzeithoch. Kanton, Bezirke und Gemeinden können mehrheitlich den Steuerfuss senken.»
Auch die Mittel- bis Langfristperspektive stellt sich aufgrund dieser Konstellation auf der Ertragsseite nach wie vor positiv dar.
Erst generell kann sich der Kanton Zug zur Finanzlage der Gemeinden äussern. Es sei aber bestimmt so, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie kein riesiges Loch in die Gemeindefinanzen gerissen hätten, sagt Gemeindeschreiber Ivo Krummenacher.
Im Kanton Obwalden sind in den Gemeinden laut Jürg Zentner, Leiter Finanzverwaltung und Personal, bisher keine Steuererhöhungen erfolgt. Die Steuereinnahmen seien insgesamt eher gestiegen. Dies hauptsächlich wegen der höheren Zahl von Neuzuzügern und der sinkenden Arbeitslosigkeit. Die Ausgaben für die Sozialhilfe sind nach Zentner im gleichen Rahmen geblieben.
Noch im Dunkeln tappt der Kanton Uri. Hier sind die Gemeinden autonom, und der Kanton betreibt deshalb keine zentrale Stelle.
Beide Basel gut in Schuss
Im Kanton Baselland möchten sich die Behörden noch nicht auf die Äste hinauslassen. Die Gemeinden könnten sich steuerlich aber sicher freuen, weil die Ausgaben für die Pandemie tiefer ausgefallen seien, als befürchtet. Für das Jahr 2022 wird es im Kanton Baselland dennoch in mehr Gemeinden zu leichten Steuererhöhungen kommen als zu Senkungen. Dies allerdings nicht wegen der Ausgaben für die Pandemie, sondern wegen höherer Investitionen.
In der Stadt und Gemeinde Basel war und ist der finanzielle Spielraum vorhanden, um die Covid-Mehrausgaben aufzufangen. Steuererhöhungen sind deshalb keine geplant. Vorgesehen sind im Gegenteil Massnahmen zur Entlastung der Bevölkerung. Der erfreuliche Rechnungsabschluss 2021 macht dies möglich.
Tessin und Westschweiz im Gleichschritt
Bezüglich der Pandemieeffekte auf die Gemeindefinanzen gibt es weder einen Rösti- noch einen Gotthard-Graben: «Wir haben keinen Hinweis, dass sich die Finanzlage der Gemeinden im Kanton Tessin wegen der Effekte der Covid-Pandemie verschlechtert hat. Das zeigen zumindest die bis jetzt festgelegten Steuerfüsse für das Jahr 2022», sagt John Derighetti von der Abteilung der Tessiner Gemeinden.
Kurz und prägnant die Ausführungen aus dem Kanton Neuenburg: «Wir beobachten keine Covid-Steuereffekte für die abgelaufenen beiden Jahre.» Und auch 2022 seien bei den Gemeinden keine Steuererhöhungen geplant.
Von den 236 Waadtländer Gemeinden planen aktuell 23 eine Steuererhöhung und 41 eine -senkung. Grund für die Steuererhöhungen sei aber nicht die Pandemie, sondern die Folgen des Finanzausgleichs, erklärt Fabio Cappelletti von der Abteilung Gemeindefinanzen.
Der Kanton Freiburg hat bei den Gemeinden eine Umfrage gestartet, um die Effekte der Pandemie abzuklären. Die Umfrage hat nach Wirtschaftsberater Gilles Ballaman gezeigt, dass die kleinen Gemeinden kaum Auswirkungen gespürt hätten. Je grösser die Gemeinden, desto grössere Covid-Auswirkungen hatten sie zu schultern. Die Stadt Freiburg bezifferte die Kosten auf 12,1 Millionen Franken, Bulle auf 3,6 Millionen Franken.
In 14 Gemeinden sind die Steuerfüsse für natürliche Personen für 2021 erhöht, in 4 Gemeinden gesenkt worden. Für das laufende Jahr hat sich der Trend aber wieder gekehrt. Es ist nur noch eine Steuererhöhung zu vermelden. In 6 Gemeinden gibt es wieder Senkungen. In aller Regel sind diese Veränderungen aber nicht auf Covid-Effekte zurückzuführen.
Gemeinden in grossen und mittleren Kantonen stabil
Die Gemeinden des Kantons Aargau erweisen sich als finanziell sehr stabil. Es gibt für 2022 keinen Trend zu Steuererhöhungen auf Gemeindeebene. Der Gemeindesteuerfuss ist bei 180 Gemeinden unverändert geblieben, bei 20 Gemeinden ist er gesunken, bei 10 Gemeinden gestiegen. Der durchschnittliche Steuerfuss bleibt nach Jürg Feigenwinter, Leiter Finanzaufsicht Gemeinden, unverändert.
«Die aufwandseitigen Zusatzbelastungen infolge der Covid-Pandemie fallen schwergewichtig auf den Ebenen Bund und Kantone an und nur vereinzelt auf der Ebene der Gemeinden», erklärt Feigenwinter. Zudem seien die Branchen, die von der Pandemie besonders betroffen waren, im Kanton Aargau nicht stark vertreten.
