Einführung von HRM2: eine Bilanz
Für einmal nicht hören müssen, es sei von Kanton zu Kanton oder von Gemeinde zu Gemeinde verschieden, sondern überall gleich. Ob bei einer kleinen Gemeinde oder einem grossen Kanton. Das Ziel, das sich die Experten beim harmonisierten Rechnungslegungsmodell HRM2 gesetzt hatten, war sehr ehrgeizig. Wie gut es erreicht worden ist, zeigt eine stichprobenartige Umfrage bei verschiedenen Gemeinden.
HRM2, das neue harmonisierte Rechnungslegungsmodell, bildet seit einigen Jahren die neue Grundlage für die Rechnungslegung bei Kantonen und Gemeinden. Zeit also, um bei den Gemeinden nachzufragen, welche Erfahrungen sie gemacht haben. Daumen hoch, findet Andreas Bindschädler, Leiter der Abteilung Finanzen der Gemeinde Hinwil (ZH): «Die neue Rechnungslegung konnte fristgerecht auf Anfang 2019 eingeführt werden und hat sich gut bewährt.» Auch im Detail gibt es viel Positives: «Der neue Kontenplan ist verständlicher aufgebaut als die alten HRM1-Konten. Und mit der Einführung der Anlagenbuchhaltung ist die Buchführung zwar komplexer, dafür aber aussagereicher geworden.»
Die Anlehnung an die internationalen Rechnungslegungsstandards erleichterten das Verständnis und das Umsetzen der Bewertungs- und Buchungsregeln. Fertig sei ein Projekt aber bekanntlich nie: «Das Feintuning bei der Buchhaltungssoftware ERP-SW Abacus an die neuen Anforderungen dauert bis heute an. Die Sache ist zwar nicht schwierig, aber zeitintensiv.»
Die Kosten für die Umstellung machen sich nach Bindschädler indirekt bezahlt: «Abläufe konnten neu definiert und schlanker gestaltet werden. Dank der Umstellung waren die Auftraggebenden, Kundinnen und Kunden sowie die Nutzenden auch zu Veränderungen bereit, die vorher nicht akzeptiert worden wären.» Eine weitere Konsequenz: «Die Anforderungen an das Fachwissen sind gestiegen. Es wird sich zeigen, ob die Rekrutierung von Personal nun einfacher oder schwieriger wird.»
«Der neue Kontenplan ist verständlicher aufgebaut als die alten HRM1-Konten.»
Nicht nur Lobenswertes
Erich Huber, Leiter der Finanzverwaltung Düdingen (FR), äussert sich zunächst ebenfalls zufrieden: «Mit HRM2 ist der Finanzhaushalt deutlich transparenter geworden. Es lassen sich einfacher Vergleiche mit anderen Gemeinden erstellen.» Die Einführung habe insbesondere bei der Anlagebuchhaltung einige Korrekturen verursacht. Dafür habe man nun einen bereinigten Stand.
Huber äussert aber auch Kritik: «In gewissen Bereichen hat eine Überregulierung stattgefunden, und die Umsetzung hat viele personelle Ressourcen beansprucht.» So habe die Einführung des internen Kontrollsystems (IKS) länger gedauert: «Obwohl viele im IKS abgebildeten Prozesse und Kontrollen bei den Gemeinden bereits vorhanden waren, mussten sie in ein IKS überführt und formalisiert werden. Das war sehr aufwendig.»
Die Hauptschwierigkeit lag nach Huber bei den personellen Ressourcen, um die Umstellung zu stemmen: «Man musste teilweise externe Büros beiziehen, die schon überlastet waren, da sie auch von anderen Gemeinden beauftragt wurden. Ein Grund hierfür war, dass der Kanton Freiburg kaum Vorlagen zur Verfügung gestellt hat. Man musste fast alle Dokumente selbst kreieren. Viele Gemeinden bedienten sich dann bei den Vorlagen des Kantons Solothurn oder bei den Kantonen Aargau und Graubünden.»
Die Kosten-Nutzen-Rechnung für Düdingen war bei der Einführung von HRM2 negativ. «Der Aufwand war sehr gross, der direkte Nutzen anfänglich sehr klein. Im Verlaufe der Jahre sollte sich das aber etwas ausgleichen.» Besonders ärgerlich ist gemäss Huber, dass HRM2 für die Gemeinden und den Kanton Freiburg unterschiedlich festgelegt wurde: «So darf beispielsweise der Kanton Fonds und Rückstellungen bilden, wie es ihm gerade passt. Genau das wollte man doch vermeiden und wurde den Gemeinden verboten.»
«In gewissen Bereichen hat eine Überregulierung stattgefunden, und die Umsetzung hat viele personelle Ressourcen beansprucht.»
Kosten-Nutzen-Rechnung geht auf
Für Pascal Eichmann, Leiter Finanzen und Steuern der Stadt Bischofszell (TG), hat sich HRM2 bewährt: «Die Rechnungslegungsvorschriften des neuen Modells sind zwar strenger. Dafür bestehen nun einheitliche Regeln, die die Vergleichbarkeit fördern. Bewährt haben sich ebenfalls die Anlagebuchhaltung, die einheitlichen Bewertungsmethoden sowie die Berichterstattung und der einheitliche Kontenplan. Aufwendig war die Einführung der Anlagebuchhaltung. Sie bedingte eine detaillierte Übersicht über alle Vermögenswerte. Diese mussten aktualisiert und ergänzt werden.»
Die Kosten-Nutzen-Rechnung geht für Pascal Eichmann auf. «Der Nutzen aus der Anlagebuchhaltung und der transparenteren Rechnungslegung überwiegt die zusätzlichen Kosten für den Jahresabschluss auf jeden Fall.»
Nicht optimal sei dagegen das Verfahren zur Erfassung von nicht realisierten Bucherfolgen aus der periodischen Neubewertung von Finanzvermögen. Der Weg über die Erfolgsrechnung sei nicht zweckmässig oder verfälsche das Bild des Gesamtergebnisses. Die buchhalterische Erfassung über das Eigenkapital bzw. über eine Neubewertungsreserve wäre hier wünschenswert.
«Die Rechnungslegungsvorschriften des neuen Modells sind zwar strenger. Dafür bestehen nun einheitliche Regeln.»
Weiterentwicklung von HRM1
Erarbeitet wurde HRM2 von der Fachgruppe für kantonale Finanzfragen (FkF). Dies im Auftrag der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) und als Weiterentwicklung von HRM1. Quintessenz dieser Arbeit waren 20 Fachempfehlungen, die im Januar 2008 von der FDK genehmigt wurden. Gemäss dem Schweizerischen Rechnungslegungsgremium für den öffentlichen Sektor (SRS-CSPCP) führten die Nidwaldner Gemeinden HRM2 im Jahr 2010 als Erste ein. In den Gemeinden des Kantons Waadt läuft die Umsetzung von 2024 bis 2027.