Die Region Solothurn auf dem Weg zum Veloparadies
Velofahrerinnen und Velofahrer kommen im Grossraum Solothurn rasch an ihr Ziel. Sascha Attia, kantonaler Velobeauftragter, erklärt, was es für gute Velorouten braucht – und was die Gemeinden dazu beitragen können.
Drei Velofahrerinnen brausen an Sascha Attia vorbei. Der Velobeauftragte des Kantons Solothurn steht am Rand eines Veloweges bei Zuchwil (SO). Hinter ihm rauscht die Autobahn, über die für die Velofahrer eine Brücke führt. Neben ihm ein Grünstreifen mit Bäumen, dann eine kleinere Strasse, dahinter Industriegebäude. «Das ist ein gutes Beispiel für einen Veloweg. Er ist so breit, dass man problemlos kreuzen kann, und gut abgegrenzt von der Strasse für den motorisierten Individualverkehr», sagt Sascha Attia.
Er bückt sich und aktiviert mit einem Magnet die Zählstelle am Boden. Jetzt kann er auf einer App auf seinem Smartphone ablesen, wie viele Velos seit Messbeginn, aber auch am aktuellen Tag über die Zählstelle gefahren sind. Diese ist für die Velofahrenden kaum wahrnehmbar: Es handelt sich um Induktionsschleifen, die als gitterförmige Streifen auf dem Asphalt sichtbar sind.
Die Messungen helfen bei der Planung der sogenannten Velovorrangrouten im Kanton. Diese sollen dafür sorgen, dass die Velofahrenden möglichst sicher und komfortabel von A nach B kommen. Zum Beispiel von Solothurn über Zuchwil und Derendingen nach Subingen – auf diese bereits realisierte Route hat Sascha Attia die «Schweizer Gemeinde» mitgenommen. Weitere Routen sind in Planung.
Breite und gut abgetrennte Spuren
Weiter geht es von Zuchwil in Richtung Derendingen. Bei der Brücke über die Emme wird die Velospur schmaler, wir müssen abbremsen. «Diese Stelle ist nicht so ideal – aber wir können die Brücke nicht verbreitern. Wir müssen mit den Gegebenheiten arbeiten, die wir vor Ort haben.»
Sascha Attia weiss, was Velofahrerinnen und Velofahrer gerne mögen: breite Spuren, gut abgetrennt von den Strassen für Autos und Lastwagen, eine möglichst direkte Linienführung und eine homogene Infrastruktur, sodass die Velofahrenden möglichst wenig abbremsen oder anhalten müssen. Dieses Wissen ist zentral, denn: «Wir müssen die Velorouten dort planen, wo die Menschen Velo fahren. Die Routen müssen intuitiv verständlich sein.» Die beste Infrastruktur nütze nichts, wenn sie am falschen Ort sei – dann nämlich werde sie nicht genutzt.
Der Kanton Solothurn hat die Befugnis, auf Gemeindestrassen Velovorrangrouten und Velohauptrouten zu planen und umzusetzen – dafür ist Sascha Attia zuständig. Diese Routen verbinden mehrere Ortschaften miteinander, die Velovorrangrouten sind für mehr als 1000 Velos pro Tag konzipiert, die Velohauptrouten für mehr als 500 Velos pro Tag. Die Planung stützt sich auf die Pendlerbewegungen: Wie viele Menschen fahren regelmässig von welchem Ort in welchen anderen Ort?
Auch Gemeinden brauchen eine gute Netzplanung
Die Solothurner Gemeinden sind weiterhin zuständig für das kommunale Velonetz. Dieses soll dafür sorgen, dass man zum Beispiel mit dem Velo von einem Quartier ins Ortszentrum zum Einkaufen kommt. Sascha Attia betont: «Auch die Gemeinden selbst brauchen eine gute Netzplanung und Koordination. Einzelprojekte können zwar helfen, aber nur, wenn sie mit der gesamten Linienführung im Blick geplant werden.» Die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden sei zentral. «Den Velofahrenden sind die Gemeinde- und Kantonsgrenzen egal. Sie verstehen es nicht, wenn ein Veloweg an der Gemeinde- oder Kantonsgrenze plötzlich aufhört.»
«Die Gemeinden brauchen eine gute Netzplanung. Einzelprojekte können zwar helfen, aber nur, wenn sie mit der gesamten Linienführung im Blick geplant werden.»
