Effizientes Wirtschaften setzt auf Kreisläufe
Unsere Rohstoffe sind zu wertvoll, um sie nach einmaligem Gebrauch zu entsorgen. Dies motiviert immer mehr Unternehmen, neue Ideen und innovative Lösungen zu entwickeln, damit das Material im Kreislauf bleibt und somit länger genutzt wird. Auch die öffentliche Hand kann mit einer nachhaltigen Beschaffung ihren Beitrag leisten.
Ressourceneffizienz, Recycling und Zero Waste sind aus der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Der zentrale Ansatz, um die Wirtschaft auf eine nachhaltige Bahn zu führen, ist die Kreislaufwirtschaft: «Man muss die Beteiligten der gesamten Wertschöpfungskette einbeziehen und an einen Tisch bringen», sagt Eva Bucherer von Make Furniture Circular (MFC). Das Projekt ist eine Initiative von Praktischer Umweltschutz Schweiz (Pusch) und Engagement Migros, einem Förderfonds der Migros-Gruppe. Es verfolgt das Ziel, Möbelunternehmen zu einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft zu bewegen.
Schon bei der Produktion ans Recycling denken
Anhand des Alltagsprodukts Matratze zeigt MFC auf, was in der heutigen Wertschöpfungskette schiefläuft und wo Werkstoffe in Kreisläufe zurückgeführt werden können. Weil die Schlafunterlage kompliziert aufgebaut und verklebt ist, gilt sie als wenig recyclingfähig. Dass die Matratzenproduktion aber keine Materialschlacht sein muss, zeigt etwa das Beispiel des niederländischen Bettenherstellers Royal Auping: Seine Lösung basiert auf einem zerlegbaren Modell, aufgebaut aus einzelnen Bestandteilen, die nach Gebrauch wieder für die Herstellung neuer Matratzen verwendet werden können. Ein echter Kreislauf, denn hier wird das Produkt am Ende seiner Lebenszeit wieder als Rohstoff für ein neues Exemplar derselben Gattung eingesetzt. Ende September 2020 fand bereits das zweite Treffen statt, an dem sich Akteurinnen und Akteure der Schweizer Matratzenindustrie versammelten, um gemeinsam Lösungsansätze zu suchen. MFC ist eines von zahlreichen Projekten, welche die Plattform Circular Economy Switzerland auflistet.
Module machen es möglich: das Gebäude auf Zeit
Das puzzleartige Zusammensetzen und wieder Auseinandernehmen ist auch die Grundidee der Containergebäude von FAGSI. Das Unternehmen der ALHO-Gruppe aus Wikon (LU) hat sich auf die Vermietung und den Verkauf von FAGSI-Containergebäuden spezialisiert. Bereits zum zweiten Mal wurde die Schulanlage Oescher in Zollikon (ZH) am Zürichsee mit Hilfe dieser originellen Bauweise erweitert. «Eine Besonderheit unserer Gebäude ist, dass man sie problemlos zurückbauen und in ihre einzelnen Einheiten zerlegen kann», erklärt Nico Kreyss, Leiter Vermietung bei der FAGSI. Die Kundschaft nutzt die Containergebäude nur so lange, wie sie sie tatsächlich benötigt. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft nimmt FAGSI die Container dann wieder zurück. Sie werden gereinigt, aufbereitet und an einem anderen Ort erneut eingesetzt.
Aufbereiten und Wiederverwenden statt Entsorgen
Ein Konzept, das ökologische Produktion mit sozialem Engagement und gemeinnütziger Arbeit verbindet, ist A+B Insieme. Der schweizweite Bring- und Holservice von Strassenbesen mit Nachbestückung in lokalen Behindertenheimen wurde im Sommer 2020 lanciert. Initiator ist die A+B Bürsten-Technik AG aus Wattwil (SG). «Wir testeten das Konzept zuerst mit Institutionen aus der Ostschweiz und aus Bern und stellten ein grosses Interesse fest», sagt Thomas Nüesch, Geschäftsführer und Mitinhaber der Bürstenfabrik. Die steigende Nachfrage nach individuellen und nachhaltigen Strassenbesen sowie die guten Erfahrungen aus den regionalen Tests bildeten dann den Ursprung des Angebots A+B Insieme.
