Ein Ort, der in der Gemeinde Synergien schafft
Der Gemeindeverband Chrüzmatt Hitzkirchertal benötigt in den nächsten 20 Jahren rund 140 neue Pflegeplätze. Statt das bestehende Pflegezentrum zu erweitern, gehen die Gemeinden neue Wege mit einem Mehrgenerationenprojekt.
Die Luzerner Gemeinden Aesch, Ermensee, Hitzkirch und Schongau bilden den Gemeindeverband Chrüzmatt Hitzkirchertal. Gemeinsam betreiben sie die stationäre Pflegeeinrichtung Chrüzmatt mit 97 Pflegeplätzen und 16 altersgerechten Wohnungen im Zentrum von Hitzkirch. Deren Kapazitäten sind heute ausreichend, doch die Prognosen zeigen speziell für das Seetal und die Region Hitzkirch einen sehr grossen Pflegeplatzbedarf. Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung muss mit einem zusätzlichen Bedarf von 136 Betten bis zum Jahr 2040 gerechnet werden. Dies bedeutet für die Verbandsgemeinden finanzielle Konsequenzen in Millionenhöhe. Darüber hinaus werden heute einige der Pflegeplätze von Personen genutzt, die dieses Angebot aufgrund verschiedener Faktoren noch nicht in Anspruch nehmen müssten – es fehlt jedoch an Alternativen. Zwischen dem Wohnen zu Hause und einem Bett in einer stationären Einrichtung besteht eine Angebotslücke, die das Projekt Stöcklimatt mit seinem sozialräumlich eingebetteten, generationendurchmischten Wohnangebot schliessen will.
«Bereits im Jahr 2013 hat sich die damalige Geschäftsleitung der Chrüzmatt Gedanken gemacht. Anlass waren die Prognosen zur demografischen Entwicklung. Relativ rasch war klar, dass eine reine Aufstockung der Pflegeplätze nicht die Lösung sein kann», sagt Raymond Neumann, der Projektleiter Stöcklimatt und Geschäftsführer Chrüzmatt.
Lebensgemeinschaft entwickeln
Michaela Spänle, Leiterin Bildung & Qualiät und stellvertretende Geschäftsführerin der Chrüzmatt, ergänzt: «Wie wollen wir als Gesellschaft in Zukunft zusammenleben? Das war die Ausgangsfrage für uns. Denn wir wollen nicht nur eine Hülle entwickeln, sondern eine Lebensgemeinschaft.» Mit der Stöcklimatt soll ein Wohnquartier in Hitzkirch für alle Generationen entstehen: 70 Prozent Alterswohnen, 20 Prozent Familienwohnen und 10 Prozent Wohnen für Alleinstehende. Gleichzeitig soll die Stöcklimatt ein Ort sein, der bis in die umliegenden Gemeinden ausstrahlt. Mit einer Kindertagesstätte und kulturellen Angeboten will das neue Quartier offen sein für alle, nicht nur für die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner. Um diese umfassenden Überlegungen umsetzen zu können, wird das Projekt Stöcklimatt in drei Teilprojekte aufgesplittet: Wohnraum (1), Sozialraum (2) sowie Angebote und Dienstleistungen (3).
Zusammenarbeit mit Stiftung und Hochschule
Herzstück des Projekts ist das Sozialraumkonzept, das durch die Walder Stiftung finanziert und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit erarbeitet wurde. Im Zentrum stehen die handelnden Menschen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen, Vorstellungen und Wahrnehmungen. Zunächst wurde im ganzen Seetal analysiert, welche Voraussetzungen benötigt werden, damit die Menschen so lange wie möglich zu Hause bleiben können. Und daraus abgeleitet, welche Funktionen die Stöcklimatt übernehmen kann und soll. Zentral dabei: Aufbauen auf dem, was bereits da ist. Die Bevölkerung engagierte sich im Rahmen eines öffentlichen Echoraums, Interviews mit Schlüsselpersonen lieferten weitere wichtige Hinweise für die Ausarbeitung des Sozialraumkonzepts. «Im Echoraum wurden die Ideen und die Vision der Stöcklimatt mit interessierten Einwohnerinnen und Einwohnern diskutiert. Die Bevölkerung sieht das Potenzial der Idee, aber natürlich variieren die Vorstellungen eines gemeinschaftlichen Zusammenlebens», sagt Beatrice Durrer von der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit.
Angebote für lebendige Nachbarschaft
Dafür wurde zur Unterstützung die Metron Raumentwicklung AG beigezogen, die später auch die Erarbeitung des Gestaltungsplans verantwortete.
Ausgehend von den Erkenntnissen des Teilprojekts 2 wird im Teilprojekt 3 ein Unterstützungs- und Dienstleistungsangebot aufgebaut, das Freiwilligenangebote mit dem professionellen Versorgungsangebot der benachbarten Chrüzmatt verbindet. In der zentralen Koordinationsstelle, die in den Räumlichkeiten der Stöcklimatt untergebracht wird, laufen so die Fäden der drei Teilprojekte zusammen. «Dreh- und Angelpunkt ist die Koordinationsstelle. Hier gibt es einerseits Unterstützung rund um das Thema Gesundheit. Doch mindestens genauso wichtig ist die sogenannte Quartieranimation. Wir wollen Angebote für eine lebendige Nachbarschaft schaffen, zum Beispiel mit kulturellen Veranstaltungen», sagt Cornelius Müller, Präsident des Gemeindeverbands Chrüzmatt Hitzkirchertal. Erkenntnisse, die aus sozialräumlicher Perspektive für die bauliche Planung des Teilprojekts 1 von Bedeutung sind, wurden zusammengestellt und im Programm des Projektwettbewerbs berücksichtigt. Dafür wurde zur Unterstützung die Metron Raumentwicklung AG beigezogen, die später auch die Erarbeitung des Gestaltungsplans verantwortete.
Aus 50 Bewerbungen wurden zehn Architekturbüros zur Teilnahme ausgewählt, davon zwei Nachwuchsbüros. Eines der beiden, GOA Architektur GmbH aus Zürich, ging 2020 als Sieger aus dem Verfahren hervor. Mit dem Entscheid des Wettbewerbs wurde die Idee der Stöcklimatt sichtbar und greifbar; die Erarbeitung des Gestaltungsplans bildet die Basis für die etappierte Realisierung der Stöcklimatt. Was noch fehlt, ist die Zusage der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Juni 2021. Cornelius Müller, Präsident des Gemeindeverbands Chrüzmatt Hitzkirchertal, drückt die Daumen. «Am Anfang hatten wir ja nur eine Idee. Das ist erstmal schwer zu vermitteln. Doch dann haben wir mit dem Gestaltungsplan die Idee in ein konkretes Projekt umgewandelt. Jetzt wissen die Leute, worüber sie abstimmen.» Hugo Beck, in der Gemeinde Hitzkirch zuständig für das Ressort Gesundheit und Soziales, spricht in diesem Zusammenhang auch von Standortförderung. «Auch im Rahmen der Zentrumsentwicklung überlegen wir, wie Hitzkirch attraktiv gestaltet werden kann. Da ist die Stöcklimatt natürlich ein Ort, der Synergien schafft. Ein guter Angebotsmix in Zentrumsnähe trägt dazu bei, dass man sich in unserer Gemeinde wohl fühlt.»
«Wie wollen wir als Gesellschaft in Zukunft zusammenleben? Das war die Ausgangsfrage für uns.»