Viel neues Wissen: Die angehenden Digital-Pioniere sind gefordert.

Die ersten Digital-Pioniere drücken die Schulbank

08.05.2022
5 | 2022

Kompetent digitalisieren statt nur «schnorren»: Anfang April fand die erste Digitalisierungsweiterbildung für Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter von Myni Gmeind statt – ein Augenschein.

Konzentriert folgen die zwanzig Augenpaare den Gesten von Gérald Strub und Stéphane Schwab. Die Dozenten erläutern, wie Kommunen und Kanton gemeinsam ein digitales Serviceportal für Bevölkerung und Wirtschaft schaffen.

Dann schallt plötzlich lautes Gelächter durch den weiten Saal des Bildungszentrums für Wirtschaft und Dienstleistung (bwd) in Bern: «Man kann lange schnorren …», ruft Strub den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu, «machen ist wie wollen, nur krasser!»

Der langjährige Gemeindeammann von Boniswil am Hallwilersee ist Vorstandsmitglied des Schweizerischen Gemeindeverbandes und Programmleiter der Aargauer Digitalisierungsinitiative «Fit4Digital». Zusammen mit Stéphane Schwab, Leiter des E-Government-Sekretariats des Kantons Freiburg und Vizepräsident von iGovPortal.ch, vermittelt er heute den Grundkursteilnehmenden Know-how zu digitalen Behördenleistungen.

«Digitalisierung ist ein harter Job: etwas versuchen, umfallen, aufstehen, weitermachen.» So beschreibt er den oft beschwerlichen, aber nun immer erfolgreicheren Weg vieler Schweizer Gemeinden.

«Es ist immer gut, einen Schritt voraus zu sein»

Um die Gemeindeverantwortlichen auf diesem Weg zu unterstützen, hat der Verein Myni Gmeind zusammen mit seinen Partnern – dem Schweizerischen Gemeindeverband als Patronatsträger sowie den Mitgliederfirmen Cisco und Swisscom – den Grundkurs Digital-Pionier ins Leben gerufen. Die Standortförderung des Kantons Bern hat eine Anschubfinanzierung geleistet.

Die berufsbegleitende Weiterbildung vermittelt Vertreterinnen und Vertretern von Gemeinden in fünf halbtägigen Modulen Grundkenntnisse über die Digitalisierung, beinhaltet Tipps und Tricks zur erfolgreichen Führung von Projekten und bietet Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch.

Der Kurs in Bern Anfang April ist die Premiere. Vor allem Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten, Gemeindeschreibende sowie Finanz- und Bauverwalterinnen und -Verwalter nehmen teil: Sie sind also Pionierinnen und Pioniere im doppelten Sinn.

Warum haben sie sich für den allerersten Grundkurs angemeldet? «Es ist immer gut, einen Schritt voraus zu sein statt hintendrein», sagt Adrian Stettler, Bauverwalter der Gemeinde Bösingen (FR). Er möchte erfahren, welche Voraussetzungen und Strukturen es für erfolgreiche Digitalisierungsprojekte braucht, und ein Netzwerk von Gleichgesinnten aus anderen Gemeinden aufbauen. Um «zu spüren, wo den anderen der Schuh drückt».

Fachexpert/innen und Gemeindekenner

Die fünf Module sind darauf ausgelegt, den Teilnehmenden Schritt für Schritt die wichtigsten Grundkompetenzen zu vermitteln und die Anwendung zu üben. Die Dozierenden sind Digitalisierungsexperten, die selbst viel Erfahrung in der Gemeindearbeit haben. Denn gefragt ist praktisches Know-how statt grauer Theorie.

Am ersten Kurstag erfolgt eine Einführung in den Wandel, den die digitale Transformation für die Gemeinden bedeutet: Wie spielen Kultur, Technologie und Ressourcen zusammen? Welche Rolle haben die Behörden? Mit Best-Practice-Beispielen werden anschliessend Kenntnisse vermittelt, wie Projekte gestaltet und erfolgreich geführt werden können.

«Digitale Verwaltung», «Normierung» und «User Experience» – am zweiten Tag geht es um E-Government. Zentral sind Instrumente, die Modernisierung von Behördentätigkeit und Schnittstellen mit der Bevölkerung in der Praxis erleichtern können. Am Nachmittag werden aktuelle Vorhaben der Teilnehmenden diskutiert, um voneinander zu lernen.

Der letzte Kursblock bietet eine praktische Toolbox, beispielsweise Informationen zur finanziellen Projektförderung durch Bund und Kantone. Danach wird ein Blick in die Zukunft geworfen: Big Data und künstliche Intelligenz – was kommt auf die Gemeinden zu? Gemeinsam mit der Kursleitung wird ein Fazit zu den wichtigsten Erkenntnissen des Grundkurses gezogen.

Die erste Pionier-Generation

Zum Abschluss erhalten die stolzen Teilnehmenden ihr Zertifikat – als erste Digital-Pionierinnen und -Pioniere der Schweiz. Die nächste Pionier-Generation steht jedoch schon am Start: Ende Mai beginnt der Online-Kurs, der von Academia Group durchgeführt wird. Der Kurs war zu Redaktionsschluss schon gut gefüllt; Kurzentschlossene erfahren unter www.digitalpionier.ch, ob noch letzte Plätze frei sind. Die nächsten Kurse finden im Herbst statt.

3 Fragen an Monika Sauter, Gemeindeschreiberin Gampelen (BE)

Warum absolvieren Sie den Grundkurs Digital-Pionier?

Monika Sauter: Weil in meiner Gemeinde das Echo hinsichtlich Digitalisierung bisher etwas verhalten ist. Ich finde, wir müssen etwas machen. Deshalb habe ich mich privat für diesen Kurs angemeldet.

Was waren Ihre Erwartungen an den Kurs?

Dass ich Tipps und Tools kennenlerne, mit denen ich starten kann. Man fühlt sich allein und weiss nicht, wo man anfangen und ansetzen soll. Und wer unterstützen kann. Ganz wichtig ist auch das Netzwerken: Jetzt kenne ich Leute, welche die gleichen Herausforderungen haben, mit denen ich mich rasch austauschen kann.

Was sind Ihre ersten Eindrücke?

Es ist sehr intensiv. Der Kurs gefällt mir sehr gut. Die Dozenten sind Fachleute mit einem riesigen Wissen. Es ist unglaublich, was sie alles vermitteln können. Und ich weiss jetzt auch, wohin ich mich mit Fragen richten kann.

Hat Sie etwas überrascht?

Vielleicht die grosse Bedeutung der Kommunikation: die Betroffenen über das Vorhaben zu informieren, immer wieder mit ihnen zu sprechen. Wenn die Leute nicht mitziehen, kann man das Projekt schon vergessen.

Hinweis der Redaktion: Das Interview wurde am zweiten von drei Kurstagen geführt.

So können auch Sie Digital-Pionier/in werden!

Anmeldung und zusätzliche Informationen finden Sie unter www.digitalpionier.ch.

Nächste Kursdaten:

25. Mai, 1. und 2. Juni: Online-Kurs Academia Group

16., 22. und 23. September: Präsenzkurs bwd Bern

Noé Blancpain
Geschäftsführer Myni Gmeind