Fake oder Fakt? Fake News beschäftigen auch Führungskräfte in Gemeinden.

Fake News: Wie sich Gemeinden schützen können

06.12.2022
12 | 2022

Fake News können Gemeinden schwächen. Die Kommunikation der eigenen Werte bietet hier Gegensteuer. Das darauf aufbauende Führungsprinzip «Diskursive Rechenschaftspflicht» lässt sich in vier Schritten in der Praxis umsetzen.

«Fake-Infos in den kommunalen Abstimmungsunterlagen», «Gemeinderat nimmt Stellung zu Vorwürfen in sozialen Medien» und «Die brodelnde Gerüchteküche lähmt die Verwaltung»: So oder ähnlich lauten Schlagzeilen in den Schweizer Medien. Sie belegen: Fake News und Halbwahrheiten sind eine konkrete Bedrohung für Städte und Gemeinden.

Wie funktionieren Fake News und Halbwahrheiten? Was wirkt dagegen? Und mit welchen praxisbezogenen Massnahmen können Führungskräfte der Verwaltung und Exekutive Gegensteuer geben? Dieser Beitrag gibt darauf Antworten und schlägt als Gegenmittel ein Führungsprinzip vor.

Fake News streben nach Glaubwürdigkeit

Als Fake News werden (Online-)Veröffentlichungen absichtlicher oder wissentlich falscher Tatsachenbehauptungen mit dem Zweck der Irreführung verstanden. Halbwahrheiten sind Informationen, die auf subjektiven Interpretationen beruhen (also beispielsweise Gerüchte).

Fake News und Halbwahrheiten machen es sich zunutze, dass Organisationen, wie das Städte und Gemeinden sind, nur bedingt steuerbar sind: Zwischen Führungsimpuls und dessen beabsichtigter Wirkung finden unberechenbare soziale Prozesse statt. Führungskräfte können diese Prozesse nur am Rande beeinflussen: mittels Kommunikation und Diskurs. In diesen sozialen, diskursiven Prozessen tritt der Impuls der Führungskraft in Konkurrenz zu Fake News und Halbwahrheiten. Es mündet diejenige Information in der Handlung, die am glaubwürdigsten ist.

Am Beispiel der Schlagzeilen: Es besteht das Risiko, dass eine Abstimmungsvorlage verworfen wird, weil die irreführenden Fake News glaubwürdiger als die wahren Argumente waren. Oder: Eine Führungskraft gerät in Verruf, weil Halbwahrheiten in Form von Gerüchten mehr Glauben geschenkt wird als ihren ehrbaren Absichten.

Weil Fake News und Halbwahrheiten Gemeinden mit der Konkurrenzierung der Glaubwürdigkeit schwächen können, sollten Führungskräfte ein vitales Interesse haben, zu verstehen, wie die eigene Glaubwürdigkeit erhöht werden kann.

Kommunikation der eigenen Werte erhöht Glaubwürdigkeit

Wie lässt sich also die Glaubwürdigkeit der Führungskräfte erhöhen? Glaubwürdigkeit ist zwar nicht direkt beobachtbar, indirekt aber können die Träger von Glaubwürdigkeit beobachtet und beurteilt werden: Inhalte und Quellen. Da die Glaubwürdigkeit vor allem mit den sozialen Medien manipuliert werden kann, dürfte sich als Führungskraft anbieten, die Glaubwürdigkeit auf dem Weg zu erhöhen, der sich am wahrscheinlichsten der (digitalen) Manipulation entziehen dürfte: im persönlichen Kontakt. Denn die positive Vertrautheit mit jemandem und darauf aufbauend das Vertrauen zu jemandem erhöhen direkt die Glaubwürdigkeit.

Und wie kann Vertrauen aufgebaut werden? Ein aufgeklärtes Verständnis geht davon aus, dass sich Handelnde auf der Grundlage der verfügbaren Gründe dafür entscheiden, ob sie jemandem vertrauen oder misstrauen.