Das Prinzip folgt der Logik von runderneuerten Autoreifen: Statt bei fehlendem Profil das ganze Teil zu entsorgen, wird nur ersetzt, was abgenützt ist. Ein Strassenbesen besteht aus einem Bürstenkörper und den Borsten als Besatzmaterial. In der konventionellen Herstellung wird der Leerteller, an dem die Borsten befestigt sind, entsorgt, sobald die Borsten nicht mehr die erforderliche Länge aufweisen. Bei A+B Bürsten-Technik hingegen wird der Leerteller fünf- bis zehnmal wiederverwendet. Das abgenutzte Besatzmaterial wird entfernt und fachgerecht entsorgt. «Dank der Wiederverwendung des Leertellers kann der Kunde im Vergleich zum Einwegbesen beträchtliche Kosten einsparen», sagt Nüesch. So zahle sich die Investition in eine passende Montierplatte für A+B Insieme bereits nach vier Besenwechseln aus. Zudem reisen die Besen für den Transport nur noch maximal 50 Kilometer bis zur nächstgelegenen Institution, welche die Aufbereitung übernimmt. Herkömmliche, gestanzte Einwegbesen haben hingegen oft schon 1000 Kilometer hinter sich, bevor sie eine Schweizer Strasse reinigen. Zudem bleibt nach Gebrauch bei jedem dieser Besen etwa acht Kilogramm untrennbarer Abfall übrig.
Auch ein Beitrag gegen Mikroplastik
«Nebenbei unterstützen wir mit unseren Aufträgen mehrere lokale Behindertenwerkstätten in der Schweiz», ergänzt der 52-Jährige. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Heime leisten mit dem Entfernen des gebrauchten Bürstenmaterials und dem Neubestücken der Strassenbesen einen wichtigen Beitrag in der Wertschöpfungskette. Gleichzeitig freuen sie sich ab der sinnvollen Arbeit. Seit Kurzem bietet das innovative Unternehmen aus dem Toggenburg zudem nicht nur konventionelle Kunststoff- und Flachstahlborsten an, sondern auch Bürsten aus nachwachsendem Kunststoff, der gemäss DIN 13432 kompostierbar ist und somit im Abrieb kein Mikroplastik verursacht.
Alte Schliessfächer upcyceln statt verschrotten
Eine andere Strategie, um Abfallberge zu vermeiden und CO2-Emissionen zu reduzieren, ist das Upcycling, also die Verarbeitung von Ausrangiertem zu einem höherwertigen Produkt. Wie das geht, zeigt aktuell die SBB im Bahnhof Burgdorf: Die veralteten Münzschliessfächer werden nicht direkt entsorgt und durch digital bedienbare Boxen ersetzt. Vielmehr werden gemeinsam mit der Firma 89Grad einige Komponenten wie Münzzähler und Zwischenkasse entfernt und durch elektronische Bauteile ersetzt. Läuft die Pilotphase zufriedenstellend, könnten die Schliessfachanlagen an 70 weiteren Bahnhöfen folgen. Die Anbindung ans Web ermöglicht zudem, die Schliessfächer in Zukunft für weitere Anwendungen zu nutzen, die mit dem bisherigen physischen Schlüssel nicht möglich waren. Denkbar sind Sharing-Angebote oder die Abholung beziehungsweise Rückgabe von Waren. Das digitale Aufrüsten der Schliessfächer reduziert übrigens die CO2-Emissionen im Vergleich zur Entsorgung und Neuanschaffung um vier Fünftel. Stoffkreisläufe zu schliessen und die Nutzungsdauer von Produkten zu erhöhen, ist auch bei Privaten im Trend – und dieser soll noch stärker werden: Myclimate, Ricardo und Circular Economy Switzerland haben den 25. September zum zweiten Mal als schweizweiten Secondhand-Day ausgerufen. Das Motto: Wer Gebrauchtes kauft, verlängert die Nutzungszeit und vermeidet Abfall.
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