Digitale Impulse für den Alpenraum
In der Region Luzern West wurde zwischen 2018 und 2021 das Projekt «Smart Villages» im Rahmen des Interreg-Programms der EU realisiert. Die digitale Infrastruktur entpuppte sich dabei als Hauptstossrichtung.
Initiiert wurde das Projekt «Smart Villages» im Rahmen des Interreg-B-Alpenraumprogramms der EU. In der Schweiz ist das Bundesamt für Raumentwicklung federführend für das Projekt. Als führender Partner betreut die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete (SAB) dieses Programm. Umgesetzt wurde das Projekt in der Region Luzern West, sprich im Raum Willisau, Wiggertal, Entlebuch, Napf und in Teilen des Rottals, wie Alexander Siegenthaler informiert, Projektleiter beim Verband Region Luzern West. «Die Region mit insgesamt 27 Gemeinden ist ausgesprochen ländlich geprägt und von Themen wie demografischer Entwicklung oder Fachkräftemangel betroffen.»
Einbezug digitaler Lösungen
Nach einer achtmonatigen Vorbereitungszeit fiel im Juni 2018 der Startschuss für das Projekt in der Region Luzern West. Ziel des Projekts ist, Gemeinden im Alpenraum für die Chancen der Digitalisierung zu sensibilisieren und diese auch zu nutzen. Dabei geht es – so Alexander Siegenthaler – nicht nur um technische Innovationen, sondern gerade auch um einen neuen Einbezug der relevanten Akteure in sogenannten regionalen Arbeitsgruppen. Ein Schwerpunkt liegt dabei in der Förderung von Innovationen unter dem Einbezug digitaler Lösungen sowie in der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden und Anspruchsgruppen. Im Rahmen dieses Projekts profitieren die Projektpartner stark von Know-how-Transfer im gesamten Alpenraum.
Digitale Infrastruktur als Hauptstossrichtung
Die Verantwortlichen der Region Luzern West besuchten zu Beginn des Projekts die Region Ardèche-Drôme im französischen Alpenraum, wo bis ins Jahr 2025 bis zu 97 Prozent aller Haushalte mit Glasfaserkabel verbunden werden sollen. «Das war für uns ein Schlüsselerlebnis, denn wir erkannten, wie zentral die digitale Infrastruktur für die Entwicklung einer Region besonders auch im Alpenraum ist», erzählt Alexander Siegenthaler und nennt das Glasfasernetz als Bedingung für die Förderung von «Smart Villages». Denn: Jedes Jahr nehme der Bedarf an Internetbandbreite in der Schweiz um 50 Prozent zu. «Für uns wurde der Hochbreitbandanschluss deshalb zur Hauptstossrichtung des Projekts. Die digitale Infrastruktur und damit die Mobilität der Daten sind entscheidend für die zukünftige Entwicklung einer Region», betont Alexander Siegenthaler.
«Die digitale Infrastruktur und damit die Mobilität der Daten sind entscheidend für die zukünftige Entwicklung einer Region.»
Für die Umsetzung eines Pilotprojekts fragte die Region Luzern West die Gemeinde Luthern an, wo man offene Türen aufstiess. 75 Prozent der Stimmberechtigten von Luthern sagten an der Urnenabstimmung Ja zum Pilotprojekt. Mittlerweile ist die erste Bauetappe bereits abgeschlossen. In zwei Jahren sollen praktisch alle Haushalte von Luthern mit dem Glasfasernetz verbunden sein.
Gemeinden tragen die Hauptlast
Wie Alexander Siegenthaler berichtet, sind inzwischen auch 22 weitere Gemeinden aus der Region an der digitalen Infrastruktur interessiert bzw. entwickeln gemeinsam ein Vorprojekt dafür. Die Gemeinden tragen in diesem Vorprojekt die finanzielle Hauptlast. Doch der Aufwand lohnt sich, ist Alexander Siegenthaler überzeugt: «Noch vor drei Jahren wurden wir belächelt. Doch mit der Coronakrise und der Einführung des Homeoffice hat man erkannt, wie wichtig Hochbreitbandanschlüsse auch in ländlichen Gemeinden sind.» Der Anschluss an das Glasfasernetz erhöhe gleichzeitig auch den Wert einer Immobilie. Mit dem Hochbreitbandanschluss allein ist es jedoch noch nicht getan, gibt Alexander Siegenthaler zu bedenken: «Jetzt gilt es, für unsere Region zu werben und smarte Lösungen in verschiedenen Bereichen zu erarbeiten.»
Plattform für Gemeinden
Im neu gegründeten «forum think smart» der Region Luzern West konnten verschiedene Aspekte rund um das Thema «Smart Villages» beleuchtet werden. «Dieses Forum wird unsere Region weiterführen», ist Alexander Siegenthaler überzeugt. Die Universitäten von Milano, Maribor (Slowenien) und Llubiljana haben gemeinsam mit den Projektpartnern Instrumente entwickelt, um die «Smartness» von Gemeinden zu messen. Mit einem Analyseverfahren haben die Gemeinden die Möglichkeit, aufgrund der Erfahrungen aller Projektpartner zu eruieren, wie «smart» eine Ortschaft ist. Mit der Gemeinde Ruswil wurde jüngst ein weiteres «Smart Village»-Projekt aufgegleist. Um den lokalen Einkauf im Dorf zu fördern, entwickelte der Gewerbeverein Ruswil digitale Gewerbegutscheine. Dabei wurde er von der Gemeinde Ruswil und der Region Luzern West unterstützt. «Diesen Weg wollen wir nun weitergehen», sagt Alexander Siegenthaler.