Wenn nun Führungskräfte ihre eigenen Werte mitteilen und nach diesen Werten handeln, so bieten sie im besten Fall gute Gründe an, dass der Führungskraft Vertrauen geschenkt werden kann. Und wenn Vertrauen geschenkt wird, erhöht sich die Glaubwürdigkeit der Führungskraft und damit der Schutz vor Fake News und Halbwahrheiten.

Schaffen von Diskursraum

Dieser Schutz kann verstärkt werden: Wenn sich die Führungskräfte zusätzlich zur Rechenschaft verpflichten, schaffen sie einen diskursiven Raum, in dem die Mitarbeitenden über das Recht verfügen, die angebotenen Werte im Austausch mit der Führungskraft zu klären. Im besten Fall führt diese Klärung dazu, dass der Führungskraft noch verstärkter Vertrauen geschenkt werden kann. Und wenn Vertrauen geschenkt wird, erhöht sich, wie bereits ausgeführt, die Führungsglaubwürdigkeit.

Dass ein solcher diskursiver Raum durch die Mitarbeitenden angesichts wahrscheinlicher Machtasymmetrien tatsächlich in Anspruch genommen wird, bedarf eines Anreizes: nämlich des Einforderns und des Nichtsanktionierens der Nutzung dieses Diskursangebots durch die Führungskraft.

Fazit: Führungsprinzip «Diskursive Rechenschaftspflicht»

Aus diesen Überlegungen lässt sich auf das glaubwürdigkeitserhöhende und damit vor Fake News und Halbwahrheiten schützende Führungsprinzip «Diskursive Rechenschaftspflicht» schliessen: Die Führungskraft sollte ihre Werte gegenüber den Mitarbeitenden kommunizieren (und in der Folge wertekonform handeln) und ist dafür rechenschaftspflichtig, ohne das Einfordern dieser Rechenschaftspflicht zu sanktionieren.

Und was ist nun mit der Anwendung des Führungsprinzips in Bezug auf die Schlagzeilen gewonnen? Wenn Mitarbeitende und Stimmberechtigte zum Austausch mit Führungskräften der Verwaltung und der Exekutive eingeladen sind, so erhöht sich deren Glaubwürdigkeit bereits präventiv: Es besteht gegenüber Fake News in Abstimmungsunterlagen, Vorwürfen in den sozialen Medien und Gerüchten ein Glaubwürdigkeitsvorsprung. Allfällige Irritationen können im Diskurs zeitnah geklärt und eine dynamische Verbreitung von irreführenden Informationen kann so verhindert werden. Mit der «Diskursiven Rechenschaftspflicht» wird das Risiko, dass sich Fake News und Halbwahrheiten in der Praxis durchsetzen, minimiert.

Umsetzung in der Praxis

Die Anwendung des Führungsprinzips erfolgt in vier konkreten Schritten:

1. Erarbeitung der eigenen Werte: Damit Werte mitgeteilt werden können und nach Werten gehandelt werden kann, besteht die Notwendigkeit, die eigenen Werte zu klären.

2. Kommunikation der eigenen Werte: Da das Führungsprinzip einen Austausch von Führungskraft und Mitarbeitenden vorsieht, sind die eigenen Werte zumindest den direkt unterstellten Mitarbeitenden zu kommunizieren. Eine weiter gehende Kommunikation gegenüber allen Mitarbeitenden und sogar gegenüber der Öffentlichkeit (als Führungskräfte der Exekutive zum Beispiel im Rahmen von Wahlwerbung) empfiehlt sich.

3. Wertekonformes Handeln: Die Glaubwürdigkeit der kommunizierten Werte ist ein fragiles Gut: So, wie man sie in langwierigen und zuweilen mühsamen Prozessen entwickeln muss, so kann man sie in kurzen Momenten der Versuchung und fatalen Entscheidung nachhaltig zerstören. Das Führungsprinzip setzt ein Mindestmass an Integrität voraus.

4. Rechenschaftspflicht gegenüber Mitarbeitenden deklarieren und Diskursanreiz setzen: Die Mitarbeitenden sind einzuladen, in den Diskurs zu treten, und es ist zu avisieren, dass das Einfordern der kommunizierten Werte nicht sanktioniert, sondern anerkannt wird.

Patrick Müller
Gemeinde Urdorf
Leiter Stab