«Die Vorbildwirkung der Gemeinden ist zentral»
Patrick Kutschera, Geschäftsführer von Energie Schweiz, zieht Bilanz zur Winter-Energiespar-Initiative. Im Interview erklärt er, wie er den Einsatz der Gemeinden einschätzt und wie es mit den Energiesparbemühungen weitergeht.
Patrick Kutschera, wir führen dieses Interview Anfang Februar. Die Lage der Strom- und Gasversorgung der Schweiz hat sich etwas entspannt. Was haben die Sparbemühungen der Winter-Energiespar-Initiative dazu beigetragen?
Patrick Kutschera: Zunächst einmal: Die Lage ist nicht entspannt, aber weniger angespannt als befürchtet. Den grössten Beitrag dazu hat sicherlich der warme Winter geleistet. Die Einsparungen beim Strom haben rund fünf bis acht Prozent betragen, beim Gas waren es etwas mehr.
Wie schätzen Sie den Beitrag der Gemeinden und Städte ein?
In Zahlen ist das schwierig auszudrücken. Sicherlich trägt jede Massnahme zu den Sparbemühungen bei. Viel wichtiger als die eingesparten Kilowattstunden bei Gemeinden und Städten ist jedoch ihre Vorbildwirkung. Diese ist zentral. Wir haben viele Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern erhalten, die fragten, weshalb sie Energie sparen sollten, wenn die Gemeinde die Weihnachtsbeleuchtung doch aufhängt oder ein Gebäude die ganze Nacht beleuchtet. Die vielen Gemeinden, die sichtbare Massnahmen ergriffen haben, haben ein wichtiges Zeichen gesetzt.
Die Weihnachtsbeleuchtung hat die Gemüter erregt.
Wir wissen alle, dass die Weihnachtsbeleuchtung nur einen kleinen Teil des Energieverbrauchs einer Gemeinde ausmacht. Aber sie ist ein sehr emotionales, weil sichtbares Thema. Manche Menschen störten sich daran, dass sie in Zeiten einer möglichen Strommangellage trotzdem aufgehängt wurde, andere störten sich daran, dass es keine Beleuchtung gab. Viele Gemeinden haben hier sehr gute Lösungen gefunden, indem sie zum Beispiel die Dauer der Beleuchtung reduzierten, auf eine Beleuchtung wechselten, die weniger Energie verbraucht, oder auf Weihnachtsschmuck ganz ohne Stromverbrauch setzten.
Im Zuge der Winter-Energiespar-Initiative wurde auch die Energiespar-Alliance gegründet. Wie hat sich diese entwickelt?
Die Bilanz ist sehr positiv. Die Gründungsmitglieder, darunter der Schweizerische Gemeindeverband (SGV), waren sehr schnell an Bord, und wir sind rasch gewachsen. Anfang Februar zählten wir rund 370 Mitglieder, darunter Gemeinden und Städte, alle Kantone sowie Verbände und Unternehmen aus der Privatwirtschaft. Jeden Tag kommen neue Mitglieder dazu. Die Alliance ist wichtig, weil sie den Energiesparbemühungen Glaubwürdigkeit verleiht. Diese ist höher, wenn auch die Privatwirtschaft, Behörden und Verbände die Bemühungen stützen und nicht nur der Bund. Zudem haben die Mitglieder die Reichweite der Kampagne erhöht. Wir würden uns sehr freuen, wenn noch mehr Gemeinden Mitglied würden, weil sie diese wichtige Vorbildfunktion haben.
Welche Voraussetzungen müssen die Gemeinden dafür erfüllen?
Sie müssen aufführen, welche Energiesparmassnahmen sie planen oder umgesetzt haben – das ist alles. Die Mitgliedschaft kostet nichts. Die Gemeinden können im Gegenteil profitieren, zum Beispiel vom monatlichen Austausch zur Lage und zu guten Beispielen sowie vom positiven Image.
Welche guten Beispiele aus den Gemeinden haben Sie besonders überrascht?