Bei den Berner Gemeinden kann bisher dasselbe Fazit gezogen werden: «Ein Trend zur Erhöhung der Steueranlagen aufgrund der Covid-19-Pandemie kann bisher nicht festgestellt werden», sagt Rolf Widmer, Abteilungsleiter Gemeinden. Anders als 2021 gibt es bei den Gemeinden des Kantons Bern dieses Jahr wieder mehr Steuersenkungen als -erhöhungen.
Graubünden kann sich auch im harten Umfeld behaupten
Der Kanton Graubünden hatte in den letzten beiden Jahren an vielen Fronten zu kämpfen. Mehrere Grossveranstaltungen wie das WEF oder der Spengler Cup mussten abgesagt werden, der Tourismus litt unter den Reisebeschränkungen. Trotzdem blieb die Konjunktur insgesamt stabil und die Arbeitslosenquote tief. «Bei unseren Gemeinden gibt es deshalb keinen Trend zu kommunalen Steuererhöhungen», sagt der Bündner Regierungsrat Christian Rathgeb.
«Ein Blick auf die Gemeinden des Kantons Zürich zeigt, dass auch hier nur vereinzelt höhere Steuerfüsse erhoben werden müssen», vermeldet Alexander Haus, Leiter der Abteilung Gemeindefinanzen. Tendenziell sei 2022 aber häufiger mit Aufwandüberschüssen und als Folge davon mit einem tieferen zweckfreien Eigenkapital und steigenden Schulden zu rechnen.
Tiefere Steuern in den Gemeinden der Kantone St. Gallen, Luzern und Basel-Stadt
Sehr entspannt sieht die Situation bei den St. Galler Gemeinden aus: «In den Gemeinden unseres Kantons ist kein Trend zu Steuererhöhungen erkennbar», sagt Alexander Gulde, Leiter des Amtes für Gemeinden und Bürgerrecht. «Im Gegenteil. So haben etwa im Jahr 2021 14 der 77 Gemeinden ihren Steuerfuss gesenkt. Keine einzige musste eine Steuererhöhung vornehmen.» Auch für das kommende Jahr hätten bereits erste Gemeinden eine Steuerfusssenkung angekündigt
Ähnlich positiv präsentiert sich die Lage im Kanton Luzern. «Sowohl der Kanton als auch verschiedene Gemeinden werden für 2022 die Steuern senken können», unterstreicht Beat Fallegger, Leiter Finanzaufsicht Gemeinden. Die Mehrheit der Gemeinden könne den Steuerfuss 2022 auf dem Niveau des Vorjahres belassen: «Nur einige wenige Gemeinden müssen den Steuerfuss leicht erhöhen. Dies aber infolge struktureller Probleme und nicht wegen Corona.»
Die Sorgen von Solothurn und Thurgau
Bezogen auf die vorliegenden Zahlen 2019/2020 kann kein Trend zu Steuererhöhungen bei den natürlichen Personen ausgemacht werden, lautet das bisherige Fazit bei den Solothurner Gemeinden. «Die Entwicklung der Steuerfüsse zeigt in den letzten Jahren im Durchschnitt eine leicht sinkende Tendenz», sagt Thomas Steiner, Leiter Gemeindefinanzen beim Amt für Gemeinden des Kantons Solothurn.
Anders sieht es bei den juristischen Personen aus. Der deutliche Rückgang der Steuereinnahmen sei aber der Unternehmenssteuerreform III (STAF 2020) geschuldet. Der Solothurner Finanzspezialist weist darauf hin, dass die Bereiche Bildung und Soziale Sicherheit bei den Gemeinden in der Nettobetrachtung die grössten Kostenanteile ausmachen. «Beide Bereiche zusammen belasten die Erfolgsrechnung der Gemeinden mit rund 70 Prozent.»
Das bereitet auch dem Kanton Thurgau Sorgen, hat doch die Corona-Epidemie 2020 zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenquote geführt. Dieser dürfte sich erst in den kommenden Jahren in der Sozialhilfe niederschlagen, da sie verzögert auf Arbeitsmarktentwicklungen reagiert, befürchtet Chandra Kuhn, Geschäftsleiterin des Verbands Thurgauer Gemeinden.
«Wachstumsschmerzen»
Keine Covid-Sorgen, heisst nicht keine Sorgen. Derzeit machen vielen Gemeinden vor allem die hohen Investitionen für die Erneuerung und den Ausbau der Infrastrukturen finanziell deutlich mehr zu schaffen als Ausgaben für Covid-19. Viele Gemeinden verschulden sich dabei immer mehr, um ihre Investitionen zu finanzieren. Die Budgets 2022 und die Finanzplanungen 2023–2026 zeigen, dass in den kommenden Jahren keine Besserung in Sicht ist. Probleme als Folge der Siedlungsentwicklung werden oft auch als «Wachstumsschmerzen» bezeichnet.