Impressionen der letzten Badenfahrt 2017.

Die Badenfahrt feiert ihren 100. Geburtstag

03.08.2023
7-8 l 2023

1923 fand die erste Ausgabe der Badenfahrt statt. Heute ist das riesige Fest im aargauischen Baden auf der Liste der lebendigen Traditionen der Schweiz. Mit Betonung auf lebendig – kaum ein Fest geht so mit der Zeit wie die Badenfahrt.

Jede Stadt, jedes Dorf der Schweiz kennt es: ein Fest, eine Kilbi, einen Anlass, der alle zusammenbringt. Doch die Badenfahrt ist einzigartig in der Schweiz. Das Fest, das alle fünf Jahre im aargauischen Baden stattfindet, ist eines der grössten der Schweiz und sprengt alle Dimensionen: Mehr als eine Million Besucherinnen und Besucher zählte die letzte Ausgabe 2017, unzählige Kulturschaffende von bildender Kunst über Musik bis zu Theater treten auf, zahlreiche Vereine organisieren Festwirtschaften und eigene Aktivitäten.

Die Leute zusammenbringen

Ist es Stadtfest, Open-Air-Festival, Kilbi? «Es ist einfach die Badenfahrt», sagt Nadine Stutz, Kommunikationsverantwortliche des Organisationskomitees der Badenfahrt. Die diesjährige Ausgabe ist eine spezielle, denn sie findet genau 100 Jahre nach der ersten Badenfahrt 1923 statt. Das erste Fest entstand aus einer schwierigen Zeit heraus: Nach dem Ersten Weltkrieg herrschte eine gedrückte Stimmung, das Leben war für viele Menschen sehr hart. Die Bäderkultur Badens war im Niedergang. Eine Gruppe Badener wollte mit einem grossen Fest die Leute zusammenbringen, einen fröhlichen Moment schaffen und an die Hochzeit des Bädertourismus im 19. Jahrhundert erinnern, als die Menschen aus ganz Europa in den Heilkurort Baden strömten. Die Badenfahrt war geboren.

Mit dem Motto «NEO-» will die Badenfahrt 2023 an die Vergangenheit anknüpfen – aber auch an die Zukunft, «denn wir befinden uns an der Schwelle zum zweiten Jahrhundert Badenfahrt», wie Nadine Stutz ausführt. «Und wiederum befinden wir uns im Jahr des Jubiläums in schwierigen Zeiten: Klimawandel, Krieg in der Ukraine und eine globale Pandemie, die wir eben hinter uns lassen.»

Apropos Pandemie: Von dieser blieb das riesige Fest tatsächlich verschont. Bereits vor 2020 war klar, dass die nächste Badenfahrt nicht regulär 2022, sondern erst 2023 stattfinden soll, zum 100-Jahr-Jubiläum. «2022 hätten wir das Fest wegen der unsicheren Lage wohl nicht durchführen können», so Nadine Stutz.

Ein Umzug, drei Bühnen, 100 Festwirtschaften

Vom 18. bis 27. August ist es in Baden wieder so weit. Auf drei offiziellen Bühnen werden Konzerte gespielt, rund 90 Foodstände verpflegen die zahlreichen Besucherinnen und Besucher, ein grosser Umzug als Hommage an das 100-Jahr-Jubiläum zieht an den beiden Sonntagen durch die Strassen. Und genau 100 Vereine werden mit Festwirtschaften präsent sein, wo sie zahlreiche kulturelle und kulinarische Highlights anbieten: von Kochkursen über Bouldern bis hin zu Schiffsfahrten auf der Limmat. «Die Vereine sind das Rückgrat des Fests und zeigen die lebendige Vereinskultur in der Schweiz. Ohne sie gäbe es keine Badenfahrt – ohne OK könnten die Vereine aber auch kein Fest in dieser Grösse organisieren», sagt Nadine Stutz. Und sie betont, wie viel an der Badenfahrt auf freiwilliger Basis organisiert wird.

Dies mit tatkräftiger Unterstützung der Stadt Baden, die sich um die Infrastruktur kümmert. Stadtammann Markus Schneider sagt: «Die Badenfahrt ist eine sehr wichtige Badener Tradtion. Sie steht für Kultur und sozialen Zusammenhalt. Und sie geht weit über die zehn Tage des Festes hinaus. Für das OK, die Vereine, die Beizbetreiberinnen – und betreiber, die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung und für zahlreiche Helfende beginnen bereits Monate vor dem Fest die Vorbereitungen. Dann spürt man die Vorfreude in der Luft. Die Badenerinnen und Badener kommen zusammen, es wird konzipiert und geplant, es werden kreative Bauten und Programme entwickelt.» Für einige sei das Mitmachen an der Badenfahrt neben dem Beruf ein erheblicher Mehraufwand, doch das bremse die Motivation nicht. «Als Stadtammann freut es mich immer zu sehen, wie so viele Menschen zusammenkommen und ihre Zeit und Energie investieren, um so etwas Grosses auf die Beine zu stellen.»

Was macht die Badenfahrt so erfolgreich, so ikonisch, dass sie es auf die Liste der lebendigen Traditionen der Schweiz geschafft hat? «Ich denke, es ist die Fähigkeit der Badenfahrt, sich treu zu bleiben und sich dennoch immer wieder an den Zeitgeist anzupassen», sagt Nadine Stutz. Das zeige sich auch an den Plakaten der bisherigen Ausgaben. Aktuelle Themen werden aufgenommen, deshalb ist keine Badenfahrt wie die andere. Und: Die Badenfahrt sei in der DNA vieler Badenerinnen und Badener. Sie werden als Kinder zur Badenfahrt mitgenommen, erleben die nächste Ausgabe als Teenager und kommen später mit ihrer eigenen Familie zurück.

Eine Umzugskutsche an der Badenfahrt 1937.

Szene der Badenfahrt 1947.

Die Spanisch-Brötli-Bahn spielte seit jeher eine wichtige Rolle für die Badenfahrt.

Der Lunapark ist ein wichtiger Bestandteil der Badenfahrt – hier 2017.

Das Logo der Badenfahrt 2023.

Liste der lebendigen Traditionen

Mit dem Beitritt zum Unesco-Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes am 16. Oktober 2008 verpflichtete sich die Schweiz, ein Inventar der lebendigen Traditionen der Schweiz zu erarbeiten. Ein erstes Inventar wurde 2012 veröffentlicht. Seither wird dieses periodisch überprüft und aktualisiert. Eine nächste Aktualisierung steht im Spätsommer 2023 an. Derzeit umfasst die Liste 199 Traditionen, von A wie Älplerchilbi bis Z wie Zürcher Technokultur. Die Badenfahrt figuriert seit 2017 auf der Liste der lebendigen Traditionen. Auf der Website des Bundesamts für Kultur zu den lebendigen Traditionen heisst es zur Badenfahrt: «Das Fest hat einen hohen partizipativen und integrativen Charakter – die Badenfahrt ist ein Volksfest, an dem die ganze Badener Bevölkerung in irgendeiner Form beteiligt ist und Laienkultur mit professionellem Kulturschaffen zu verbinden vermag. Das Zentrale an der Badenfahrt ist seine Wandelbarkeit. Das Fest hat nur sehr wenige traditionelle Verpflichtungen und kann sich so immer wieder in allen seinen Facetten neu erfinden.»

Nadja Sutter
Chefredaktorin «Schweizer Gemeinde»