In der Alliance sind sehr viele gute Ideen zusammengekommen. Exemplarisch drei Beispiele: Collombey-Muraz (VS) hat neben den Energiesparmassnahmen einen «Nachhaltigkeits-Botschafter» ernannt, der die verschiedenen Abteilungen unterstützt und das Thema Nachhaltigkeit immer wieder in Diskussionen einbringt. Bregaglia (GR) hat seine Strassenbeleuchtung durch dimmbare LEDs ersetzt. Horw (LU) wollte die Beleuchtung auf Gemeindeboden eigentlich bis 2030 ersetzen, hat das Projekt aber kurzerhand vorgezogen und das Budget dafür gesprochen. Die Gemeinde wird nun früher von tieferen Energiekosten profitieren. Der Vorteil freiwilliger Massnahmen ist, dass die Gemeinden sie dort umsetzen können, wo sie ihnen am meisten bringen – denn die Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich.
«Der Vorteil freiwilliger Massnahmen ist, dass die Gemeinden sie dort umsetzen können, wo sie ihnen am meisten bringen – denn die Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich.»
Viele der Gemeinden und Städte, die Mitglied bei der Energiespar-Alliance sind, tragen das Energiestadt-Label, an dem auch der SGV beteiligt ist. Welche Bedeutung hat dieses?
Das Label gibt klar formulierte Ziele vor und ist deshalb für Gemeinden und Städte eine hilfreiche Struktur, um den Status zu erheben sowie Massnahmen zu planen und umzusetzen. Zudem ist es eine Bestätigung für den geleisteten Effort. Auch hier zählt wieder die Vorbildwirkung: In den meisten Städten und Gemeinden weist ein Schild am Ortseingang auf die Auszeichnung hin, oder das Label wird prominent auf der Homepage erwähnt.
Wie geht es nun, am Ende des Winters, mit der Winter-Energiespar-Initiative weiter?
Wir werden im März Bilanz ziehen und die Kommunikationsmassnahmen vorerst herunterfahren. Wir denken aber bereits an den nächsten Winter. Denn die Lage bleibt angespannt, und der Winter 2023/2024 wird möglicherweise nicht so mild wie der vergangene, zudem wird das russische Gas fehlen, mit dem letztes Jahr die europäischen Speicher gefüllt wurden. Die Einsparungen sind auch im Sommer relevant, denn dann werden die Gasspeicher und die Speicherseen gefüllt. Für den nächsten Winter haben wir nun eine längere Vorlaufzeit und können auch technische Anpassungen vornehmen, um den Stromverbrauch zu reduzieren. So sind wir nicht allein auf Massnahmen angewiesen, die vom Verhalten der Menschen abhängen. Im Herbst werden wir bei Bedarf die Kommunikationsmassnahmen wieder hochfahren.
Bleibt auch die Energiespar-Alliance relevant?
Auf jeden Fall. Wir wollen den Austausch innerhalb der Energiespar-Alliance weiter pflegen, um uns optimal auf den nächsten Winter vorzubereiten, und sie wird weiter wachsen, zum Beispiel mit zusätzlichen Gemeinden, die sich hoffentlich anmelden. In diesem Rahmen ein grosses Dankeschön an das Engagement des Gemeindeverbandes und der Gemeinden. Sie sind ein wichtiges Puzzleteil für uns, weil sie so nahe an der Bevölkerung sind.
Winter-Energiespar-Initiative des Bundes
Der Bund hat Ende August 2022 die Winter-Energiespar-Initiative lanciert. Sie soll Privatpersonen, aber auch Institutionen und Unternehmen motivieren, keine Energie zu verschwenden. Als Teil der Energiespar-Alliance anerkennt der Schweizerische Gemeindeverband eine drohende Strommangellage als ernstes Problem und unterstützt die Anstrengungen zur Senkung des Energieverbrauchs. Mit diesem Artikel schliessen wir eine Serie ab, in der die «Schweizer Gemeinde» über die Wintermonate Best-Practice-Beispiele von Gemeinden vorgestellt hat, die Initiativen zum nachhaltigen Umgang mit Energie lanciert haben.