«Die Feuerwehr ist eine Herzensangelegenheit»
Wenn Feuerwehren um jeden Preis fusioniert werden sollen, werde es schnell brenzlig, sagen Fachleute. Ein übers Knie gebrochener Zusammenschluss könne das Milizsystem gefährden.
In der Schweiz hat es seit dem vergangenen Jahr 146 Feuerwehrorganisationen weniger als vor fünf Jahren. Landauf, landab schliessen sie sich zusammen. Eine der jüngst fusionierten ist die Feuerwehr Region Moossee. Sie nahm am 1. Januar im neuen Jahr just um Mitternacht ihren Betrieb auf und stand bereits um 1.22 Uhr im Einsatz: Rauch auf einem Dach, eine kurze Sache.
Länger dauerte die Vorbereitungszeit für die Zusammenarbeit der Feuerwehren der Gemeinden Urtenen-Schönbühl, Moosseedorf, Zollikofen und Münchenbuchsee. Auf der neuen Homepage wird die Fusion mit den personellen Engpässen an den Werktagen erklärt: «Die Feuerwehrangehörigen arbeiten heute oft nicht mehr in der Nähe ihres Wohnorts.» Viele könnten auch berufsbedingt nicht unverzüglich an die Einsatzstelle ausrücken. Weiter sei die zeitliche Belastung der Kaderleute sehr gross und oft nicht mehr im Milizsystem zu bewältigen. Deshalb arbeiten in der Feuerwehr Region Moossee neu fünf Profis an der Spitze, welche die zeitintensiven Aufgaben wie auch die Tagesdienste unter sich aufteilen.
Mehr Aufgaben, mehr Ausbildung
Für die Fusion sprachen weiter die übergeordneten Vorgaben und die Anforderungen im personellen wie auch materiellen Bereich der Feuerwehr, die deutlich gestiegen sind. Es müssten stets komplexere Einsatzmittel beschafft und bewirtschaftet werden, die Anzahl der erforderlichen Übungen sei angestiegen, punkto Ausbildung und Arbeitssicherheit würden zusätzliche Kompetenzen verlangt und auch im administrativen Bereich sei der Aufwand stark gestiegen.
Das Feuerwehrwesen ist in der Schweiz kantonal geregelt. Die meisten Kantone haben diese Aufgaben an die Gemeinden delegiert, und der Kanton gibt vor, ob die Gebäudeversicherung obligatorisch ist oder nicht. In Bern ist das der Fall und so macht denn auch die Gebäudeversicherung Druck, zu fusionieren. Vor allem indem sie seit einigen Jahren neue Anschaffungen wie etwa ein Tanklöschfahrzeug nur noch dann subventioniert, wenn die Wehren ihren Vorgaben, zu denen auch die Grösse des Einsatzgebietes zählt, entsprechen. Die Gemeinden Urtenen-Schönbühl, Moosseedorf, Zollikofen und Münchenbuchsee sprachen sich an ihren Abstimmungen jeweils deutlich mit 95 Prozent Ja-Stimmen für die Fusion aus.
«Zeit ist nicht reif»
Ganz anders entschieden als die Berner haben einige Monate später die Gemeinden Aarburg, Oftringen, Strengelbach und Zofingen. Sie teilten im Dezember gemeinsam mit, ein Zusammenschluss sei zwar möglich, aber: «Die Zeit ist noch nicht reif.» Eine gemeinsame Machbarkeitsstudie habe gezeigt, dass eine Fusion zwar durchführbar wäre, «die weitere Ausarbeitung des Konzeptes wird aber in zu geringem Masse von den Feuerwehrangehörigen mitgetragen».
Ein Zusammenschluss, der über das Knie gebrochen werde, gefährde das Milizsystem, das müsse auf jeden Fall verhindert werden, heisst es in der Mitteilung. «Schliesslich gründet das Feuerwehrwesen unter anderem auf genau dessen Stärke.» Die vier Feuerwehren leisteten pro Jahr über 250 Einsätze. «Jede Organisation kann den gesetzlichen Auftrag bis heute gut erfüllen», informieren die Gemeinden. Herausforderungen wie zum Beispiel die Tagesverfügbarkeit der Einsatzkräfte oder die Reinigung von Atemschutzgeräten würden heute bereits in enger Zusammenarbeit mit den Nachbarfeuerwehren gemeistert.
Ein Marathon mit Hürden
Marco Moser, Medienverantwortlicher und Instruktor des Schweizerischen Feuerwehrverbandes, weiss: «Eine Fusion verschiedener Feuerwehren gleicht einem Hürdenlauf in Marathon-Länge.» Es stünden die unterschiedlichsten Aufgaben an: Organisatorisches, Materielles und Personelles. Eine Feuerwehr sei einerseits eine Sicherheitsorganisation einer Gemeinde, aber andererseits auch eine Herzensangelegenheit der Feuerwehrleute. «Die nackten Zahlen können somit nur einen Teil der Feuerwehr-Realität abbilden», sagt Marco Moser, dessen Verband die Interessen der Feuerwehrmänner und -frauen vertritt. «Dies muss den Verantwortlichen und allen Beteiligten bewusst sein, die unterschiedliche Feuerwehren zu einer neuen Organisation fusionieren wollen.»
Der Fachmann bestätigt die Gründe, die wie in der Region Moossee zu Fusionen führten. Nebst einer Fusion gibt es laut Moser aber unterschiedliche Intensitäten von Zusammenarbeit unter den einzelnen Feuerwehren. Ziel sei immer eine hohe Leistungsfähigkeit zum Schutz der Bevölkerung. «Falsch wäre, wenn eine Fusion nur einzig aus Spargründen angestossen würde», sagt der Fachmann. Aber sie könne helfen, dass eine Feuerwehrorganisation besser aufgestellt sei: mit den Fahrzeugen, mit dem Material und mit der Ausbildung. Marco Moser: «Diskussionen um eine Fusion können eine Chance sein, Althergebrachtes zu hinterfragen, neue Lösungen anzudenken und ausgetretene Trampelpfade zu verlassen.»
Beistand der Versicherung
Im Kanton Bern haben sich in den vergangenen fünf Jahren insgesamt elf Feuerwehrorganisationen einer anderen Feuerwehrorganisation angeschlossen. Auf die Frage warum, antwortet das Feuerwehrinspektorat der Gebäudeversicherung Bern (GVB) respektive deren Medienstelle: «Diese Zusammenschlüsse gab es, weil sich die für die Feuerwehrorganisationen verantwortlichen Behörden dazu entschieden haben.» Die GVB berate die Gemeinden und unterstütze sie finanziell.
«Keinen oder wenig Sinn macht eine Fusion, wenn weder die Effizienz im Einsatz noch die Wirtschaftlichkeit im Betrieb gesteigert werden können», schränkt die Fachstelle ein. Die grössten Hürden könnten interner Widerstand innerhalb der Feuerwehrorganisation sein oder wenn innerhalb einer Gemeinde die Angst vor einem Identitätsverlust bestehe.