Die Menschen ins Boot holen
Was ist für den Erfolg eines «smarten» Projekts in einer Gemeinde entscheidend? «Man muss den Menschen auf diese Reise mitnehmen. Das Projekt darf kein Selbstzweck sein, sondern sollte von den Menschen getragen werden», ist der Leiter Projekte der Region Luzern West überzeugt. Auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Gemeinden aus der Schweiz und dem Ausland erweitere das Netzwerk und bringe wertvolle neue Erkenntnisse in die Gemeinde.
«Die Digitalisierung ist nur ein Hilfsmittel»
Im Gespräch mit Thomas Egger, Direktor Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB), zuständig für den Themenbereich Digitalisierung und Grundversorgung in der Makroregionalen Strategie für den Alpenraum (EUSALP).
Warum ist das Projekt «Smart Villages» für Bergdörfer interessant?
Thomas Egger: Mit der Digitalisierung verschwindet einer der grössten natürlichen Standortnachteile der Berggebiete: die grösseren Distanzen. Die Bergdörfer können aber nur dann von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren, wenn sie über entsprechende leistungsfähige und robuste digitale Infrastrukturen verfügen. Deshalb ist es auch dringend nötig, dass die Grundversorgung mit Breitbandinternet auf neu 80 Mbit/s angehoben wird. Digitale Infrastrukturen sind das eine, doch mindestens ebenso wichtig ist die Frage, was man dank diesen digitalen Infrastrukturen alles tun kann.
Welche Chancen bietet das Projekt den Berggemeinden?
Der «Smart Villages»-Ansatz ist angepasst auf die jeweiligen örtlichen Verhältnisse. In einem ersten Schritt wird die aktuelle Situation bezüglich Digitalisierung analysiert. Anschliessend wird unter Einbezug der Bevölkerung und wichtigsten Akteure vor Ort ein Massnahmenplan erarbeitet. Die Digitalisierung ist nur ein Hilfsmittel auf dem Weg dazu. Eine Gemeinde wird vielleicht den Schwerpunkt eher im Tourismus setzen, die andere eher im Bereich Energie usw. Die Gemeinden profitieren zudem von einem internationalen Erfahrungsaustausch.
Welche Probleme der Bergdörfer löst die Digitalisierung nicht?
Gerade im Bereich der Grundversorgung geht es darum, der Bevölkerung und Wirtschaft jederzeit eine Mindestversorgung mit Gütern und Dienstleistungen zu gewährleisten. Nun kann es aber durchaus sein, dass Personen digitale Leistungen nicht benutzen können oder wollen. Es wird deshalb noch auf mehrere Jahre hinweg unerlässlich sein, physische und digitale Dienstleistungen parallel anzubieten.
Bringt das Projekt «Smart Villages» auch gewisse Nachteile für die Bergdörfer mit sich?
So paradox es tönen mag, aber mit der Digitalisierung steigt der Bedarf für die Gemeindebehörden, Möglichkeiten für den physischen Austausch mit der Bevölkerung und Wirtschaft zu schaffen. Denn je mehr Behördenleistungen nur noch digital abgewickelt werden, desto grösser ist das Risiko, dass die Gemeindebehörden ihre Kundinnen und Kunden nicht mehr «spüren». Dieser physische Kontakt kann zum Beispiel hergestellt werden über die Bündelung verschiedener Grundversorgungsleistungen in einem Servicecenter oder auch über rein informelle Austauschmöglichkeiten.
Informationen: www.sab.ch
Hochschule Luzern startet Initiative für eine smarte und nachhaltige Entwicklung der Zentralschweiz
Die Hochschule Luzern hat die Initiative Smart Region Zentralschweiz lanciert. Sie trägt damit dazu bei, dass die Zentralschweiz als städtische und ländlich-alpine Region in der digitalen Transformation vorne mit dabei ist. Herzstück der Initiative ist das Smart Region Lab in Rotkreuz, in dem an interaktiven Datentischen und mithilfe weiterer digitaler Tools gearbeitet wird. Die Energiewende, die wachsende Mobilität, die Wirkungen des Tourismus oder der soziodemografische Wandel – all das sind Themen, die nicht nur unsere Gesellschaft, die Politik, Wirtschaft oder Kultur stark fordern, sondern bei denen auch eine Flut von Daten eine Rolle spielt. Hier setzt die neue Initiative Smart Region Zentralschweiz der HSLU an: Sie unterstützt die innovative und nachhaltige Entwicklung der Region, indem sie modernste Technologien für Datenanalyse, Visualisierung und Simulationen für Forschungs- und Entwicklungsprojekte nutzt und zur Verfügung stellt.
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