Eine Vision für den Grossraum Genf
Grand Genève stellt sich auf bis zu 400 000 zusätzliche Einwohnerinnen und Einwohner im Jahr 2050 ein. Für die Planung der künftigen Raum- und Verkehrsentwicklungen arbeiten die französische und die Schweizer Seite auf regionaler und lokaler Ebene zusammen. Zum Grossraum Genf zählen neben dem Kanton Genf und dem Waadtländer Distrikt Nyon die französischen Departemente Haute-Savoie und Ain der Region Auvergne-Rhône-Alpes.
Eine Million Menschen leben im Grossraum Genf. Man ist über die Landesgrenzen hinweg Nachbarn, hat jedoch nicht dasselbe Geld und nicht dieselbe nationale Politik. Dennoch plant man seit den 2000er-Jahren gemeinsam. Anfang Juli haben die französische und die Schweizer Seite ihre grenzübergreifende räumliche Vision (VTT) verabschiedet, die den Rahmen für die Raumplanung von Grand Genève bis 2050 festlegt. «Die Idee ist, unsere Lebensqualität, unseren Wohlstand und unsere Offenheit auch künftig zu bewahren», sagte Antonio Hodgers, Genfer Staatsrat für das Département du territoire, bei dem Anlass. Die Vision umfasst Themen wie Mobilität, Urbanisierung, Erhaltung natürlicher Ressourcen, Arbeitsplätze und Wohnraum.
«Das Bevölkerungswachstum im Grossraum Genf ist aufgrund der blühenden Wirtschaft sehr dynamisch», erklärt Joël Vetter, Chef des Projekts Mobilität Grand Genève in Hodgers’ Departement. Laut der VTT werden 2050 zusätzlich 200 000 bis 400 000 Einwohner in der Region Grand Genève erwartet. «Es stellt sich also die Frage, wie wir diese Menschen zu guten Bedingungen aufnehmen und gleichzeitig den CO2-Ausstoss vermindern können», sagt Vetter. Um eine Zersiedelung zu vermeiden, soll dies in bereits bebauten Gebieten geschehen, wo Dienstleistungen und eine leistungsfähige Mobilitätsinfrastruktur vorhanden sind.
«Es stellt sich die Frage, wie wir all diese Menschen zu guten Bedingungen aufnehmen und gleichzeitig den CO2-Ausstoss vermindern können.»
Grenzübergreifende Instanz
Zuständig für die Planungen ist der lokale Verband für grenzüberschreitende Zusammenarbeit GLCT (Groupement local de coopération transfrontalière). Er besteht aus acht Mitgliedern: Für die Schweiz sind Stadt und Kanton Genf, der Distrikt Nyon und der Kanton Waadt dabei. Auf der französischen Seite sind es die Region Auvergne-Rhône-Alpes, die Departemente Ain und Haute-Savoie sowie der Pôle métropolitain du Genevois français, die Behörde für lokale Planung und Mobilität. Als Beobachter sind der Bund und Frankreichs Regierung im GLCT, der auch von der EU anerkannt wird. Die Landesgrenze sei eine dauernde Herausforderung, sagt Vetter. So musste man innerhalb des GLCT bei fast jedem Thema zunächst ein gemeinsames Vokabular definieren, beim Strassennetz etwa die Bezeichnungen der Haupt- und Nebenstrecken klären.
Der GLCT hat die VTT verabschiedet sowie 2023 die Charta «Grand Genève en transition». Zu den 10 Charta-Zielen einer ökologischen Entwicklung zählen die CO2-Neutralität, die Förderung der Biodiversität, die Reduktion des Rohstoffverbrauchs sowie auch der sozialen Ungleichheit.
Mobilitätsstrategie
Die Zahl der Transporte stellt hohe Anforderungen an die Raum- und Verkehrsentwicklung. 110 000 Grenzgänger arbeiten heute im Kanton Genf. Dieser verzeichnet täglich 650 000 Grenzübergänge in beiden Richtungen, vor allem mit dem Auto. Insgesamt gibt es im Grossraum Genf täglich 4,2 Millionen Transporte, einschliesslich mit Velos. Das Ziel ist, dass Pendler vermehrt auf den öffentlichen Verkehr umsteigen. Das Rückgrat für die grenzübergreifende Mobilität sei seit Ende 2019 die S-Bahn Léman Express mit 70 000 Reisenden pro Tag, sagt Vetter.
Der Bund beteiligt sich mit dem Programm Agglomerationsverkehr bis zu 40 Prozent finanziell an Verkehrsprojekten, im Grossraum Genf bisher mit über 500 Millionen Franken. Dieser reichte seit 2007 vier Projekte ein. Mit dem letzten, das bis 2027 läuft, wird etwa die Tramlinie ab der UNO bis nach Ferney-Voltaire in Frankreich verlängert. Die Umweltziele der Charta werden in das 5. Projekt integriert, das der GLCT dem Bund im Juni 2025 vorlegen will.
Grünraum
Mit der Voie Verte entsteht ein neuer 37 Kilometer langer Grünraum für sanfte Mobilität. Er wird von Bonne in Haute-Savoie über Genf bis nach Saint-Genis-Pouilly im französischen Departement Ain führen. Einige Abschnitte bestehen bereits, andere befinden sich im Bau. Es handelt sich nicht nur um einen Fuss- und Veloweg, sondern auch um einen Ort der Entspannung und Freizeitgestaltung. Geleitet wird der Bau der Voie Verte auf Schweizer Seite vom Kanton Genf, der dazu ad hoc Steuerungskomitees mit Gemeinden bildet.
Eine besondere Rolle hat dieser Grüne Weg in der Genfer Stadt Vernier. «Er wird die Mobilität völlig verändern», sagt Mathias Buschbeck, Mitglied der Exekutive von Vernier. Die Quartiere der Stadt mit bald 40 000 Einwohnern sind durch grosse Strassen getrennt. Eine Brücke, die nun für die Voie Verte über die Autobahn gebaut wird, kann sie wieder miteinander verbinden.
«Die Voie Verte wird die Mobilität in Vernier völlig verändern.»