Fachkräftemangel: Die Zürcher Gemeinden helfen sich gegenseitig
Die Experten sind sich einig: Rasch wird der Fachkräftemangel bei den Gemeinden nicht verschwinden. Diese Erkenntnis hat den Verein Zürcher Gemeinde- und Verwaltungsfachleute (VZGV) veranlasst, für Städte und Gemeinden ein Projekt zu lancieren, mit dem die Herausforderung gemeinsam aufgefangen und gemildert werden soll. Zum neuen Projekt gehören die gegenseitige Unterstützung mit Coachings, die Förderung der Zusammenarbeit sowie spezielle Ausbildungsprogramme für junge Berufsleute.
Cornelia Müller ist erfreut. «Voraussichtlich kann ich einem jungen Verwaltungskaufmann neben seiner berufsbegleitenden Weiterbildung während eines Jahres eine befristete Anstellung anbieten», sagt die Gemeindeschreiberin der Zürcher Gemeinde Mönchaltorf. Ohne Berufserfahrung habe der Mann keine Teilzeitanstellung auf einer Verwaltung gefunden. Die Anstellung erfolgt im Rahmen des Projekts «Fachkräftemangel», das der Verein Zürcher Gemeinde- und Verwaltungsfachleute (VZGV) dieses Jahr lanciert hat.
Einer der drei Pfeiler ist der Bereich «Ausbildungsprogramme», der sich an Lehrabgänger und Lehrabgängerinnen sowie und junge Berufsleute richtet. Dieser Zielgruppe werden befristete Arbeitsstellen in verschiedenen Verwaltungen und Fachbereichen angeboten. Ziel ist es, dass sich der Nachwuchs bedarfsgerecht weiterbilden kann und der Branche erhalten bleibt.
«Ich bin überzeugt, dass wir das Problem nur als ganze Branche lösen können.»
Schwierige Stellenbesetzung
Vor bald drei Jahren reifte bei den Gemeindevertretern im VZGV die Überzeugung, dass die Städte und Gemeinden beim Fachkräftemangel aktiv werden müssen. Und zwar gemeinsam. «Wir haben immer wieder grosse Mühe, vakante Stellen adäquat und innert nützlicher Frist neu zu besetzen», sagt Cornelia Müller. Und Didier Mayenzet, Gemeindeschreiber von Meilen sowie Co-Präsident des VZGV, ergänzt: «Für eine einzelne Stadt oder Gemeinde sind die Möglichkeiten überschaubar, diesem Problem nachhaltig entgegenzuwirken.» Er ist «überzeugt, dass wir das Problem nur als ganze Branche lösen können».
Entstanden ist ein Konzept, das primär auf Hilfe zur Selbsthilfe setzt. Verfolgt wird das Ziel, den Fachkräftemangel gemeinsam aufzufangen und zu mildern. Statt personelle Lücken mit externen Springern und Springerinnen zu füllen, können Städte und Gemeinden über die Website des VZGV konkrete Dienstleistungen anbieten oder nachfragen. Es ist ein Geben und Nehmen unter den Verwaltungen. Neben den Ausbildungsprogrammen gibt es zwei weitere Standbeine:
Beim Bereich «Coaching» kann eine Stadt oder Gemeinde eine unterstützende Fachperson aus dem Umfeld einer Verwaltung engagieren, wenn sie neue Mitarbeitende einarbeiten muss. Sinnvoll ist dies insbesondere bei Personen, die quer einsteigen und im Fachgebiet, in dem sie arbeiten werden, noch nicht sattelfest sind. Coaches beschreiben auf der Website, in welchen Fachbereichen sie helfen können. Gemeinden oder Städte, die Unterstützung suchen, nehmen Kontakt mit einer möglichen Coachingperson auf und vereinbaren die Art und den Umfang des Einsatzes.
Der Bereich «Zusammenarbeit» kommt ins Spiel, wenn der Alleingang an Grenzen stösst. Eine Gemeinde kann beispielsweise vor der Herausforderung stehen, dass ausgebildetes Personal fehlt, nicht gefunden werden kann, die Stellenprozente für eine einzelne Gemeinde zu tief sind oder eine Auslagerung von Aufgaben sinnvoll oder nötig ist. Dann kommt allenfalls eine Zusammenarbeit in einer neuen Organisationsform infrage – zum Beispiel in gemeinsamen Kompetenz-, Informations- oder Beratungszentren. In diesem Bereich unterstützt das Projekt primär mit Hilfestellungen, Checklisten und konkreten Praxisbeispielen.
«Es braucht Zeit»
Mehr als 60 Personen aus Städten und Gemeinden haben im letzten Jahr geholfen, das Angebot so zu formen, dass es der Branche dient. Offiziell lanciert wurde das Projekt Mitte April 2024 mit einem Online-Informationsanlass. Über 180 Personen haben am Anlass teilgenommen. Inzwischen haben sich 85 Personen in unterschiedlichen Rollen auf der Projektplattform registriert. Das Interesse ist gross, der Bedarf scheint ausgewiesen. Genutzt werden die Angebote noch zaghaft. «Es braucht Zeit, bis strukturelle Änderungen für einen Ausbildungsplatz oder für die Bereitschaft zur Zusammenarbeit etabliert sind», sagt Jürg Rothenberger, Auftraggeber des Projekts und Mitglied des VZGV-Vorstands. Auch deshalb sei das Projekt auf vier Jahre bis 2027 ausgelegt.
In Mönchaltorf stellt Gemeindeschreiberin Cornelia Müller bereits ein Umdenken fest. Bisher sei das Budget für die befristete Anstellung von jungen Berufsleuten beschränkt gewesen. Das habe die Gemeinde geändert. «Es ist kostengünstiger, einer jungen Person eine Chance zu geben, als wiederholt auf teure Springerleistungen zurückgreifen zu müssen.» Von den drei Angeboten im Projekt ist die Gemeindeschreiberin «sehr überzeugt, weil alle einen grossen praktischen Bezug haben.»
«Gemeinden 2030»
Zum Thema Fachkräftemangel betreut der VZGV neben dem eigenen Projekt eine Arbeitsgruppe der politischen Plattform «Gemeinden 2030». Diese Gruppe befasst sich eher mit übergeordneten Fragen. Dazu gehören zum Beispiel die interne Organisation und Arbeitskultur; speziell auch das Arbeitsklima zwischen den politischen Behörden und der Verwaltung. Wichtig sind zudem die Vermittlung von Arbeitgebervorteilen der öffentlichen Verwaltung oder attraktive berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Die Gruppe will in diesem Jahr gute Praxisbeispiele sammeln und Informationen bereitstellen, wie das Thema gemeindeintern angegangen werden kann.