Der Bund fördert mittels der Agglomerationsprogramme Verkehrsmassnahmen wie Velorouten. Im Grossraum Solothurn wird mithilfe des Agglomerationsprogramms derzeit unter anderem die Veloverbindung Grenchen–Solothurn geplant, die im Programm der vierten Generation figuriert. «Die Agglomerationsprogramme sind mittlerweile institutionalisiert», sagt Sascha Attia. «Wichtig ist es nun, gut zu überlegen, welche Projekte in welchem Zeitrahmen realisierbar sind. Dafür ist eine gute Netzplanung notwendig.»
Quartierstrassen statt Velostreifen
Zurück zu unserer Velotour. Sie führt von Derendingen der Emme entlang nach Luterbach und von dort über Zuchwil zurück nach Solothurn. In Zuchwil gehts hindernisfrei unter zwei grösseren Strassen und der Eisenbahn hindurch. Auf dem Strässchen sind separate Fahrbahnen für Velos in beide Richtungen sowie für Fussgänger markiert. Unter anderem wegen solcher Projekte dürfte es Zuchwil im Ranking der velofreundlichsten Orte der Schweiz auf den zweiten Rang geschafft haben, direkt hinter Burgdorf (BE).
Eine solch gut ausgebaute und eigens angelegte Infrastruktur ist aber gar nicht immer nötig, weiss Sascha Attia. Manchmal ist es sinnvoller, die Route auf eine ruhige Quartierstrasse zu verlegen, statt Velostreifen auf einer Hauptstrasse einzurichten. «Auf stark befahrenen Hauptstrassen fahren Velofahrerinnen und Velofahrer nicht besonders gerne. Sie weichen von selbst auf ruhigere Strassen aus.» Die Veloroutenplanung versuche, genau dieses Verhalten aufzunehmen. «Das Velo braucht oft nur punktuell neue Infrastruktur, wichtig ist deshalb vor allem eine gute Netzplanung.»
«Der Langsamverkehr hat bei uns einen hohen Stellenwert»
Patrick Marti, als Gemeindepräsident von Zuchwil können Sie stolz sein: Ihre Gemeinde hat kürzlich im Ranking der velofreundlichsten Städte den zweiten Platz belegt. Wie erklären Sie sich dieses gute Resultat?
Patrick Marti: Ganz ehrlich: Ich war zuerst überrascht. Wenn ich mir aber überlege, was wir in den letzten Jahren alles unternommen haben für den Veloverkehr, kommen viele Massnahmen zusammen.
Können Sie diese Massnahmen ausführen?
Der Langsamverkehr hat in der Verkehrsplanung der Gemeinde einen hohen Stellenwert, und dies nicht erst seit gestern. Zuchwil hat vor Jahrzehnten flächendeckend Tempo 30 in den Quartieren eingeführt, was den Durchgangsverkehr auf die Hauptverkehrsachsen gelenkt hat. Dies kommt den Velofahrenden zugute. Unser Dorf wird von der Eisenbahnlinie und einem Autobahnzubringer in zwei Teile geteilt. Um diese beiden Teile zu verbinden, wurden vor mehr als 30 Jahren Unterführungen für den Langsamverkehr gebaut. Nicht zuletzt führen zwei nationale Velorouten durch Zuchwil. Es gibt bei uns abgetrennte Spuren für Velos, eine gute Signalisation, Veloständer bei Bushaltestellen und öffentliche Pumpstationen sowie Werkzeugkästen für kleinere Veloreparaturen.
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden?
Diese ist zentral. In Solothurn koordiniert die Langsamverkehrsoffensive Solothurn und Region (LOS!) die Langsamverkehrsprojekte. Sie ist auch Teil des Agglomerationsprogrammes. Aufgrund der guten Koordination ist die Akzeptanz gross, zahlreiche Gemeinden sind eingebunden. Dadurch können wir sicherstellen, dass Velorouten durchgängig verlaufen und nicht an der Gemeindegrenze aufhören.
Was würden Sie anderen Gemeinden in Bezug auf die Langsamverkehrsplanung raten?
Es braucht keine Millionenbeträge, sondern eine Sensibilisierung der Menschen, die an den Schalthebeln sitzen. Mit wenigen kleinen Massnahmen lässt sich viel erreichen. Ein Gesamtkonzept für die Verkehrsplanung, das sämtliche Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer im Blick hat, ist unerlässlich.