Für kleinere Gemeinden kann die Ausarbeitung einer Digitalisierungsstrategie eine Herausforderung sein.

Digitalisierungsstrategien für kleine Gemeinden

05.09.2023
9 l 2023

Die Einwohnergemeinde Grellingen (BL) sucht eine ausformulierte Digitalisierungsstrategie, die der Gemeinderat genehmigen kann. Aus der Sicht Grellingens ergibt es keinen Sinn, wenn 2000 Gemeinden in Zusammenarbeit mit externen Beratern eine solche Strategie erarbeiten, die oft sehr ähnlich aussehen wird. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Digitalisierungsprojekte für die nächsten Jahre möglichst gesamthaft vom Gemeinderat verabschiedet werden können sollen, statt dass jedes einzelne Projekt dem Gemeinderat zur Genehmigung vorgelegt werden muss. Dies vereinfacht einerseits den Prozess und macht die Projekte auch für die Finanzplanung besser planbar. Gibt es eine solche vorformulierte Strategie?

In Zeiten stetig voranschreitender Digitalisierung stehen auch kleinere Gemeinden – wie beispielsweise Grellingen im Kanton Basellandschaft mit rund 2000 Einwohnerinnen und Einwohner – vor der Herausforderung, sich mit einer effektiven Digitalisierungsstrategie auseinanderzusetzen. Die Frage ist: Sollte sie dies überhaupt tun und wie kann sie vom digitalen Wandel profitieren? Die Antwort ist ein klares Ja. Die Digitalisierung bietet zahlreiche Chancen und Möglichkeiten für Gemeinden, ihre Dienstleistungen zu verbessern, ihre Effizienz zu steigern und die Attraktivität für die Einwohnerinnen und Einwohner zu erhöhen.

Eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie beginnt mit einer Bestandsaufnahme der vorhandenen Ressourcen und Bedürfnisse der Gemeinde. Bei der Bestandesaufnahme ist wichtig, in Erfahrung zu bringen, wo man steht. Konkret: Was können meine bestehende ICT-Infrastruktur und die eingesetzten Fachapplikationen bereits leisten? Bei der Bedürfnisabklärung geht es darum zu definieren, was man im Bereich Digitalisierung überhaupt erreichen will. Im Zentrum sollte hier das Ziel stehen, mittels der Kundenzentrierung stets einen Mehrwert für die Einwohnerinnen und Einwohner schaffen zu wollen. Mehrwerte könnten sein: Kommunale Dienstleistungen rund um die Uhr, Einsehen persönlicher Daten (beispielsweise Steuerkonto) oder Video-Call anstelle von Schalter-Besuch. Welchem Ziel man sich annehmen will, kann mit internen Workshops und/oder Befragungen der Einwohnerinnen und Einwohner erfolgen.

Ein wesentlicher Aspekt für das Vorantreiben der Digitalisierung ist die Schaffung einer modernen digitalen Infrastruktur. Dazu gehören unter anderem der Ausbau schneller Internetverbindungen, die Zurverfügungstellung von leistungsfähigen Arbeitsgeräten und vor allem die die Erschliessung von Informationen durch die Erweiterung der bestehenden Fachapplikation.

Besonders wichtig ist die Bereitschaft der Verwaltung, ihre Prozesse zu überarbeiten und zu digitalisieren. Hierfür benötigt es eine gewisse Offenheit, eingeschliffene Arbeitsweisen zu hinterfragen und ggf. zu erneuern. Voll- und teilautomatisierte Arbeitsprozesse ermöglichen, insbesondere repetitive Arbeiten effizienter abzuwickeln und so bei den Mitarbeitenden Kapazität zu schaffen, sich anspruchsvolleren Arbeiten anzunehmen. So kann beispielsweise ein einfacher Abfrage-Service, der es der einen Abteilung ermöglich, bei der anderen Abteilung im System eine gewisse Information abzufragen, bereits verwaltungsintern aufwändige Korrespondenz einsparen oder der Verwaltungskunde kann darauf verzichten, eine Bestätigung einer anderen Abteilung (beispielsweise. Wohnsitzbescheinigung) einreichen zu müssen.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Förderung der digitalen Bildung. Es ist ratsam, bei der Einstellung und Förderung der Mitarbeitenden, auch die Digital-Kompetenzen und/oder die Projekterfahrung mit zu berücksichtigen. Denn die besten Digitalisierungsprojekte sind nicht diejenigen, welche von einem Berater oder Software-Lieferanten an die Verwaltung getragen werden, sondern diejenigen, welche aus einem Alltagsproblem entstehen. Um solche Potenziale zu erkennen, sind Digitalkompetenzen bei den Verwaltungsmitarbeitenden entscheidend und können beispielsweise mit dem Kurs Digital-Pionier von MyniGemeind und dem Schweizerischen Gemeindeverband gefördert werden.

Neben der internen Digitalisierung bietet auch die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden, regionalen Unternehmen (zum Beispiel Energie-Versorger) und Bildungseinrichtungen grosse Chancen. Durch Kooperationen können Ressourcen gebündelt und gemeinsame Projekte realisiert werden. Aber auch hier ist oft die Bereitschaft zur Veränderung oder sich auf gemeinsame Standards zu einigen, eine zentrale Grundvoraussetzung.

Wie bereits eingangs erwähnt, darf der Mensch nicht vergessen werden. Es ist wichtig, die Einwohnerinnen und Einwohner und die Mitarbeitenden in der Verwaltung aktiv in den Digitalisierungsprozess einzubeziehen und ihnen die Vorteile der digitalen Angebote zu vermitteln. Eine offene Kommunikation, regelmässige Informationsveranstaltungen und eine ansprechende Gestaltung der digitalen Angebote sind entscheidend.

Kleinere Gemeinden sollten die Digitalisierung als Chance begreifen und eine pragmatische und zielgerichtete Strategie entwickeln, um das vorhandene Potenzial auszuschöpfen. Eine moderne digitale Infrastruktur, die Digitalisierung der Verwaltung, die Förderung der digitalen Bildung und die Zusammenarbeit mit regionalen Partnern sind dabei Schlüsselelemente. Die Gemeinden sollten sich bewusst sein, dass die Digitalisierung nicht nur eine technologische Veränderung ist, sondern vor allem eine Chance, die Lebensqualität der Einwohnerinnen und Einwohner sowie der Mitarbeitenden nachhaltig zu verbessern und so ein attraktiver Wohnort, Arbeitsort und Arbeitgeber zu bleiben oder zu werden.

Der Digitalratgeber

Kaum eine Gemeinde kommt heute ums Thema Digitalisierung herum. Während manche schon weit fortgeschritten sind, stehen andere noch ganz am Anfang. Welche Frage zur Digitalisierung und zu E-Government beschäftigt Ihre Gemeinde? Schreiben Sie uns, und mit etwas Glück wird Ihre Frage in unserer Rubrik aufgenommen und von kompetenten Expertinnen und Experten beantwortet. 

Gérald Strub
Strub & Partner GmbH