Die Suche nach der Einheit in der Vielfalt
Der Schweizerische Gemeindeverband war Partner des ersten Föderalismus-Seminars in Schwarzenberg (LU), das vom Institut für Föderalismus der Universität Freiburg organisiert wurde. Ein Einblick.
Kantönligeist, Flickenteppich, Verhinderer von Reformen: In der Presse hat der schweizerische Föderalismus nicht das beste Image. Auch von der Politik wird er – oder zumindest Elemente davon – immer mal wieder infrage gestellt. Etwa nachdem im November 2020 eine Mehrheit der Stimmberechtigten die Konzernverantwortungsinitiative zwar angenommen hatte – diese aber am Ständemehr gescheitert war. Oder während der Pandemie, als der «Massnahmen-Flickenteppich» in den Kantonen regelmässig für Verunsicherung gesorgt hatte.
Die Pandemie war es denn auch, die die Durchführung des «Föderalismus-Seminars» zweimal verunmöglicht hatte. Jetzt, Ende Mai 2023, konnte die lang ersehnte Premiere endlich doch noch nachgeholt werden. In Schwarzenberg (LU) diskutierten mehrere Dutzend Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Verwaltung, Hochschullandschaft und Wirtschaft drei Tage lang über einen der prägendsten Wesenszüge unseres Staats: den Föderalismus und die Zuständigkeiten, Kompetenzen, Aufgabenteilung und Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden. Oder, wie es Professorin Eva Maria Belser auf den Punkt brachte: über die «Suche nach dem richtigen Umgang mit der Einheit in der Vielfalt».
Belser lehrt am Institut für Föderalismus der Universität Freiburg. Jenes Institut war es auch, welches das Föderalismus-Seminar organisiert hat – in Partnerschaft mit dem Schweizerischen Gemeindeverband, dem Schweizerischen Städteverband, dem Ständerat, dem Bundesamt für Justiz, und der ch Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit.
Auf dem Programm standen dabei einerseits verschiedene Referate, andererseits aber auch Workshops und Diskussionen. Diese brachten immer wieder Erstaunliches zutage. Etwa dass das Kloster Einsiedeln die jurassischen Separatisten vor der Gründung des Kantons Jura stark unterstützt hatte, da «der Katholizismus» mit einem zusätzlichen katholischen Kanton Jura mehr Gewicht erhalten würde. Oder dass es damals durchaus Gedankenspiele gab, Bern und Jura zu zwei Halbkantonen zu machen – dass dies für die Berner verständlicherweise aber nicht akzeptabel gewesen sei.
Das Föderalismus-Seminar hat sich indes nicht nur reine Wissensvermittlung auf die Fahne geschrieben. Ebenso wollten die Organisatoren aufzeigen, wie der Föderalismus in der Praxis gelebt wird. So wies Professor Bernhard Waldmann von der Uni Freiburg etwa darauf hin, dass der Wunsch nach Effizienz, Rechtsvereinheitlichung und Beseitigung von Ungleichheiten durchaus zu Zentralisierungstendenzen führt. Gleichzeitig müsse man sich aber auch fragen: «Ab wann ist Diversität ein Problem? Muss alles immer überall gleich geregelt sein?» Die eine korrekte Antwort auf diese Frage gibt es natürlich nicht. Aber jede und jeder Teilnehmende wird ein paar neue Denkanstösse mit nach Hause nehmen – in die Bundesverwaltung, die Kantone und in die Gemeinden.